Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmiedekunst im Mittelalter.
und Westfalen, oben an. Diese Industrie blühte in Deutschland und
teilweise auch in Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, während sie
sich in Italien erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte.

In den süddeutschen Städten entfaltete sich seit dem 14. Jahr-
hundert die höchste Blüte der Kunstschlosserei in jeder Richtung. Die-
selbe vervollkommnete sich immer wunderbarer bis in das 16. Jahr-
hundert. Es giebt für diese Zeit und für diese Kunstrichtung wohl
kaum ein herrlicheres Denkmal als das Grabmal des Kaisers Maximilian
in Insbruck. Bei diesem ist alte und neue Kunst in ihrer Vollkom-
menheit vereinigt, auf der einen Seite die überraschendsten Leistungen
in bezug auf Schweissung, auf der anderen Seite eine Mannigfaltigkeit
an aufgesetzter Arbeit, ein Reichtum an Blattwerk und Blumen, die
überraschend, fast überladen erscheint. Wir führen als Beispiel kunst-
voll aufgelegter Arbeit nur die neben skizzierten Säulenschafte von dem
Gitter des Grabdenkmals Kaiser Maximilians in Insbruck an, die aus
Schmiedeeisen geschmiedet, mit einem zarten Blattwerk von nur 1 bis
2 mm Dicke derart überzogen sind, als ob sie mit dem Körper des
Schaftes eins seien (Fig. 264 a. v. S.).

Entwickelte sich die Technik der Schmiede im Mittelalter zur
vollendeten Kunst in den Werken des Friedens, so geschah dies nicht
minder in den Arbeiten, die dem Kriege dienten.

Waffenschmiedekunst (Schwertschmiede).

Das Schwert wurde durch die Vervollkommnung des Materials
immer mehr die Hauptwaffe der freien Germanen. Auf gute Schwert-
klingen wurde hoher Wert gelegt. War auch die Klingenschmiederei
in den norditalienischen Städten, sowie in Noricum uralt und erhielt
sich ihr Ruhm durch das ganze Mittelalter, so übte doch die orienta-
lische Schmiedekunst seit der weltbewegenden Gründung des Moham-
medanismus und des Siegeszuges der Araber seit der Unterwerfung
Spaniens durch dieselben einen eminenten Einfluss auf die Entwicke-
lung dieser Industrie. Unter arabischer Herrschaft blühte die Klingen-
schmiederei in Toledo empor. Aus dieser Zeit stammt der Ruhm des
Rolandschwertes.

Wie die deutschen Heldensagen, so priesen zum Teil schon früher
arabische Dichter den Wert der Schwerter ihrer Helden. Am be-
sungensten waren die Schwerter des Propheten selbst 1). Die Kreuz-

1) S. 197.

Schmiedekunst im Mittelalter.
und Westfalen, oben an. Diese Industrie blühte in Deutschland und
teilweise auch in Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, während sie
sich in Italien erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte.

In den süddeutschen Städten entfaltete sich seit dem 14. Jahr-
hundert die höchste Blüte der Kunstschlosserei in jeder Richtung. Die-
selbe vervollkommnete sich immer wunderbarer bis in das 16. Jahr-
hundert. Es giebt für diese Zeit und für diese Kunstrichtung wohl
kaum ein herrlicheres Denkmal als das Grabmal des Kaisers Maximilian
in Insbruck. Bei diesem ist alte und neue Kunst in ihrer Vollkom-
menheit vereinigt, auf der einen Seite die überraschendsten Leistungen
in bezug auf Schweiſsung, auf der anderen Seite eine Mannigfaltigkeit
an aufgesetzter Arbeit, ein Reichtum an Blattwerk und Blumen, die
überraschend, fast überladen erscheint. Wir führen als Beispiel kunst-
voll aufgelegter Arbeit nur die neben skizzierten Säulenschafte von dem
Gitter des Grabdenkmals Kaiser Maximilians in Insbruck an, die aus
Schmiedeeisen geschmiedet, mit einem zarten Blattwerk von nur 1 bis
2 mm Dicke derart überzogen sind, als ob sie mit dem Körper des
Schaftes eins seien (Fig. 264 a. v. S.).

Entwickelte sich die Technik der Schmiede im Mittelalter zur
vollendeten Kunst in den Werken des Friedens, so geschah dies nicht
minder in den Arbeiten, die dem Kriege dienten.

Waffenschmiedekunst (Schwertschmiede).

Das Schwert wurde durch die Vervollkommnung des Materials
immer mehr die Hauptwaffe der freien Germanen. Auf gute Schwert-
klingen wurde hoher Wert gelegt. War auch die Klingenschmiederei
in den norditalienischen Städten, sowie in Noricum uralt und erhielt
sich ihr Ruhm durch das ganze Mittelalter, so übte doch die orienta-
lische Schmiedekunst seit der weltbewegenden Gründung des Moham-
medanismus und des Siegeszuges der Araber seit der Unterwerfung
Spaniens durch dieselben einen eminenten Einfluſs auf die Entwicke-
lung dieser Industrie. Unter arabischer Herrschaft blühte die Klingen-
schmiederei in Toledo empor. Aus dieser Zeit stammt der Ruhm des
Rolandschwertes.

