Die Darstellung des Eisens in Herd- oder Luppenfeuern scheint das verbreitetere und ältere Verfahren in Deutschland gewesen zu sein. Jedoch lässt sich nicht nachweisen, dass die Stucköfen aus den alten Rennherden entstanden sind. Beide Ofenarten bestanden wohl auch bei den Germanen wie bei den Römern nebeneinander. Es scheint, dass in Deutschland die Stucköfen besonders da in Anwen- dung kamen, wo ein geordneter und ausgedehnterer Eisenerzbergbau auch die Anlage grösserer, gemauerter Öfen veranlasste, während die Luppenfeuer, die leicht aufzuführen und noch leichter wieder abzu- brechen waren, besonders an solchen Orten in Anwendung kamen, wo das Erz nur gelegentlich im Tagebau gewonnen wurde, oder wo viel- leicht ein besonderer Holzreichtum ihre Anlage veranlasste, weshalb die Luppenfeuer häufig mitten im Walde angelegt wurden. Dies ge- schah teils von den Waldbesitzern, teils von zünftigen Arbeitern, Eisen- schmelzern, Waldschmieden, die in älterer Zeit öfter von einem Platze zum anderen zogen. Auf den Gütern der Adligen, auch wenn sie nicht das Bergregal in ihrem Dominium erworben hatten, befanden sich in holz- und eisenreichen Gegenden meist solche Rennwerke; die Zigeuner 1), welche sich seit ihrem ersten Auftreten in Europa, besonders in der unteren Wallachei, im Banat und Siebenbürgen mit der Eisen- gewinnung beschäftigten, betrieben nomadisierend an den Plätzen, wo sie Erz fanden, ähnliche Schmelzöfen. Deshalb wurden auch die Lup- penschmieden öfter Zigeuner- und Heidenfeuer genannt. Solche Zigeunerfeuer haben sich in der Wallachei bis heute erhalten. Die Anlagen und die Arbeit der nomadisierenden Schmelzer erinnern leb- haft an die Eisengewinnung der Indier. Fast alle Zigeuner der Wal- lachei beschäftigten sich noch im vorigen Jahrhundert mit der Anfer- tigung von Eisenwaren 2). Sie hatten kleine, niedrige Öfen und unter- hielten das Feuer mit Handblasebälgen, die sie aus Ziegenfellen zusammennähten. Oben an der Stelle des Halses befestigten sie eine kleine, eiserne Röhre, während sie die beiden an der Bockshaut befind- lichen Füsse als Handhaben gebrauchten. Karl von Born sah einen solchen Betrieb bei Waida Hunnyad im Banat.
Das Alter von Eisenschmieden in jener Gegend bezeugt ein bei Ostrow gefundenes Denkmal, auf welchem eines Collegii fabrorum
1) 1421 erschienen zum erstenmal im Rheingau die Zigeuner (zinganorum faex). Sie gaben vor, weil ihre Voreltern Jesus und Maria auf ihrer Flucht nach Ägypten keine Herberge gaben, müssten sie zur Busse 7 Jahre in der Welt umher- irren. Doch waren sie nur Landstreicher und Diebe, die das einfältige Volk betrogen. (Roth's Geschichtsquellen des Niederrheingaues Tl. I, S. 21.)
2) Born, Reisen S. 128.
Eisenbereitung im Mittelalter.
Die Darstellung des Eisens in Herd- oder Luppenfeuern scheint das verbreitetere und ältere Verfahren in Deutschland gewesen zu sein. Jedoch läſst sich nicht nachweisen, daſs die Stucköfen aus den alten Rennherden entstanden sind. Beide Ofenarten bestanden wohl auch bei den Germanen wie bei den Römern nebeneinander. Es scheint, daſs in Deutschland die Stucköfen besonders da in Anwen- dung kamen, wo ein geordneter und ausgedehnterer Eisenerzbergbau auch die Anlage gröſserer, gemauerter Öfen veranlaſste, während die Luppenfeuer, die leicht aufzuführen und noch leichter wieder abzu- brechen waren, besonders an solchen Orten in Anwendung kamen, wo das Erz nur gelegentlich im Tagebau gewonnen wurde, oder wo viel- leicht ein besonderer Holzreichtum ihre Anlage veranlaſste, weshalb die Luppenfeuer häufig mitten im Walde angelegt wurden. Dies ge- schah teils von den Waldbesitzern, teils von zünftigen Arbeitern, Eisen- schmelzern, Waldschmieden, die in älterer Zeit öfter von einem Platze zum anderen zogen. Auf den Gütern der Adligen, auch wenn sie nicht das Bergregal in ihrem Dominium erworben hatten, befanden sich in holz- und eisenreichen Gegenden meist solche Rennwerke; die Zigeuner 1), welche sich seit ihrem ersten Auftreten in Europa, besonders in der unteren Wallachei, im Banat und Siebenbürgen mit der Eisen- gewinnung beschäftigten, betrieben nomadisierend an den Plätzen, wo sie Erz fanden, ähnliche Schmelzöfen. Deshalb wurden auch die Lup- penschmieden öfter Zigeuner- und Heidenfeuer genannt. Solche Zigeunerfeuer haben sich in der Wallachei bis heute erhalten. Die Anlagen und die Arbeit der nomadisierenden Schmelzer erinnern leb- haft an die Eisengewinnung der Indier. Fast alle Zigeuner der Wal- lachei beschäftigten sich noch im vorigen Jahrhundert mit der Anfer- tigung von Eisenwaren 2). Sie hatten kleine, niedrige Öfen und unter- hielten das Feuer mit Handblasebälgen, die sie aus Ziegenfellen zusammennähten. Oben an der Stelle des Halses befestigten sie eine kleine, eiserne Röhre, während sie die beiden an der Bockshaut befind- lichen Füſse als Handhaben gebrauchten. Karl von Born sah einen solchen Betrieb bei Waida Hunnyad im Banat.
