Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Handwerksgebräuche. Polizeigerichtsbarkeit auf alle in einem Umkreise von vier Meilen undweiter wohnenden Genossen aus, weil diese keine Lade halten und keine Innung bilden konnten, mithin zu ihnen halten mussten. Was aber in dem vorliegenden Falle besonders auffällt, ist, dass nicht die Innung in Magdeburg, sondern ihre Gesellen die richterliche Behörde bildeten; es wird daher wahrscheinlich, dass man diesen die Gerichts- barkeit über die Meister und Gesellen in den umliegenden kleinen Städten und Dörfern überlassen hatte. Nun geriet im Jahre 1600 ein Schmiedemeister in Stassfurth, Namens Kunz, mit dem dortigen Ein- wohner Wunschwitz in Wortstreit und wurde von diesem mit entehren- den Schimpfnamen belegt. Der Schmied Kunz verklagte darauf den Bürger Wunschwitz nicht beim Gericht, sondern bei den Schmiede- gesellen (Companen) in Magdeburg, und diese citierten den Verklagten, sich vor ihnen zu stellen. Da er aber nicht erschien, vielmehr bei der Ortsobrigkeit zu Stassfurth Schutz suchte, wandten sich die Schmiede- gesellen an die erzstiftische Regierung in Halle mit der Bitte, dem Verklagten aufzugeben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Die Regierung forderte auch den Wunschwitz wirklich auf, der Vorladung ungesäumt zu genügen. Endlich fügte er sich. Aber die Companen forderten von ihm allein an Gerichtskosten 60 Thaler, und da er sich dazu nicht verstehen wollte, zerschlug sich die Sache wieder. Darauf wandten sich die Gesellen abermals an die Regierung mit dem Antrage, beiden Parteien aufzugeben, vor ihnen zu erscheinen, sich zu vergleichen und die verursachten Kosten zu erstatten; zugleich forderten sie ihre Innung auf, sie möge zur Erhaltung der Handwerksgewohnheit die Sache helfen zu Ende bringen; wo nicht, würden sie nicht nur ihre Werkstätten verlassen, sondern auch den Meistern "den Hammer legen". Die Regierung berichtete deshalb an das Domkapitel (als Landesherrn während der Minderjährigkeit des Erzbischofs Christian Wilhelm) und schlug vor, aus der Mitte der Domherren eine Deputation zu ernennen, welche die Sache auf dem Wege des Vergleichs beilegen möge. Die unvollständigen Akten ergeben nicht, ob die Schmiedegesellen sich vor dieser Kommission gestellt haben; es ist aber nach dem weiteren Ver- laufe der Sache unwahrscheinlich, denn sie verboten unmittelbar darauf in einem Mandate den Schmiedemeistern, Gesellen und Jungen in der Neustadt Magdeburg, Sudenburg und allen umliegenden Dörfern, für die Herren des Domkapitels zu arbeiten, bis Wunschwitz sich vor ihnen stellen werde; auch der Schmied Kunz in Stassfurth arbeitete nicht mehr für das dortige domstiftische Amt. Die erzstiftische Regierung war inzwischen darauf bedacht, die übermütigen Compane durch Re- Handwerksgebräuche. Polizeigerichtsbarkeit auf alle in einem Umkreise von vier Meilen undweiter wohnenden Genossen aus, weil diese keine Lade halten und keine Innung bilden konnten, mithin zu ihnen halten muſsten. Was aber in dem vorliegenden Falle besonders auffällt, ist, daſs nicht die Innung in Magdeburg, sondern ihre Gesellen die richterliche Behörde bildeten; es wird daher wahrscheinlich, daſs man diesen die Gerichts- barkeit über die Meister und Gesellen in den umliegenden kleinen Städten und Dörfern überlassen hatte. Nun geriet im Jahre 1600 ein Schmiedemeister in Staſsfurth, Namens Kunz, mit dem dortigen Ein- wohner Wunschwitz in Wortstreit und wurde von diesem mit entehren- den Schimpfnamen belegt. Der Schmied Kunz verklagte darauf den Bürger Wunschwitz nicht beim Gericht, sondern bei den Schmiede- gesellen (Companen) in Magdeburg, und diese citierten den Verklagten, sich vor ihnen zu stellen. Da er aber nicht erschien, vielmehr bei der Ortsobrigkeit zu Staſsfurth Schutz suchte, wandten sich die Schmiede- gesellen an die erzstiftische Regierung in Halle mit der Bitte, dem Verklagten aufzugeben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Die Regierung forderte auch den Wunschwitz wirklich auf, der Vorladung ungesäumt zu genügen. Endlich fügte er sich. Aber die Companen forderten von ihm allein an Gerichtskosten 60 Thaler, und da er sich dazu nicht verstehen wollte, zerschlug sich die Sache wieder. Darauf wandten sich die Gesellen abermals an die Regierung mit dem Antrage, beiden Parteien aufzugeben, vor ihnen zu erscheinen, sich zu vergleichen und die verursachten Kosten zu erstatten; zugleich forderten sie ihre Innung auf, sie möge zur Erhaltung der Handwerksgewohnheit die Sache helfen zu Ende bringen; wo nicht, würden sie nicht nur ihre Werkstätten verlassen, sondern auch den Meistern „den Hammer legen“. Die Regierung