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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Bewaffnung im frühen Mittelalter.
schmiedekunst schon in ältester Zeit ihre höchste Ausbildung in Mittel-
Europa erlangt hatte, nämlich des Pogebietes. Eine andere Art von
Helm lief kegelförmig oben in einen runden Knopf aus. An den
Helmen waren breite Wangenbänder oder auch larvenartige Visiere
befestigt 1), welche indes nicht zum Aufschlagen eingerichtet waren.

König Walthari muss, um von den Slaven erkannt zu werden,
den ganzen Helm vom Haupte nehmen 2). Ebenso giebt sich König
Lothar II. durch Abheben des Helmes seinem Sohne Dagobert zu er-
kennen 3). Der Helm stand natürlich in weit höherem Preise als
wie Schild und Speer, wie aus den alten Wehrgeldbestimmungen her-
vorgeht.

Die vorspringende Form der Helmspitze gab später Veranlassung,
diese Spitze in einen Schweinskopf umzuwandeln, so dass das Eber-

[Abbildung] Fig. 245.
[Abbildung] Fig. 246.
[Abbildung] Fig. 247.
[Abbildung] Fig. 248.
bild, das Zeichen der Fro, geradezu das Helmzierbild dieser Periode
wurde 4). Der Eberhelm spielt eine besondere Rolle in der heidnisch-
christlichen Übergangszeit bei den Deutschen. Das Eberbild war im
Abendlande dasselbe wie im Orient das Löwenbild.

Das doppelschneidige, hammergehärtete Schwert macht die
Schweinebilder der Helme schartig, heisst es im Beowulfliede.

Ein solcher Eberhelm ist in einem Grabhügel bei Monyjash in
Derbyshire gefunden worden (Fig. 249). Bateman, welcher das Grab
öffnete, sagt darüber 5):

"Er war aus strahlenförmig, vom Kopfwirbel auslaufenden Eisen-
rippen gebildet und mit schmalen Hornplatten bekleidet, welche in
diagonaler Richtung von den Rippen abliefen, so dass sie ein Fisch-
grätenmuster bildeten. Die Enden waren mit Hornstreifen befestigt,

1) Lindenschmit 254.
2) Paul Diacon. V, 40.
3) Chronik der Franken-
könige 41.
4) Beowulf v. 1464:
Den Helm doch hütete, das Haupt zu schirmen,
Ein Eber mit feinen Fäden bewunden ...
Dass nimmer ihn Beil noch Barte mehr beissen konnte.
5) Lindenschmit a. a. O. 256.
46*

Bewaffnung im frühen Mittelalter.
schmiedekunst schon in ältester Zeit ihre höchste Ausbildung in Mittel-
Europa erlangt hatte, nämlich des Pogebietes. Eine andere Art von
Helm lief kegelförmig oben in einen runden Knopf aus. An den
Helmen waren breite Wangenbänder oder auch larvenartige Visiere
befestigt 1), welche indes nicht zum Aufschlagen eingerichtet waren.

König Walthari muſs, um von den Slaven erkannt zu werden,
den ganzen Helm vom Haupte nehmen 2). Ebenso giebt sich König
Lothar II. durch Abheben des Helmes seinem Sohne Dagobert zu er-
kennen 3). Der Helm stand natürlich in weit höherem Preise als
wie Schild und Speer, wie aus den alten Wehrgeldbestimmungen her-
vorgeht.

Die vorspringende Form der Helmspitze gab später Veranlassung,
diese Spitze in einen Schweinskopf umzuwandeln, so daſs das Eber-

[Abbildung] Fig. 245.
[Abbildung] Fig. 246.
[Abbildung] Fig. 247.
[Abbildung] Fig. 248.
bild, das Zeichen der Frô, geradezu das Helmzierbild dieser Periode
wurde 4). Der Eberhelm spielt eine besondere Rolle in der heidnisch-
christlichen Übergangszeit bei den Deutschen. Das Eberbild war im
Abendlande dasſelbe wie im Orient das Löwenbild.

Das doppelschneidige, hammergehärtete Schwert macht die
Schweinebilder der Helme schartig, heiſst es im Beowulfliede.

Ein solcher Eberhelm ist in einem Grabhügel bei Monyjash in
Derbyshire gefunden worden (Fig. 249). Bateman, welcher das Grab
öffnete, sagt darüber 5):

„Er war aus strahlenförmig, vom Kopfwirbel auslaufenden Eisen-
rippen gebildet und mit schmalen Hornplatten bekleidet, welche in
diagonaler Richtung von den Rippen abliefen, so daſs sie ein Fisch-
grätenmuster bildeten. Die Enden waren mit Hornstreifen befestigt,

1) Lindenschmit 254.
2) Paul Diacon. V, 40.
3) Chronik der Franken-
könige 41.
4) Beowulf v. 1464:
Den Helm doch hütete, das Haupt zu schirmen,
Ein Eber mit feinen Fäden bewunden …
Daſs nimmer ihn Beil noch Barte mehr beiſsen konnte.
5) Lindenschmit a. a. O. 256.
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[723/0745] Bewaffnung im frühen Mittelalter. schmiedekunst schon in ältester Zeit ihre höchste Ausbildung in Mittel- Europa erlangt hatte, nämlich des Pogebietes. Eine andere Art von Helm lief kegelförmig oben in einen runden Knopf aus. An den Helmen waren breite Wangenbänder oder auch larvenartige Visiere befestigt 1), welche indes nicht zum Aufschlagen eingerichtet waren. König Walthari muſs, um von den Slaven erkannt zu werden, den ganzen Helm vom Haupte nehmen 2). Ebenso giebt sich König Lothar II. durch Abheben des Helmes seinem Sohne Dagobert zu er- kennen 3). Der Helm stand natürlich in weit höherem Preise als wie Schild und Speer, wie aus den alten Wehrgeldbestimmungen her- vorgeht. Die vorspringende Form der Helmspitze gab später Veranlassung, diese Spitze in einen Schweinskopf umzuwandeln, so daſs das Eber- [Abbildung Fig. 245.] [Abbildung Fig. 246.] [Abbildung Fig. 247.] [Abbildung Fig. 248.] bild, das Zeichen der Frô, geradezu das Helmzierbild dieser Periode wurde 4). Der Eberhelm spielt eine besondere Rolle in der heidnisch- christlichen Übergangszeit bei den Deutschen. Das Eberbild war im Abendlande dasſelbe wie im Orient das Löwenbild. Das doppelschneidige, hammergehärtete Schwert macht die Schweinebilder der Helme schartig, heiſst es im Beowulfliede. Ein solcher Eberhelm ist in einem Grabhügel bei Monyjash in Derbyshire gefunden worden (Fig. 249). Bateman, welcher das Grab öffnete, sagt darüber 5): „Er war aus strahlenförmig, vom Kopfwirbel auslaufenden Eisen- rippen gebildet und mit schmalen Hornplatten bekleidet, welche in diagonaler Richtung von den Rippen abliefen, so daſs sie ein Fisch- grätenmuster bildeten. Die Enden waren mit Hornstreifen befestigt, 1) Lindenschmit 254. 2) Paul Diacon. V, 40. 3) Chronik der Franken- könige 41. 4) Beowulf v. 1464: Den Helm doch hütete, das Haupt zu schirmen, Ein Eber mit feinen Fäden bewunden … Daſs nimmer ihn Beil noch Barte mehr beiſsen konnte. 5) Lindenschmit a. a. O. 256. 46*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/745>, abgerufen am 22.11.2024.