binnen Jahresfrist 1471 die Stadt Schneeberg in Sachsen und 1516 Joachimsthal. Am letzteren Platze strömten nach Entdeckung der Silbergruben 8000 Bergarbeiter aus allerlei Ländern zusammen und Matthesius, der Prediger von Joachimsthal, sagt aus eigener Erinnerung:
"Bevor ist um dies Thal grosse Wildnis gewesen. An dem Platze, wo jetzt der Predigtstuhl steht, war ein Wiesenfleck, wo mancher Bär erschossen worden, am Brotmarkt eine Mühle" u. s. w.
Bewundernswert war, dass solche Gründungen so rasch geordnet und rechtlich geregelt wurden. Es ist dies ein hohes Zeugnis des ge- reiften männlichen Sinnes der deutschen Bergleute, welcher sich fort erhalten hat, so dass noch heutzutage deutsche Bergarbeiter die Pio- niere bergbaulicher Gründungen im Auslande sind und konnten die Schätze von Kalifornien, Texas, Nevada u. s. w. nur durch die Solidität germanischer, insbesondere deutscher Bergleute so rasch in so gross- artiger Weise ausgebeutet werden. Der Korporationsgeist der Berg- leute geht bis in die älteste Zeit germanischer Verfassung zurück und lehnt sich unmittelbar an die Markenverfassung der alten Deutschen an. In der altgermanischen Gemeinde besass der Einzelne nur das von ihm bebaute und beackerte Feld: "Der Wald" und "der Berg" waren frei. Wie die Gemeinschaft an dem Walde partizipierte, so hatte sie auch an dem Berge und dem Bergwerksbesitz Teil. Deshalb war die Rechtsprechung in Bergsachen ursprünglich Sache der Gemeinde, "der Geschworenen" und diese Form der Rechtsprechung, welche als die urdeutsche anzusehen ist, hatte sich bis zu ihrer Verallgemeinerung in diesem Jahrhundert nirgends so erhalten als in den Berggerichten. Zwar waren die Berggerichte Spezialgerichte, die nur über Bergsachen erkennen sollten, indes standen sie schon in ältester Zeit in solcher Achtung, dass sie auch über diese Grenze hinaus Urteile fällten und Strafen verhängten, ausser in "Malefizsachen". Der Umfang der Juris- diktion ist schon in der alten Kuttenberger Bergordnung vom Jahre 1300 deutlich ausgedrückt 1):
"Sane Urburiariorum jurisdictio est judicare solum eaque ad mon- tanam dignoscuntur judicium pertinere."
Auch in der Form der Rechtsprechung hat sich die uralte deutsche Gewohnheit zum Teil erhalten 2). Ehe das Gericht beginnt wird die Frage an die Geschworenen gestellt ob Gericht "gehegt" werden soll, an welchem Tage, in welcher Stunde, an welchem Platze. Dann erst wird es durch den Richter ausgerufen. So erscheint der Richter nur
1) Lib. 1, cap. 5.
2) Achenbach a. a. O. S. 84, Anmerkung.
Soziale Stellung der Arbeiter.
binnen Jahresfrist 1471 die Stadt Schneeberg in Sachsen und 1516 Joachimsthal. Am letzteren Platze strömten nach Entdeckung der Silbergruben 8000 Bergarbeiter aus allerlei Ländern zusammen und Matthesius, der Prediger von Joachimsthal, sagt aus eigener Erinnerung:
„Bevor ist um dies Thal groſse Wildnis gewesen. An dem Platze, wo jetzt der Predigtstuhl steht, war ein Wiesenfleck, wo mancher Bär erschossen worden, am Brotmarkt eine Mühle“ u. s. w.
