An die schwedischen Bauernöfen schliessen sich in Konstruktion und Betrieb die sogenannten Stucköfen an. Diese sind für eine ge- schichtliche Betrachtung der Entwickelung der Eisenindustrie von hohem Interesse, da sie das natürliche Übergangsglied zwischen unseren Hochöfen und den alten Luppenfeuern, zwischen der indirekten und der direkten Methode der Eisenerzeugung bilden. Darum aber behaup- ten zu wollen, die Stucköfen hätten sich aus den Luppenfeuern durch eine allmähliche Erhöhung der Wände gebildet, wäre ebenso voreilig, wie wenn man sagt, die Luppenfeuer mit künstlicher Windzuführung hätten sich aus Öfen mit natürlichem Zug entwickelt. Solche An- nahmen sind mehr synthetisch als empirisch. Es ist bei der Ent- wickelung der Technik nicht überall und unter allen Umständen das Einfachere dem Komplizierteren vorausgegangen. Überdies war zu der Zeit, da zum erstenmal der norische Stahl erwähnt wird, die Industrie in den zivilisierten Ländern bereits auf einer ziemlich hohen Stufe der Entwickelung.
Es lässt sich historisch nicht mehr nachweisen, ob die Stucköfen in Steiermark, demjenigen deutschen Land, in welchem sie zuerst angetroffen werden, sich aus Luppenfeuern oder aus Öfen mit natür- lichem Zug herausgebildet haben. Der Umstand, dass man auch in Steiermark die Spuren alter Schmelzstätten auf Anhöhen findet, ist nicht absolut beweisend für das Vorausgehen von Luppenfeuern, da ebenso ja auch die Bauernöfen und die Stucköfen, ehe ihr Betrieb von der Wasserkraft abhängig war, auf den Höhen lagen.
Auch der Name "Blauofen", mit dem diese Stucköfen oft be- zeichnet wurden, giebt keine Aufklärung. Mit der blauen Farbe hat er absolut nichts zu thun, vielmehr kommt das "Blau" in Blauofen von plaa (engl. to blow), blasen, wie denn auch die Arbeiter bei diesen Öfen in den österreichischen Alpen "Plaaer" und Plaameister und die Öfen selbst Plaaöfen zu heissen pflegten. Der Name "Blauöfen" war auch niemals auf die Stucköfen allein beschränkt, sondern man nannte alle Gebläseöfen, in welchen Eisenerze mit künstlichem Wind geschmol- zen wurden, mit diesem Namen. So wurden z. B. die Luppenfeuer öfter
Eisenbereitung im Mittelalter.
Die Eisengewinnung in „Stucköfen“.
Die Löschfeuer und die märkische Osmundschmiede.
An die schwedischen Bauernöfen schlieſsen sich in Konstruktion und Betrieb die sogenannten Stucköfen an. Diese sind für eine ge- schichtliche Betrachtung der Entwickelung der Eisenindustrie von hohem Interesse, da sie das natürliche Übergangsglied zwischen unseren Hochöfen und den alten Luppenfeuern, zwischen der indirekten und der direkten Methode der Eisenerzeugung bilden. Darum aber behaup- ten zu wollen, die Stucköfen hätten sich aus den Luppenfeuern durch eine allmähliche Erhöhung der Wände gebildet, wäre ebenso voreilig, wie wenn man sagt, die Luppenfeuer mit künstlicher Windzuführung hätten sich aus Öfen mit natürlichem Zug entwickelt. Solche An- nahmen sind mehr synthetisch als empirisch. Es ist bei der Ent- wickelung der Technik nicht überall und unter allen Umständen das Einfachere dem Komplizierteren vorausgegangen. Überdies war zu der Zeit, da zum erstenmal der norische Stahl erwähnt wird, die Industrie in den zivilisierten Ländern bereits auf einer ziemlich hohen Stufe der Entwickelung.
