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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Eisenbereitung im Mittelalter.
wohner gewisser um die grösseren Gruben gelegener Landstriche, die
man "Bergslag" nannte, die Verpflichtung hatten, Eisen zu erzeugen,
dafür aber im Besitz gewisser Freiheiten und Vorrechte waren.

Lag heisst Verband, Bergslag ist also etwa so viel als Grubengewerk-
schaft; doch erinnert das Institut gleichzeitig auch an unsere Knapp-
schaften. 1354 befreite König Magnus diese "Bergslager" von der
Verpflichtung, Reisenden Vorspann zu geben, ausser dem König und
seinem Stellvertreter, wofür ihnen freilich eine Abgabe auferlegt wurde.
Die Bauern, die den rohen Osmund darstellten, verarbeiteten ihn nur
zum eigenen Gebrauch, indem sie Äxte, Sensen, Sicheln, Spiesse,
Schnitzmesser, Pflugeisen, Schaufeln, Spaten, Hespen, Hufeisen und
mehrere Sorten Nägel darstellten. Eine selbständige Industrie war
aber auf die Verarbeitung des Eisens nicht gegründet, so dass sogar
das abnorme Verhältnis eintrat, dass der meiste rohe Osmund nach
Lübeck, Danzig und nach der Mark ging, wo er erst weiter verarbeitet
wurde, um dann zum Teil von den Schweden selbst wieder in Form
von Draht und Blechen über Lübeck bezogen zu werden. Selbst in
die Form von Schmiedestäben, in der doch das schwedische Eisen jetzt
meist in den Handel kommt, wurde es in alter Zeit nicht von den
Schweden selbst gebracht, sondern es geschah dies meistens von deut-
schen Schmieden zu Danzig, weshalb die englischen Schmiede das
schwedische Eisen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts "Danzic
iron" zu nennen pflegten.

Durch die Reformen Gustav Wasas wurde diesem Missverhältnis
einigermassen gesteuert.

Bergwerke und Eisenwerke fielen im 14. und 15. Jahrhundert viel-
fach in die Hände der habgierigen, schwedischen Geistlichkeit, welche
dieselben aber durchaus vernachlässigte. So erwarb das Bistum
Upsala im Jahre 1470 den vierten Teil der Gruben von Dannemora.
In der betreffenden Urkunde heisst es, dass St. Erick von nun ab die
übrigen drei Viertel um so mehr segnen würde.

Die durchschnittliche Eisenproduktion Schwedens von der Mitte
des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts belief sich auf 80000 Ztr. im
Jahre. Dieses Eisen wurde ausschliesslich in Bauernöfen dargestellt.
Die Erze, aus denen dasselbe gewonnen wurde, waren meist Sumpf-
und Seeerze, die in eigentümlicher Weise von den Bauern selbst ge-
sammelt wurden. Die Sumpf- oder Morasterze (Myrmalm) werden in
verschiedenen Gegenden Schwedens und Norwegens gefunden. Wenn
in jenen Distrikten ein Sumpf nur einen Zufluss hat, nach einer Seite
schwach abhängt, wenn er mit Gras, Heide und Gesträuch bewachsen

Eisenbereitung im Mittelalter.
wohner gewisser um die gröſseren Gruben gelegener Landstriche, die
man „Bergslag“ nannte, die Verpflichtung hatten, Eisen zu erzeugen,
dafür aber im Besitz gewisser Freiheiten und Vorrechte waren.

Lag heiſst Verband, Bergslag ist also etwa so viel als Grubengewerk-
schaft; doch erinnert das Institut gleichzeitig auch an unsere Knapp-
schaften. 1354 befreite König Magnus diese „Bergslager“ von der
Verpflichtung, Reisenden Vorspann zu geben, auſser dem König und
seinem Stellvertreter, wofür ihnen freilich eine Abgabe auferlegt wurde.
Die Bauern, die den rohen Osmund darstellten, verarbeiteten ihn nur
zum eigenen Gebrauch, indem sie Äxte, Sensen, Sicheln, Spieſse,
Schnitzmesser, Pflugeisen, Schaufeln, Spaten, Hespen, Hufeisen und
mehrere Sorten Nägel darstellten. Eine selbständige Industrie war
aber auf die Verarbeitung des Eisens nicht gegründet, so daſs sogar
das abnorme Verhältnis eintrat, daſs der meiste rohe Osmund nach
Lübeck, Danzig und nach der Mark ging, wo er erst weiter verarbeitet
wurde, um dann zum Teil von den Schweden selbst wieder in Form
von Draht und Blechen über Lübeck bezogen zu werden. Selbst in
die Form von Schmiedestäben, in der doch das schwedische Eisen jetzt
meist in den Handel kommt, wurde es in alter Zeit nicht von den
Schweden selbst gebracht, sondern es geschah dies meistens von deut-
schen Schmieden zu Danzig, weshalb die englischen Schmiede das
schwedische Eisen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts „Danzic
iron“ zu nennen pflegten.

