Temperatur eine Kohlenstoffaufnahme, eine Zementation erleidet, wo- durch es in Stahl übergeführt werden kann. Auf diesem Verfahren beruht die Brescianschmiederei, die paaler und die kärntner Roh- stahlarbeit, welche sich bis heute in Italien, Kärnten und Steiermark erhalten haben 1). Es ist dies die einfachste Art der Zementation, die aber hauptsächlich den Nachteil hat, dass dabei ein sehr bedeutender Anteil des Schmiedeeisens abschmilzt.
Auch Biringuccio erwähnt bereits 1540 dieses Verfahren in seiner Pyrotechnia und es war auch nach der Einführung des Hochofen- prozesses und der Frischschmieden noch lange eine der wichtigsten Stahldarstellungsmethoden.
Ob man im Mittelalter oder in noch früherer Zeit auch bereits die Einsatzhärtung oder Zementation, das eigentliche Ver- stählen, durch Glühen fertig geschmiedeter Gegenstände aus weichem Eisen in einem sogenannten Härtemittel, einem kohlenstoffgebenden Pulver bei Luftabschluss kannte, lässt sich mit Bestimmtheit nicht nachweisen. Indessen lässt sich wohl annehmen, dass Messerschmiede, Waffenschmiede, Nadler u. s. w. diese Kunst bereits verstanden, aber als ein Geheimnis verwahrten, wie ja gerade bezüglich dieser Einsatz- härtung noch heutzutage viel Geheimniskrämerei getrieben wird und die meist empirischen Härtepulver sich durch mündliche Überlieferung vom Vater auf den Sohn oder von Meister auf Gesellen vererben. Im allgemeinen sind es die Stickstoffkohlenstoffverbindungen, welche die besten Härtepulver geben, insbesondere Cyanverbindungen, da diese den Kohlenstoff am leichtesten an das Eisen übertragen, weshalb heut- zutage das Blutlaugensalz der geeigneteste Zusatz zu dem Härtepulver ist. Bei den alten, empirischen Härtepulvern sind es aus demselben Grunde alle Arten von tierischen Abfällen, Hornfeilspäne, Tierklauen, Leder, Exkremente, besonders von Vögeln u. s. w.
Die bereits oben angeführte merkwürdige Stelle aus dem Ame- lungenlied, in der geschildert wird, wie Wieland das Schwert Mimung schmiedet, scheint uns ein klarer Beweis zu sein, dass zur Zeit des Dichters und wohl noch früher, denn die sonderbare Stelle trägt den Charakter altertümlicher Überlieferung an sich, die Zementation des Stahles durch Einsatzhärtung mittels eines Härtepulvers schon bekannt war. Das erste Schwert, welches Wieland geschmiedet hatte, genügte trotz der wunderbaren Probe dem Meister nicht. Er zerfeilt es in Stücke und zu eitel Staub, mischt das Eisen mit Mehl und Milch zu
1) Siehe Tunner, der wohlunterrichtete Hammermeister.
Stahlfabrikation im Mittelalter.
Temperatur eine Kohlenstoffaufnahme, eine Zementation erleidet, wo- durch es in Stahl übergeführt werden kann. Auf diesem Verfahren beruht die Brescianschmiederei, die paaler und die kärntner Roh- stahlarbeit, welche sich bis heute in Italien, Kärnten und Steiermark erhalten haben 1). Es ist dies die einfachste Art der Zementation, die aber hauptsächlich den Nachteil hat, daſs dabei ein sehr bedeutender Anteil des Schmiedeeisens abschmilzt.
Auch Biringuccio erwähnt bereits 1540 dieses Verfahren in seiner Pyrotechnia und es war auch nach der Einführung des Hochofen- prozesses und der Frischschmieden noch lange eine der wichtigsten Stahldarstellungsmethoden.
Ob man im Mittelalter oder in noch früherer Zeit auch bereits die Einsatzhärtung oder Zementation, das eigentliche Ver- stählen, durch Glühen fertig geschmiedeter Gegenstände aus weichem Eisen in einem sogenannten Härtemittel, einem kohlenstoffgebenden Pulver bei Luftabschluſs kannte, läſst sich mit Bestimmtheit nicht nachweisen. Indessen läſst sich wohl annehmen, daſs Messerschmiede, Waffenschmiede, Nadler u. s. w. diese Kunst bereits verstanden, aber als ein Geheimnis verwahrten, wie ja gerade bezüglich dieser Einsatz- härtung noch heutzutage viel Geheimniskrämerei getrieben wird und die meist empirischen Härtepulver sich durch mündliche Überlieferung vom Vater auf den Sohn oder von Meister auf Gesellen vererben. Im allgemeinen sind es die Stickstoffkohlenstoffverbindungen, welche die besten Härtepulver geben, insbesondere Cyanverbindungen, da diese den Kohlenstoff am leichtesten an das Eisen übertragen, weshalb heut- zutage das Blutlaugensalz der geeigneteste Zusatz zu dem Härtepulver ist. Bei den alten, empirischen Härtepulvern sind es aus demselben Grunde alle Arten von tierischen Abfällen, Hornfeilspäne, Tierklauen, Leder, Exkremente, besonders von Vögeln u. s. w.
