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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Ägypten.
vollere Verwendung verschiedenfarbigen Steinmaterials in gleichem
Massstabe als wie hier. Es sind die Reste des grossen Ammontempels,
der wohl schon früher begonnen, von den ersten Herrschern der acht-
zehnten Dynastie ausgebaut wurde. Nicht weit davon entfernt lagen
die Prachtbauten des siegreichen Amenophis III. zu Luxor und auf der
gegenüberliegenden Seite des Stromes zu Medinet-Habu. Bei letzterem
ragen zwei Riesenbildsäulen von 60 Fuss Höhe, eine davon die soge-
nannte Statue des Memnon, in die Luft.

Die Höhe seiner Macht erreichte Ägypten unter Sethos und seinem
Sohne Ramses II. (dem Sesostris der Griechen). Über die Thaten des
letzteren, der eben so kriegerisch war, wie sein Vater, berichten die
griechischen Geschichtsschreiber Fabelhaftes. Jedenfalls unternahm er
siegreiche Eroberungszüge nach Süden in Afrika, wie nach Osten und
Norden in Asien. Nach Diodor zählte sein Heer 600000 Fusstruppen,
24000 Reiter und 27000 Streitwagen, seine Flotte 400 Schiffe. Dich-
tung und Sage vergrösserten seinen Ruhm und die Überlieferung legte
ihm den Beinamen "der Grosse" bei. Grossartig waren seine Bauunter-
nehmungen. Er war es, der den ersten Versuch machte, den Nil mit
dem Roten Meere in Verbindung zu setzen. Die zahlreichen Denkmale,
die er an vielen Orten hinterlassen hat, übertreffen die älteren Werke
dieser Art an Schönheit und künstlerischer Ausführung. Die bedeu-
tendsten lagen ebenfalls bei Luxor nicht weit von den Bauten des
Amenophis. Dort finden sich noch die Trümmer des berühmten Ra-
messeums, eines Tempels des Ammon, der aus prachtvollen Säulen-
hallen, überragt von Kolossen aus verschiedenen Gesteinsarten, bestand.

Nach Ramses dem Grossen begann der Glanz der ägyptischen
Macht zu erbleichen, doch dauerte die Herrschaft der reichen, pracht-
liebenden Ramessiden bis um das Jahr 1000 v. Chr. Nach dieser Zeit
sank Ägypten mehr und mehr, bis es drei Jahrhunderte später seine
Selbständigkeit verlor und die Beute assyrischer Eroberer wurde.

Die wunderbaren Denkmale aus den drei Glanzperioden Ägyptens
aus den Zeiten der vierten, der zwölften und der achtzehnten Dynastie
geben uns reiches Material zur Beurteilung des gewerblichen Lebens
und der technischen Kenntnisse des Volkes an die Hand.

Beweist die Ausführung so wunderbarer Bauwerke, wie die der
Pyramiden in der ersten, die des Labyrinthes in der zweiten und die
der prachtvollen Tempel zu Theben in der dritten dieser Perioden --
Bauwerke, die unerreicht als ewige Denkmale menschlichen Schaffens
dastehen --, eine hohe Reife technischer Fertigkeit, die eine Menge
mechanischer und mathematischer Kenntnisse sowohl als ganz vorzüg-

Ägypten.
vollere Verwendung verschiedenfarbigen Steinmaterials in gleichem
Maſsstabe als wie hier. Es sind die Reste des groſsen Ammontempels,
der wohl schon früher begonnen, von den ersten Herrschern der acht-
zehnten Dynastie ausgebaut wurde. Nicht weit davon entfernt lagen
die Prachtbauten des siegreichen Amenophis III. zu Luxor und auf der
gegenüberliegenden Seite des Stromes zu Medinet-Habu. Bei letzterem
ragen zwei Riesenbildsäulen von 60 Fuſs Höhe, eine davon die soge-
nannte Statue des Memnon, in die Luft.

Die Höhe seiner Macht erreichte Ägypten unter Sethos und seinem
Sohne Ramses II. (dem Sesostris der Griechen). Über die Thaten des
letzteren, der eben so kriegerisch war, wie sein Vater, berichten die
griechischen Geschichtsschreiber Fabelhaftes. Jedenfalls unternahm er
siegreiche Eroberungszüge nach Süden in Afrika, wie nach Osten und
Norden in Asien. Nach Diodor zählte sein Heer 600000 Fuſstruppen,
24000 Reiter und 27000 Streitwagen, seine Flotte 400 Schiffe. Dich-
tung und Sage vergröſserten seinen Ruhm und die Überlieferung legte
ihm den Beinamen „der Groſse“ bei. Groſsartig waren seine Bauunter-
nehmungen. Er war es, der den ersten Versuch machte, den Nil mit
dem Roten Meere in Verbindung zu setzen. Die zahlreichen Denkmale,
die er an vielen Orten hinterlassen hat, übertreffen die älteren Werke
dieser Art an Schönheit und künstlerischer Ausführung. Die bedeu-
tendsten lagen ebenfalls bei Luxor nicht weit von den Bauten des
Amenophis. Dort finden sich noch die Trümmer des berühmten Ra-
messeums, eines Tempels des Ammon, der aus prachtvollen Säulen-
hallen, überragt von Kolossen aus verschiedenen Gesteinsarten, bestand.

