Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Arbeiterverhältnisse. leute beeinflusst hat. Indessen waren von Anfang an die Bergarbeiterin einem loseren persönlichen Abhängigkeitsverhältnis als die Acker- bauer oder die Hofleute. Die alten Bergwerke wurden zwar stets von fremden Eroberern sogleich als Eigentum angesprochen, meist jedoch von den ansässigen und eingeborenen Arbeitern weiter betrieben. Sie traten allerdings in ein gewisses Hörigkeitsverhältnis, doch war dieses um so leichter, als der Eroberer zunächst auf die Geschicklichkeit der Bergleute angewiesen war, da dieselben bei den gesellschaftlichen Zu- ständen der Germanen meist nicht ersetzt werden konnten. Bei diesen Bergarbeitern, die in der Nachbarschaft dieser Bergwerke ansässig waren, bildete sich schon früh eine Art von Korporationsgeist aus, be- dingt sowohl durch den gemeinschaftlichen Beruf, als durch die soziale Stellung und oft auch durch den Umstand, dass sie den Siegern stammesfremd waren. Dieser Korporationsgeist dokumentierte sich zunächst in der eigenen Kleidung, die sie nicht nur bei der Arbeit, sondern auch ausser der Arbeit trugen. Vermutlich war diese Kleidung nichts anderes, als die gebräuchliche Tracht ihrer Vorfahren, der vor- germanischen, bergbautreibenden Urbevölkerung. Dieser Korporations- geist führte ferner zu einer Organisation der Arbeit und zu einer Art Selbstverwaltung. Da aber die Bergwerke zu einem immer wichtigeren Teil des fürstlichen und des nationalen Vermögens wurden, da ferner die Technik des Bergbaues in Deutschland rasche Fortschritte machte, die als eine Kunst des Standes gepflegt wurde, so dass zu der Berg- arbeit ein gewisses Mass von Kenntnissen erforderlich war, die nur ein gelernter Häuer besitzen konnte, so kam es, dass sich der Stand der Bergleute früher von dem Verhältnis der Hörigkeit losmachen konnte, als irgend ein anderer Arbeiterstand; dass er zu einem freien Stande wurde, der sich sogar mannigfaltige Sonderrechte erwarb, der von Fürsten gepflegt und von der Bevölkerung geachtet wurde. Auf diese Weise wurde in Deutschland bald sehr im Gegensatze zu dem Verhält- nis im Altertume die beschwerliche Arbeit des Bergmannes nicht mehr als die schimpflichste, sondern als die ehrenvollste Beschäftigung an- gesehen, zum Teil gerade darum, weil sie die gefahr- und mühevollste war. Über die Stellung, welche die Hüttenleute, die Eisenschmelzer in 47*
Arbeiterverhältnisse. leute beeinfluſst hat. Indessen waren von Anfang an die Bergarbeiterin einem loseren persönlichen Abhängigkeitsverhältnis als die Acker- bauer oder die Hofleute. Die alten Bergwerke wurden zwar stets von fremden Eroberern sogleich als Eigentum angesprochen, meist jedoch von den ansäſsigen und eingeborenen Arbeitern weiter betrieben. Sie traten allerdings in ein gewisses Hörigkeitsverhältnis, doch war dieses um so leichter, als der Eroberer zunächst auf die Geschicklichkeit der Bergleute angewiesen war, da dieselben bei den gesellschaftlichen Zu- ständen der Germanen meist nicht ersetzt werden konnten. Bei diesen Bergarbeitern, die in der Nachbarschaft dieser Bergwerke ansäſsig waren, bildete sich schon früh eine Art von Korporationsgeist aus, be- dingt sowohl durch den gemeinschaftlichen Beruf, als durch die soziale Stellung und oft auch durch den Umstand, daſs sie den Siegern stammesfremd waren. Dieser Korporationsgeist dokumentierte sich zunächst in der eigenen Kleidung, die sie nicht nur bei der Arbeit, sondern auch auſser der Arbeit trugen. Vermutlich war diese Kleidung nichts anderes, als die gebräuchliche Tracht ihrer Vorfahren, der vor- germanischen, bergbautreibenden Urbevölkerung. Dieser Korporations- geist führte ferner zu einer Organisation der Arbeit und zu einer Art Selbstverwaltung. Da aber die Bergwerke zu einem immer wichtigeren Teil des fürstlichen und des nationalen Vermögens wurden, da ferner die Technik des Bergbaues in Deutschland rasche Fortschritte machte, die als eine Kunst des Standes gepflegt wurde, so daſs zu der Berg- arbeit ein gewisses Maſs von Kenntnissen erforderlich war, die nur ein gelernter Häuer besitzen konnte, so kam es, daſs sich der Stand der Bergleute früher von dem Verhältnis der Hörigkeit losmachen konnte, als irgend ein anderer Arbeiterstand; daſs er zu einem freien Stande wurde, der sich sogar mannigfaltige Sonderrechte erwarb, der von Fürsten gepflegt und von der Bevölkerung geachtet wurde. Auf diese Weise wurde in Deutschland bald sehr im Gegensatze zu dem Verhält- nis im Altertume die beschwerliche Arbeit des Bergmannes nicht mehr als die schimpflichste, sondern als die ehrenvollste Beschäftigung an- gesehen, zum Teil gerade darum, weil sie die gefahr- und mühevollste war. Über die Stellung, welche die Hüttenleute, die Eisenschmelzer in 47*
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Arbeiterverhältnisse.