Die bereits oben angeführte merkwürdige Stelle aus dem Ame- lungenlied, in der geschildert wird, wie Wieland das Schwert Mimung schmiedet, scheint uns ein klarer Beweis zu sein, daſs zur Zeit des Dichters und wohl noch früher, denn die sonderbare Stelle trägt den Charakter altertümlicher Überlieferung an sich, die Zementation des Stahles durch Einsatzhärtung mittels eines Härtepulvers schon bekannt war. Das erste Schwert, welches Wieland geschmiedet hatte, genügte trotz der wunderbaren Probe dem Meister nicht. Er zerfeilt es in Stücke und zu eitel Staub, mischt das Eisen mit Mehl und Milch zu
1) Siehe Tunner, der wohlunterrichtete Hammermeister.
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Stahlfabrikation im Mittelalter.
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durch es in Stahl übergeführt werden kann. Auf diesem Verfahren
beruht die Brescianschmiederei, die paaler und die kärntner Roh-
stahlarbeit, welche sich bis heute in Italien, Kärnten und Steiermark
erhalten haben 1). Es ist dies die einfachste Art der Zementation, die
aber hauptsächlich den Nachteil hat, daſs dabei ein sehr bedeutender
Anteil des Schmiedeeisens abschmilzt.
Auch Biringuccio erwähnt bereits 1540 dieses Verfahren in seiner
Pyrotechnia und es war auch nach der Einführung des Hochofen-
prozesses und der Frischschmieden noch lange eine der wichtigsten
Stahldarstellungsmethoden.
Ob man im Mittelalter oder in noch früherer Zeit auch bereits
die Einsatzhärtung oder Zementation, das eigentliche Ver-
stählen, durch Glühen fertig geschmiedeter Gegenstände aus weichem
Eisen in einem sogenannten Härtemittel, einem kohlenstoffgebenden
Pulver bei Luftabschluſs kannte, läſst sich mit Bestimmtheit nicht
nachweisen. Indessen läſst sich wohl annehmen, daſs Messerschmiede,
Waffenschmiede, Nadler u. s. w. diese Kunst bereits verstanden, aber
als ein Geheimnis verwahrten, wie ja gerade bezüglich dieser Einsatz-
härtung noch heutzutage viel Geheimniskrämerei getrieben wird und
die meist empirischen Härtepulver sich durch mündliche Überlieferung
vom Vater auf den Sohn oder von Meister auf Gesellen vererben. Im
allgemeinen sind es die Stickstoffkohlenstoffverbindungen, welche die
besten Härtepulver geben, insbesondere Cyanverbindungen, da diese
den Kohlenstoff am leichtesten an das Eisen übertragen, weshalb heut-
zutage das Blutlaugensalz der geeigneteste Zusatz zu dem Härtepulver
ist. Bei den alten, empirischen Härtepulvern sind es aus demselben
Grunde alle Arten von tierischen Abfällen, Hornfeilspäne, Tierklauen,
Leder, Exkremente, besonders von Vögeln u. s. w.
Die bereits oben angeführte merkwürdige Stelle aus dem Ame-
lungenlied, in der geschildert wird, wie Wieland das Schwert Mimung
schmiedet, scheint uns ein klarer Beweis zu sein, daſs zur Zeit des
Dichters und wohl noch früher, denn die sonderbare Stelle trägt den
Charakter altertümlicher Überlieferung an sich, die Zementation des
Stahles durch Einsatzhärtung mittels eines Härtepulvers schon bekannt
war. Das erste Schwert, welches Wieland geschmiedet hatte, genügte
trotz der wunderbaren Probe dem Meister nicht. Er zerfeilt es in
Stücke und zu eitel Staub, mischt das Eisen mit Mehl und Milch zu
1) Siehe Tunner, der wohlunterrichtete Hammermeister.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 836. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/858>, abgerufen am 22.11.2024.
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