Durch die Reformen Gustav Wasas wurde diesem Miſsverhältnis
einigermaſsen gesteuert.

Bergwerke und Eisenwerke fielen im 14. und 15. Jahrhundert viel-
fach in die Hände der habgierigen, schwedischen Geistlichkeit, welche
dieselben aber durchaus vernachlässigte. So erwarb das Bistum
Upsala im Jahre 1470 den vierten Teil der Gruben von Dannemora.
In der betreffenden Urkunde heiſst es, daſs St. Erick von nun ab die
übrigen drei Viertel um so mehr segnen würde.

Die durchschnittliche Eisenproduktion Schwedens von der Mitte
des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts belief sich auf 80000 Ztr. im
Jahre. Dieses Eisen wurde ausschlieſslich in Bauernöfen dargestellt.
Die Erze, aus denen dasſelbe gewonnen wurde, waren meist Sumpf-
und Seeerze, die in eigentümlicher Weise von den Bauern selbst ge-
sammelt wurden. Die Sumpf- oder Morasterze (Myrmalm) werden in
verschiedenen Gegenden Schwedens und Norwegens gefunden. Wenn
in jenen Distrikten ein Sumpf nur einen Zufluſs hat, nach einer Seite
schwach abhängt, wenn er mit Gras, Heide und Gesträuch bewachsen

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[806/0828] Eisenbereitung im Mittelalter. wohner gewisser um die gröſseren Gruben gelegener Landstriche, die man „Bergslag“ nannte, die Verpflichtung hatten, Eisen zu erzeugen, dafür aber im Besitz gewisser Freiheiten und Vorrechte waren. Lag heiſst Verband, Bergslag ist also etwa so viel als Grubengewerk- schaft; doch erinnert das Institut gleichzeitig auch an unsere Knapp- schaften. 1354 befreite König Magnus diese „Bergslager“ von der Verpflichtung, Reisenden Vorspann zu geben, auſser dem König und seinem Stellvertreter, wofür ihnen freilich eine Abgabe auferlegt wurde. Die Bauern, die den rohen Osmund darstellten, verarbeiteten ihn nur zum eigenen Gebrauch, indem sie Äxte, Sensen, Sicheln, Spieſse, Schnitzmesser, Pflugeisen, Schaufeln, Spaten, Hespen, Hufeisen und mehrere Sorten Nägel darstellten. Eine selbständige Industrie war aber auf die Verarbeitung des Eisens nicht gegründet, so daſs sogar das abnorme Verhältnis eintrat, daſs der meiste rohe Osmund nach Lübeck, Danzig und nach der Mark ging, wo er erst weiter verarbeitet wurde, um dann zum Teil von den Schweden selbst wieder in Form von Draht und Blechen über Lübeck bezogen zu werden. Selbst in die Form von Schmiedestäben, in der doch das schwedische Eisen jetzt meist in den Handel kommt, wurde es in alter Zeit nicht von den Schweden selbst gebracht, sondern es geschah dies meistens von deut- schen Schmieden zu Danzig, weshalb die englischen Schmiede das schwedische Eisen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts „Danzic iron“ zu nennen pflegten. Durch die Reformen Gustav Wasas wurde diesem Miſsverhältnis einigermaſsen gesteuert. Bergwerke und Eisenwerke fielen im 14. und 15. Jahrhundert viel- fach in die Hände der habgierigen, schwedischen Geistlichkeit, welche dieselben aber durchaus vernachlässigte. So erwarb das Bistum Upsala im Jahre 1470 den vierten Teil der Gruben von Dannemora. In der betreffenden Urkunde heiſst es, daſs St. Erick von nun ab die übrigen drei Viertel um so mehr segnen würde. Die durchschnittliche Eisenproduktion Schwedens von der Mitte des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts belief sich auf 80000 Ztr. im Jahre. Dieses Eisen wurde ausschlieſslich in Bauernöfen dargestellt. Die Erze, aus denen dasſelbe gewonnen wurde, waren meist Sumpf- und Seeerze, die in eigentümlicher Weise von den Bauern selbst ge- sammelt wurden. Die Sumpf- oder Morasterze (Myrmalm) werden in verschiedenen Gegenden Schwedens und Norwegens gefunden. Wenn in jenen Distrikten ein Sumpf nur einen Zufluſs hat, nach einer Seite schwach abhängt, wenn er mit Gras, Heide und Gesträuch bewachsen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/828>, abgerufen am 22.11.2024.