Bewundernswert war, daſs solche Gründungen so rasch geordnet und rechtlich geregelt wurden. Es ist dies ein hohes Zeugnis des ge- reiften männlichen Sinnes der deutschen Bergleute, welcher sich fort erhalten hat, so daſs noch heutzutage deutsche Bergarbeiter die Pio- niere bergbaulicher Gründungen im Auslande sind und konnten die Schätze von Kalifornien, Texas, Nevada u. s. w. nur durch die Solidität germanischer, insbesondere deutscher Bergleute so rasch in so groſs- artiger Weise ausgebeutet werden. Der Korporationsgeist der Berg- leute geht bis in die älteste Zeit germanischer Verfassung zurück und lehnt sich unmittelbar an die Markenverfassung der alten Deutschen an. In der altgermanischen Gemeinde besaſs der Einzelne nur das von ihm bebaute und beackerte Feld: „Der Wald“ und „der Berg“ waren frei. Wie die Gemeinschaft an dem Walde partizipierte, so hatte sie auch an dem Berge und dem Bergwerksbesitz Teil. Deshalb war die Rechtsprechung in Bergsachen ursprünglich Sache der Gemeinde, „der Geschworenen“ und diese Form der Rechtsprechung, welche als die urdeutsche anzusehen ist, hatte sich bis zu ihrer Verallgemeinerung in diesem Jahrhundert nirgends so erhalten als in den Berggerichten. Zwar waren die Berggerichte Spezialgerichte, die nur über Bergsachen erkennen sollten, indes standen sie schon in ältester Zeit in solcher Achtung, daſs sie auch über diese Grenze hinaus Urteile fällten und Strafen verhängten, auſser in „Malefizsachen“. Der Umfang der Juris- diktion ist schon in der alten Kuttenberger Bergordnung vom Jahre 1300 deutlich ausgedrückt 1):
„Sane Urburiariorum jurisdictio est judicare solum eaque ad mon- tanam dignoscuntur judicium pertinere.“
Auch in der Form der Rechtsprechung hat sich die uralte deutsche Gewohnheit zum Teil erhalten 2). Ehe das Gericht beginnt wird die Frage an die Geschworenen gestellt ob Gericht „gehegt“ werden soll, an welchem Tage, in welcher Stunde, an welchem Platze. Dann erst wird es durch den Richter ausgerufen. So erscheint der Richter nur
1) Lib. 1, cap. 5.
2) Achenbach a. a. O. S. 84, Anmerkung.
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Soziale Stellung der Arbeiter.
binnen Jahresfrist 1471 die Stadt Schneeberg in Sachsen und 1516
Joachimsthal. Am letzteren Platze strömten nach Entdeckung der
Silbergruben 8000 Bergarbeiter aus allerlei Ländern zusammen und
Matthesius, der Prediger von Joachimsthal, sagt aus eigener Erinnerung:
„Bevor ist um dies Thal groſse Wildnis gewesen. An dem Platze,
wo jetzt der Predigtstuhl steht, war ein Wiesenfleck, wo mancher Bär
erschossen worden, am Brotmarkt eine Mühle“ u. s. w.
Bewundernswert war, daſs solche Gründungen so rasch geordnet
und rechtlich geregelt wurden. Es ist dies ein hohes Zeugnis des ge-
reiften männlichen Sinnes der deutschen Bergleute, welcher sich fort
erhalten hat, so daſs noch heutzutage deutsche Bergarbeiter die Pio-
niere bergbaulicher Gründungen im Auslande sind und konnten die
Schätze von Kalifornien, Texas, Nevada u. s. w. nur durch die Solidität
germanischer, insbesondere deutscher Bergleute so rasch in so groſs-
artiger Weise ausgebeutet werden. Der Korporationsgeist der Berg-
leute geht bis in die älteste Zeit germanischer Verfassung zurück und
lehnt sich unmittelbar an die Markenverfassung der alten Deutschen
an. In der altgermanischen Gemeinde besaſs der Einzelne nur das von
ihm bebaute und beackerte Feld: „Der Wald“ und „der Berg“ waren
frei. Wie die Gemeinschaft an dem Walde partizipierte, so hatte sie
auch an dem Berge und dem Bergwerksbesitz Teil. Deshalb war die
Rechtsprechung in Bergsachen ursprünglich Sache der Gemeinde, „der
Geschworenen“ und diese Form der Rechtsprechung, welche als die
urdeutsche anzusehen ist, hatte sich bis zu ihrer Verallgemeinerung in
diesem Jahrhundert nirgends so erhalten als in den Berggerichten.
Zwar waren die Berggerichte Spezialgerichte, die nur über Bergsachen
erkennen sollten, indes standen sie schon in ältester Zeit in solcher
Achtung, daſs sie auch über diese Grenze hinaus Urteile fällten und
Strafen verhängten, auſser in „Malefizsachen“. Der Umfang der Juris-
diktion ist schon in der alten Kuttenberger Bergordnung vom Jahre
1300 deutlich ausgedrückt 1):
„Sane Urburiariorum jurisdictio est judicare solum eaque ad mon-
tanam dignoscuntur judicium pertinere.“
Auch in der Form der Rechtsprechung hat sich die uralte deutsche
Gewohnheit zum Teil erhalten 2). Ehe das Gericht beginnt wird die
Frage an die Geschworenen gestellt ob Gericht „gehegt“ werden soll,
an welchem Tage, in welcher Stunde, an welchem Platze. Dann erst
wird es durch den Richter ausgerufen. So erscheint der Richter nur
1) Lib. 1, cap. 5.
2) Achenbach a. a. O. S. 84, Anmerkung.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/795>, abgerufen am 22.11.2024.
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