Nach Ramses dem Groſsen begann der Glanz der ägyptischen
Macht zu erbleichen, doch dauerte die Herrschaft der reichen, pracht-
liebenden Ramessiden bis um das Jahr 1000 v. Chr. Nach dieser Zeit
sank Ägypten mehr und mehr, bis es drei Jahrhunderte später seine
Selbständigkeit verlor und die Beute assyrischer Eroberer wurde.

Die wunderbaren Denkmale aus den drei Glanzperioden Ägyptens
aus den Zeiten der vierten, der zwölften und der achtzehnten Dynastie
geben uns reiches Material zur Beurteilung des gewerblichen Lebens
und der technischen Kenntnisse des Volkes an die Hand.

Beweist die Ausführung so wunderbarer Bauwerke, wie die der
Pyramiden in der ersten, die des Labyrinthes in der zweiten und die
der prachtvollen Tempel zu Theben in der dritten dieser Perioden —
Bauwerke, die unerreicht als ewige Denkmale menschlichen Schaffens
dastehen —, eine hohe Reife technischer Fertigkeit, die eine Menge
mechanischer und mathematischer Kenntnisse sowohl als ganz vorzüg-

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[61/0083] Ägypten. vollere Verwendung verschiedenfarbigen Steinmaterials in gleichem Maſsstabe als wie hier. Es sind die Reste des groſsen Ammontempels, der wohl schon früher begonnen, von den ersten Herrschern der acht- zehnten Dynastie ausgebaut wurde. Nicht weit davon entfernt lagen die Prachtbauten des siegreichen Amenophis III. zu Luxor und auf der gegenüberliegenden Seite des Stromes zu Medinet-Habu. Bei letzterem ragen zwei Riesenbildsäulen von 60 Fuſs Höhe, eine davon die soge- nannte Statue des Memnon, in die Luft. Die Höhe seiner Macht erreichte Ägypten unter Sethos und seinem Sohne Ramses II. (dem Sesostris der Griechen). Über die Thaten des letzteren, der eben so kriegerisch war, wie sein Vater, berichten die griechischen Geschichtsschreiber Fabelhaftes. Jedenfalls unternahm er siegreiche Eroberungszüge nach Süden in Afrika, wie nach Osten und Norden in Asien. Nach Diodor zählte sein Heer 600000 Fuſstruppen, 24000 Reiter und 27000 Streitwagen, seine Flotte 400 Schiffe. Dich- tung und Sage vergröſserten seinen Ruhm und die Überlieferung legte ihm den Beinamen „der Groſse“ bei. Groſsartig waren seine Bauunter- nehmungen. Er war es, der den ersten Versuch machte, den Nil mit dem Roten Meere in Verbindung zu setzen. Die zahlreichen Denkmale, die er an vielen Orten hinterlassen hat, übertreffen die älteren Werke dieser Art an Schönheit und künstlerischer Ausführung. Die bedeu- tendsten lagen ebenfalls bei Luxor nicht weit von den Bauten des Amenophis. Dort finden sich noch die Trümmer des berühmten Ra- messeums, eines Tempels des Ammon, der aus prachtvollen Säulen- hallen, überragt von Kolossen aus verschiedenen Gesteinsarten, bestand. Nach Ramses dem Groſsen begann der Glanz der ägyptischen Macht zu erbleichen, doch dauerte die Herrschaft der reichen, pracht- liebenden Ramessiden bis um das Jahr 1000 v. Chr. Nach dieser Zeit sank Ägypten mehr und mehr, bis es drei Jahrhunderte später seine Selbständigkeit verlor und die Beute assyrischer Eroberer wurde. Die wunderbaren Denkmale aus den drei Glanzperioden Ägyptens aus den Zeiten der vierten, der zwölften und der achtzehnten Dynastie geben uns reiches Material zur Beurteilung des gewerblichen Lebens und der technischen Kenntnisse des Volkes an die Hand. Beweist die Ausführung so wunderbarer Bauwerke, wie die der Pyramiden in der ersten, die des Labyrinthes in der zweiten und die der prachtvollen Tempel zu Theben in der dritten dieser Perioden — Bauwerke, die unerreicht als ewige Denkmale menschlichen Schaffens dastehen —, eine hohe Reife technischer Fertigkeit, die eine Menge mechanischer und mathematischer Kenntnisse sowohl als ganz vorzüg-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/83>, abgerufen am 23.11.2024.