berichtete deshalb an das Domkapitel (als Landesherrn während der Minderjährigkeit des Erzbischofs Christian Wilhelm) und schlug vor, aus der Mitte der Domherren eine Deputation zu ernennen, welche die Sache auf dem Wege des Vergleichs beilegen möge. Die unvollständigen Akten ergeben nicht, ob die Schmiedegesellen sich vor dieser Kommission gestellt haben; es ist aber nach dem weiteren Ver- laufe der Sache unwahrscheinlich, denn sie verboten unmittelbar darauf in einem Mandate den Schmiedemeistern, Gesellen und Jungen in der Neustadt Magdeburg, Sudenburg und allen umliegenden Dörfern, für die Herren des Domkapitels zu arbeiten, bis Wunschwitz sich vor ihnen stellen werde; auch der Schmied Kunz in Staſsfurth arbeitete nicht mehr für das dortige domstiftische Amt. Die erzstiftische Regierung war inzwischen darauf bedacht, die übermütigen Compane durch Re- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0906" n="884"/><fw place="top" type="header">Handwerksgebräuche.</fw><lb/> Polizeigerichtsbarkeit auf alle in einem Umkreise von vier Meilen und<lb/> weiter wohnenden Genossen aus, weil diese keine Lade halten und<lb/> keine Innung bilden konnten, mithin zu ihnen halten muſsten. 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Da er aber nicht erschien, vielmehr bei der<lb/> Ortsobrigkeit zu Staſsfurth Schutz suchte, wandten sich die Schmiede-<lb/> gesellen an die erzstiftische Regierung in Halle mit der Bitte, dem<lb/> Verklagten aufzugeben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Die<lb/> Regierung forderte auch den Wunschwitz wirklich auf, der Vorladung<lb/> ungesäumt zu genügen. Endlich fügte er sich. Aber die Companen<lb/> forderten von ihm allein an Gerichtskosten 60 Thaler, und da er sich<lb/> dazu nicht verstehen wollte, zerschlug sich die Sache wieder. 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Handwerksgebräuche.
Polizeigerichtsbarkeit auf alle in einem Umkreise von vier Meilen und
weiter wohnenden Genossen aus, weil diese keine Lade halten und
keine Innung bilden konnten, mithin zu ihnen halten muſsten. Was
aber in dem vorliegenden Falle besonders auffällt, ist, daſs nicht die
Innung in Magdeburg, sondern ihre Gesellen die richterliche Behörde
bildeten; es wird daher wahrscheinlich, daſs man diesen die Gerichts-
barkeit über die Meister und Gesellen in den umliegenden kleinen
Städten und Dörfern überlassen hatte. Nun geriet im Jahre 1600 ein
Schmiedemeister in Staſsfurth, Namens Kunz, mit dem dortigen Ein-
wohner Wunschwitz in Wortstreit und wurde von diesem mit entehren-
den Schimpfnamen belegt. Der Schmied Kunz verklagte darauf den
Bürger Wunschwitz nicht beim Gericht, sondern bei den Schmiede-
gesellen (Companen) in Magdeburg, und diese citierten den Verklagten,
sich vor ihnen zu stellen. Da er aber nicht erschien, vielmehr bei der
Ortsobrigkeit zu Staſsfurth Schutz suchte, wandten sich die Schmiede-
gesellen an die erzstiftische Regierung in Halle mit der Bitte, dem
Verklagten aufzugeben, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Die
Regierung forderte auch den Wunschwitz wirklich auf, der Vorladung
ungesäumt zu genügen. Endlich fügte er sich. Aber die Companen
forderten von ihm allein an Gerichtskosten 60 Thaler, und da er sich
dazu nicht verstehen wollte, zerschlug sich die Sache wieder. Darauf
wandten sich die Gesellen abermals an die Regierung mit dem Antrage,
beiden Parteien aufzugeben, vor ihnen zu erscheinen, sich zu vergleichen
und die verursachten Kosten zu erstatten; zugleich forderten sie ihre
Innung auf, sie möge zur Erhaltung der Handwerksgewohnheit die
Sache helfen zu Ende bringen; wo nicht, würden sie nicht nur ihre
Werkstätten verlassen, sondern auch den Meistern „den Hammer legen“.
Die Regierung berichtete deshalb an das Domkapitel (als Landesherrn
während der Minderjährigkeit des Erzbischofs Christian Wilhelm) und
schlug vor, aus der Mitte der Domherren eine Deputation zu ernennen,
welche die Sache auf dem Wege des Vergleichs beilegen möge. Die
unvollständigen Akten ergeben nicht, ob die Schmiedegesellen sich vor
dieser Kommission gestellt haben; es ist aber nach dem weiteren Ver-
laufe der Sache unwahrscheinlich, denn sie verboten unmittelbar darauf
in einem Mandate den Schmiedemeistern, Gesellen und Jungen in der
Neustadt Magdeburg, Sudenburg und allen umliegenden Dörfern, für
die Herren des Domkapitels zu arbeiten, bis Wunschwitz sich vor ihnen
stellen werde; auch der Schmied Kunz in Staſsfurth arbeitete nicht
mehr für das dortige domstiftische Amt. Die erzstiftische Regierung
war inzwischen darauf bedacht, die übermütigen Compane durch Re-
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