Wie die deutschen Heldensagen, so priesen zum Teil schon früher
arabische Dichter den Wert der Schwerter ihrer Helden. Am be-
sungensten waren die Schwerter des Propheten selbst 1). Die Kreuz-

1) S. 197.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0866" n="844"/><fw place="top" type="header">Schmiedekunst im Mittelalter.</fw><lb/>
und Westfalen, oben an. Diese Industrie blühte in Deutschland und<lb/>
teilweise auch in Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, während sie<lb/>
sich in Italien erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte.</p><lb/>
          <p>In den süddeutschen Städten entfaltete sich seit dem 14. Jahr-<lb/>
hundert die höchste Blüte der Kunstschlosserei in jeder Richtung. Die-<lb/>
selbe vervollkommnete sich immer wunderbarer bis in das 16. Jahr-<lb/>
hundert. Es giebt für diese Zeit und für diese Kunstrichtung wohl<lb/>
kaum ein herrlicheres Denkmal als das Grabmal des Kaisers Maximilian<lb/>
in Insbruck. Bei diesem ist alte und neue Kunst in ihrer Vollkom-<lb/>
menheit vereinigt, auf der einen Seite die überraschendsten Leistungen<lb/>
in bezug auf Schwei&#x017F;sung, auf der anderen Seite eine Mannigfaltigkeit<lb/>
an aufgesetzter Arbeit, ein Reichtum an Blattwerk und Blumen, die<lb/>
überraschend, fast überladen erscheint. Wir führen als Beispiel kunst-<lb/>
voll aufgelegter Arbeit nur die neben skizzierten Säulenschafte von dem<lb/>
Gitter des Grabdenkmals Kaiser Maximilians in Insbruck an, die aus<lb/>
Schmiedeeisen geschmiedet, mit einem zarten Blattwerk von nur 1 bis<lb/>
2 mm Dicke derart überzogen sind, als ob sie mit dem Körper des<lb/>
Schaftes eins seien (Fig. 264 a. v. S.).</p><lb/>
          <p>Entwickelte sich die Technik der Schmiede im Mittelalter zur<lb/>
vollendeten Kunst in den Werken des Friedens, so geschah dies nicht<lb/>
minder in den Arbeiten, die dem Kriege dienten.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Waffenschmiedekunst (Schwertschmiede)</hi>.</head><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#g">Schwert</hi> wurde durch die Vervollkommnung des Materials<lb/>
immer mehr die Hauptwaffe der freien Germanen. Auf gute Schwert-<lb/>
klingen wurde hoher Wert gelegt. War auch die Klingenschmiederei<lb/>
in den norditalienischen Städten, sowie in Noricum uralt und erhielt<lb/>
sich ihr Ruhm durch das ganze Mittelalter, so übte doch die orienta-<lb/>
lische Schmiedekunst seit der weltbewegenden Gründung des Moham-<lb/>
medanismus und des Siegeszuges der Araber seit der Unterwerfung<lb/>
Spaniens durch dieselben einen eminenten Einflu&#x017F;s auf die Entwicke-<lb/>
lung dieser Industrie. Unter arabischer Herrschaft blühte die Klingen-<lb/>
schmiederei in Toledo empor. Aus dieser Zeit stammt der Ruhm des<lb/>
Rolandschwertes.</p><lb/>
            <p>Wie die deutschen Heldensagen, so priesen zum Teil schon früher<lb/>
arabische Dichter den Wert der Schwerter ihrer Helden. Am be-<lb/>
sungensten waren die Schwerter des Propheten selbst <note place="foot" n="1)">S. 197.</note>. Die Kreuz-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[844/0866] Schmiedekunst im Mittelalter. und Westfalen, oben an. Diese Industrie blühte in Deutschland und teilweise auch in Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, während sie sich in Italien erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte. In den süddeutschen Städten entfaltete sich seit dem 14. Jahr- hundert die höchste Blüte der Kunstschlosserei in jeder Richtung. Die- selbe vervollkommnete sich immer wunderbarer bis in das 16. Jahr- hundert. Es giebt für diese Zeit und für diese Kunstrichtung wohl kaum ein herrlicheres Denkmal als das Grabmal des Kaisers Maximilian in Insbruck. Bei diesem ist alte und neue Kunst in ihrer Vollkom- menheit vereinigt, auf der einen Seite die überraschendsten Leistungen in bezug auf Schweiſsung, auf der anderen Seite eine Mannigfaltigkeit an aufgesetzter Arbeit, ein Reichtum an Blattwerk und Blumen, die überraschend, fast überladen erscheint. Wir führen als Beispiel kunst- voll aufgelegter Arbeit nur die neben skizzierten Säulenschafte von dem Gitter des Grabdenkmals Kaiser Maximilians in Insbruck an, die aus Schmiedeeisen geschmiedet, mit einem zarten Blattwerk von nur 1 bis 2 mm Dicke derart überzogen sind, als ob sie mit dem Körper des Schaftes eins seien (Fig. 264 a. v. S.). Entwickelte sich die Technik der Schmiede im Mittelalter zur vollendeten Kunst in den Werken des Friedens, so geschah dies nicht minder in den Arbeiten, die dem Kriege dienten. Waffenschmiedekunst (Schwertschmiede). Das Schwert wurde durch die Vervollkommnung des Materials immer mehr die Hauptwaffe der freien Germanen. Auf gute Schwert- klingen wurde hoher Wert gelegt. War auch die Klingenschmiederei in den norditalienischen Städten, sowie in Noricum uralt und erhielt sich ihr Ruhm durch das ganze Mittelalter, so übte doch die orienta- lische Schmiedekunst seit der weltbewegenden Gründung des Moham- medanismus und des Siegeszuges der Araber seit der Unterwerfung Spaniens durch dieselben einen eminenten Einfluſs auf die Entwicke- lung dieser Industrie. Unter arabischer Herrschaft blühte die Klingen- schmiederei in Toledo empor. Aus dieser Zeit stammt der Ruhm des Rolandschwertes. Wie die deutschen Heldensagen, so priesen zum Teil schon früher arabische Dichter den Wert der Schwerter ihrer Helden. Am be- sungensten waren die Schwerter des Propheten selbst 1). Die Kreuz- 1) S. 197.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/866
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/866>, abgerufen am 18.12.2024.