leute beeinfluſst hat. Indessen waren von Anfang an die Bergarbeiter
in einem loseren persönlichen Abhängigkeitsverhältnis als die Acker-
bauer oder die Hofleute. Die alten Bergwerke wurden zwar stets von
fremden Eroberern sogleich als Eigentum angesprochen, meist jedoch
von den ansäſsigen und eingeborenen Arbeitern weiter betrieben. Sie
traten allerdings in ein gewisses Hörigkeitsverhältnis, doch war dieses
um so leichter, als der Eroberer zunächst auf die Geschicklichkeit der
Bergleute angewiesen war, da dieselben bei den gesellschaftlichen Zu-
ständen der Germanen meist nicht ersetzt werden konnten. Bei diesen
Bergarbeitern, die in der Nachbarschaft dieser Bergwerke ansäſsig
waren, bildete sich schon früh eine Art von Korporationsgeist aus, be-
dingt sowohl durch den gemeinschaftlichen Beruf, als durch die soziale
Stellung und oft auch durch den Umstand, daſs sie den Siegern
stammesfremd waren. Dieser Korporationsgeist dokumentierte sich
zunächst in der eigenen Kleidung, die sie nicht nur bei der Arbeit,
sondern auch auſser der Arbeit trugen. Vermutlich war diese Kleidung
nichts anderes, als die gebräuchliche Tracht ihrer Vorfahren, der vor-
germanischen, bergbautreibenden Urbevölkerung. Dieser Korporations-
geist führte ferner zu einer Organisation der Arbeit und zu einer Art
Selbstverwaltung. Da aber die Bergwerke zu einem immer wichtigeren
Teil des fürstlichen und des nationalen Vermögens wurden, da ferner
die Technik des Bergbaues in Deutschland rasche Fortschritte machte,
die als eine Kunst des Standes gepflegt wurde, so daſs zu der Berg-
arbeit ein gewisses Maſs von Kenntnissen erforderlich war, die nur ein
gelernter Häuer besitzen konnte, so kam es, daſs sich der Stand der
Bergleute früher von dem Verhältnis der Hörigkeit losmachen konnte,
als irgend ein anderer Arbeiterstand; daſs er zu einem freien Stande
wurde, der sich sogar mannigfaltige Sonderrechte erwarb, der von
Fürsten gepflegt und von der Bevölkerung geachtet wurde. Auf diese
Weise wurde in Deutschland bald sehr im Gegensatze zu dem Verhält-
nis im Altertume die beschwerliche Arbeit des Bergmannes nicht mehr
als die schimpflichste, sondern als die ehrenvollste Beschäftigung an-
gesehen, zum Teil gerade darum, weil sie die gefahr- und mühevollste war.
Über die Stellung, welche die Hüttenleute, die Eisenschmelzer in
ältester Zeit einnahmen, läſst sich kaum etwas Bestimmtes sagen.
Nach den Angaben der Lorscher und Fuldaer Chroniken scheinen sie
meist Hörige (liti) gewesen zu sein, die indes ihr Gewerbe selbständig
betrieben. Auch sie verrichteten ihre beschwerliche Arbeit „im ein-
samen Waldthale“ oder vielmehr mitten im Walde, abseits gröſserer
Verkehrsplätze und es war selbstverständlich, daſs sie auch zugleich
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