der Sklaverei unterworfen." Und wie musste sich auch der Niedrigste angespornt fühlen, als in einem und demselben Jahrhundert erst 1124 ein Mann von gemeiner Herkunft als Lorenz II. den päpst- lichen Stuhl bestieg, als 1154 der grosse Hadrian IV., zuvor ein Bettel- knabe und ein leibeigener Knecht, seine päpstliche Herrschaft begann; als der vorzügliche Erzbischof Ludolph von Magdeburg den Fürsten Deutschlands als ein Muster vorleuchtete, obgleich er der Sohn eines hörigen Bauern war.
In demselben Jahrhundert errangen sich die mit neuer Kraft und neuem Geist belebten "Verschwörungen" der Gewerbetreibenden als "Zünfte" gesetzliche Anerkennung. Bereits 1152 bestätigte Heinrich der Löwe die Zünfte der Tuchscherer und Krämer in Hamburg; 1153 Erzbischof Wichmann die der Gewandschneider und Schuster in Magdeburg und 1194 gründete Erzbischof Ludolph die Schilderinnung in derselben Stadt.
Auch von der alten Stahlgewerkschaft zu Schmalkalden erfahren wir, dass sie schon in jener Zeit Zunftrechte erwarb.
Mit der Anerkennung der Zünfte hing aufs Engste das Aufblühen der Industrie in den grossen Städten Deutschlands zusammen.
Das deutsche Bergrecht.
Wie sich in den drei Jahrhunderten nach Karl dem Grossen ein Umschwung in der Auffassung der Arbeit vollzog, so vollzog sich ein ähnlicher Umschwung bezüglich des Besitzrechtes des Bergwerkseigen- tums, speziell in bezug auf die Eisenerze.
Hiermit kehren wir zu unserer Schilderung der Entwickelung des Eisensteinbergbaues in Deutschland zurück.
Es ist unzweifelhaft, dass die ursprüngliche Auffassung der Ger- manen über das Besitzrecht des Bergwerkeigentums dahin ging, dass der Besitzer des Grund und Bodens auch der Besitzer der Erze, die in seinem Boden vorkamen, war. Als aber die Karolinger ihre Macht über ganz Deutschland ausdehnten, nahmen sie in der Weise der römischen Kaiser, als deren Rechtsnachfolger sie sich betrachteten, das Eigentumsrecht der Bergwerke in Anspruch. Aus diesem prätendirten Hoheitsrechte entwickelte sich im Mittelalter der Begriff des Berg- regals. Die Römer hatten das Bergwerkseigentum als Staatseigen- tum erklärt durch das Recht des Siegers. Die spanischen Gold- und Silberbergwerke waren es vornehmlich, welche der römische Staat als
Das deutsche Bergrecht.
der Sklaverei unterworfen.“ Und wie muſste sich auch der Niedrigste angespornt fühlen, als in einem und demselben Jahrhundert erst 1124 ein Mann von gemeiner Herkunft als Lorenz II. den päpst- lichen Stuhl bestieg, als 1154 der groſse Hadrian IV., zuvor ein Bettel- knabe und ein leibeigener Knecht, seine päpstliche Herrschaft begann; als der vorzügliche Erzbischof Ludolph von Magdeburg den Fürsten Deutschlands als ein Muster vorleuchtete, obgleich er der Sohn eines hörigen Bauern war.
In demselben Jahrhundert errangen sich die mit neuer Kraft und neuem Geist belebten „Verschwörungen“ der Gewerbetreibenden als „Zünfte“ gesetzliche Anerkennung. Bereits 1152 bestätigte Heinrich der Löwe die Zünfte der Tuchscherer und Krämer in Hamburg; 1153 Erzbischof Wichmann die der Gewandschneider und Schuster in Magdeburg und 1194 gründete Erzbischof Ludolph die Schilderinnung in derselben Stadt.
Auch von der alten Stahlgewerkschaft zu Schmalkalden erfahren wir, daſs sie schon in jener Zeit Zunftrechte erwarb.
Mit der Anerkennung der Zünfte hing aufs Engste das Aufblühen der Industrie in den groſsen Städten Deutschlands zusammen.
Das deutsche Bergrecht.