Das Alter von Eisenschmieden in jener Gegend bezeugt ein bei Ostrow gefundenes Denkmal, auf welchem eines Collegii fabrorum
1) 1421 erschienen zum erstenmal im Rheingau die Zigeuner (zinganorum faex). Sie gaben vor, weil ihre Voreltern Jesus und Maria auf ihrer Flucht nach Ägypten keine Herberge gaben, müſsten sie zur Buſse 7 Jahre in der Welt umher- irren. Doch waren sie nur Landstreicher und Diebe, die das einfältige Volk betrogen. (Roth’s Geschichtsquellen des Niederrheingaues Tl. I, S. 21.)
2) Born, Reisen S. 128.
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Eisenbereitung im Mittelalter.
Die Darstellung des Eisens in Herd- oder Luppenfeuern scheint
das verbreitetere und ältere Verfahren in Deutschland gewesen zu
sein. Jedoch läſst sich nicht nachweisen, daſs die Stucköfen aus den
alten Rennherden entstanden sind. Beide Ofenarten bestanden wohl
auch bei den Germanen wie bei den Römern nebeneinander. Es
scheint, daſs in Deutschland die Stucköfen besonders da in Anwen-
dung kamen, wo ein geordneter und ausgedehnterer Eisenerzbergbau
auch die Anlage gröſserer, gemauerter Öfen veranlaſste, während die
Luppenfeuer, die leicht aufzuführen und noch leichter wieder abzu-
brechen waren, besonders an solchen Orten in Anwendung kamen, wo
das Erz nur gelegentlich im Tagebau gewonnen wurde, oder wo viel-
leicht ein besonderer Holzreichtum ihre Anlage veranlaſste, weshalb
die Luppenfeuer häufig mitten im Walde angelegt wurden. Dies ge-
schah teils von den Waldbesitzern, teils von zünftigen Arbeitern, Eisen-
schmelzern, Waldschmieden, die in älterer Zeit öfter von einem Platze
zum anderen zogen. Auf den Gütern der Adligen, auch wenn
sie nicht das Bergregal in ihrem Dominium erworben hatten, befanden
sich in holz- und eisenreichen Gegenden meist solche Rennwerke; die
Zigeuner 1), welche sich seit ihrem ersten Auftreten in Europa, besonders
in der unteren Wallachei, im Banat und Siebenbürgen mit der Eisen-
gewinnung beschäftigten, betrieben nomadisierend an den Plätzen, wo
sie Erz fanden, ähnliche Schmelzöfen. Deshalb wurden auch die Lup-
penschmieden öfter Zigeuner- und Heidenfeuer genannt. Solche
Zigeunerfeuer haben sich in der Wallachei bis heute erhalten. Die
Anlagen und die Arbeit der nomadisierenden Schmelzer erinnern leb-
haft an die Eisengewinnung der Indier. Fast alle Zigeuner der Wal-
lachei beschäftigten sich noch im vorigen Jahrhundert mit der Anfer-
tigung von Eisenwaren 2). Sie hatten kleine, niedrige Öfen und unter-
hielten das Feuer mit Handblasebälgen, die sie aus Ziegenfellen
zusammennähten. Oben an der Stelle des Halses befestigten sie eine
kleine, eiserne Röhre, während sie die beiden an der Bockshaut befind-
lichen Füſse als Handhaben gebrauchten. Karl von Born sah einen
solchen Betrieb bei Waida Hunnyad im Banat.
Das Alter von Eisenschmieden in jener Gegend bezeugt ein bei
Ostrow gefundenes Denkmal, auf welchem eines Collegii fabrorum
1) 1421 erschienen zum erstenmal im Rheingau die Zigeuner (zinganorum
faex). Sie gaben vor, weil ihre Voreltern Jesus und Maria auf ihrer Flucht nach
Ägypten keine Herberge gaben, müſsten sie zur Buſse 7 Jahre in der Welt umher-
irren. Doch waren sie nur Landstreicher und Diebe, die das einfältige Volk betrogen.
(Roth’s Geschichtsquellen des Niederrheingaues Tl. I, S. 21.)
2) Born, Reisen S. 128.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/802>, abgerufen am 22.11.2024.
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