Es läſst sich historisch nicht mehr nachweisen, ob die Stucköfen in Steiermark, demjenigen deutschen Land, in welchem sie zuerst angetroffen werden, sich aus Luppenfeuern oder aus Öfen mit natür- lichem Zug herausgebildet haben. Der Umstand, daſs man auch in Steiermark die Spuren alter Schmelzstätten auf Anhöhen findet, ist nicht absolut beweisend für das Vorausgehen von Luppenfeuern, da ebenso ja auch die Bauernöfen und die Stucköfen, ehe ihr Betrieb von der Wasserkraft abhängig war, auf den Höhen lagen.
Auch der Name „Blauofen“, mit dem diese Stucköfen oft be- zeichnet wurden, giebt keine Aufklärung. Mit der blauen Farbe hat er absolut nichts zu thun, vielmehr kommt das „Blau“ in Blauofen von plaa (engl. to blow), blasen, wie denn auch die Arbeiter bei diesen Öfen in den österreichischen Alpen „Plaaer“ und Plaameister und die Öfen selbst Plaaöfen zu heiſsen pflegten. Der Name „Blauöfen“ war auch niemals auf die Stucköfen allein beschränkt, sondern man nannte alle Gebläseöfen, in welchen Eisenerze mit künstlichem Wind geschmol- zen wurden, mit diesem Namen. So wurden z. B. die Luppenfeuer öfter
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Eisenbereitung im Mittelalter.
Die Eisengewinnung in „Stucköfen“.
Die Löschfeuer und die märkische Osmundschmiede.
An die schwedischen Bauernöfen schlieſsen sich in Konstruktion
und Betrieb die sogenannten Stucköfen an. Diese sind für eine ge-
schichtliche Betrachtung der Entwickelung der Eisenindustrie von
hohem Interesse, da sie das natürliche Übergangsglied zwischen unseren
Hochöfen und den alten Luppenfeuern, zwischen der indirekten und
der direkten Methode der Eisenerzeugung bilden. Darum aber behaup-
ten zu wollen, die Stucköfen hätten sich aus den Luppenfeuern durch
eine allmähliche Erhöhung der Wände gebildet, wäre ebenso voreilig,
wie wenn man sagt, die Luppenfeuer mit künstlicher Windzuführung
hätten sich aus Öfen mit natürlichem Zug entwickelt. Solche An-
nahmen sind mehr synthetisch als empirisch. Es ist bei der Ent-
wickelung der Technik nicht überall und unter allen Umständen das
Einfachere dem Komplizierteren vorausgegangen. Überdies war zu der
Zeit, da zum erstenmal der norische Stahl erwähnt wird, die Industrie
in den zivilisierten Ländern bereits auf einer ziemlich hohen Stufe der
Entwickelung.
Es läſst sich historisch nicht mehr nachweisen, ob die Stucköfen
in Steiermark, demjenigen deutschen Land, in welchem sie zuerst
angetroffen werden, sich aus Luppenfeuern oder aus Öfen mit natür-
lichem Zug herausgebildet haben. Der Umstand, daſs man auch in
Steiermark die Spuren alter Schmelzstätten auf Anhöhen findet, ist
nicht absolut beweisend für das Vorausgehen von Luppenfeuern, da
ebenso ja auch die Bauernöfen und die Stucköfen, ehe ihr Betrieb von
der Wasserkraft abhängig war, auf den Höhen lagen.
Auch der Name „Blauofen“, mit dem diese Stucköfen oft be-
zeichnet wurden, giebt keine Aufklärung. Mit der blauen Farbe hat
er absolut nichts zu thun, vielmehr kommt das „Blau“ in Blauofen
von plaa (engl. to blow), blasen, wie denn auch die Arbeiter bei diesen
Öfen in den österreichischen Alpen „Plaaer“ und Plaameister und die
Öfen selbst Plaaöfen zu heiſsen pflegten. Der Name „Blauöfen“ war
auch niemals auf die Stucköfen allein beschränkt, sondern man nannte
alle Gebläseöfen, in welchen Eisenerze mit künstlichem Wind geschmol-
zen wurden, mit diesem Namen. So wurden z. B. die Luppenfeuer öfter
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/838>, abgerufen am 17.11.2024.
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