Wie sich in den drei Jahrhunderten nach Karl dem Groſsen ein Umschwung in der Auffassung der Arbeit vollzog, so vollzog sich ein ähnlicher Umschwung bezüglich des Besitzrechtes des Bergwerkseigen- tums, speziell in bezug auf die Eisenerze.
Hiermit kehren wir zu unserer Schilderung der Entwickelung des Eisensteinbergbaues in Deutschland zurück.
Es ist unzweifelhaft, daſs die ursprüngliche Auffassung der Ger- manen über das Besitzrecht des Bergwerkeigentums dahin ging, daſs der Besitzer des Grund und Bodens auch der Besitzer der Erze, die in seinem Boden vorkamen, war. Als aber die Karolinger ihre Macht über ganz Deutschland ausdehnten, nahmen sie in der Weise der römischen Kaiser, als deren Rechtsnachfolger sie sich betrachteten, das Eigentumsrecht der Bergwerke in Anspruch. Aus diesem prätendirten Hoheitsrechte entwickelte sich im Mittelalter der Begriff des Berg- regals. Die Römer hatten das Bergwerkseigentum als Staatseigen- tum erklärt durch das Recht des Siegers. Die spanischen Gold- und Silberbergwerke waren es vornehmlich, welche der römische Staat als
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Das deutsche Bergrecht.
der Sklaverei unterworfen.“ Und wie muſste sich auch der
Niedrigste angespornt fühlen, als in einem und demselben Jahrhundert
erst 1124 ein Mann von gemeiner Herkunft als Lorenz II. den päpst-
lichen Stuhl bestieg, als 1154 der groſse Hadrian IV., zuvor ein Bettel-
knabe und ein leibeigener Knecht, seine päpstliche Herrschaft begann;
als der vorzügliche Erzbischof Ludolph von Magdeburg den Fürsten
Deutschlands als ein Muster vorleuchtete, obgleich er der Sohn eines
hörigen Bauern war.
In demselben Jahrhundert errangen sich die mit neuer Kraft
und neuem Geist belebten „Verschwörungen“ der Gewerbetreibenden
als „Zünfte“ gesetzliche Anerkennung. Bereits 1152 bestätigte
Heinrich der Löwe die Zünfte der Tuchscherer und Krämer in Hamburg;
1153 Erzbischof Wichmann die der Gewandschneider und Schuster in
Magdeburg und 1194 gründete Erzbischof Ludolph die Schilderinnung
in derselben Stadt.
Auch von der alten Stahlgewerkschaft zu Schmalkalden erfahren
wir, daſs sie schon in jener Zeit Zunftrechte erwarb.
Mit der Anerkennung der Zünfte hing aufs Engste das Aufblühen
der Industrie in den groſsen Städten Deutschlands zusammen.
Das deutsche Bergrecht.
Wie sich in den drei Jahrhunderten nach Karl dem Groſsen ein
Umschwung in der Auffassung der Arbeit vollzog, so vollzog sich ein
ähnlicher Umschwung bezüglich des Besitzrechtes des Bergwerkseigen-
tums, speziell in bezug auf die Eisenerze.
Hiermit kehren wir zu unserer Schilderung der Entwickelung des
Eisensteinbergbaues in Deutschland zurück.
Es ist unzweifelhaft, daſs die ursprüngliche Auffassung der Ger-
manen über das Besitzrecht des Bergwerkeigentums dahin ging, daſs
der Besitzer des Grund und Bodens auch der Besitzer der Erze, die in
seinem Boden vorkamen, war. Als aber die Karolinger ihre Macht
über ganz Deutschland ausdehnten, nahmen sie in der Weise der
römischen Kaiser, als deren Rechtsnachfolger sie sich betrachteten, das
Eigentumsrecht der Bergwerke in Anspruch. Aus diesem prätendirten
Hoheitsrechte entwickelte sich im Mittelalter der Begriff des Berg-
regals. Die Römer hatten das Bergwerkseigentum als Staatseigen-
tum erklärt durch das Recht des Siegers. Die spanischen Gold- und
Silberbergwerke waren es vornehmlich, welche der römische Staat als
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/769>, abgerufen am 17.11.2024.
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