"Nun will ich euch das Handwerk lehren aus dem Grund, Schaut mir zu, Bönhasen, ich weiss manch seltnen Fund. Da glüht schon eine Stange in der Esse Glut, Die reicht mir her, ich fange nun an, mein Schmieden wird gut."
Aller Hämmer schwersten nahm er in die Hand. "Achtung, dass ihr was lernet", rief er zornentbrannt. Da schlug er auf die Stange einen Schlag, der war nicht krank, Der Stein zerbarst, der Amboss in der Erde Grund versank;
In Funken war zerstoben der glühenden Stange Last, Zerbrochen lag die Zange, mit der er sie gefasst; Der Schlegel brach in Stücken nieder von dem Schaft, Das Haus begann zu zücken von des Schmiedes kindischer Kraft.
"So sollt ihr mir schmieden", sprach Siegfried, "fortan; Morgen komm ich wieder und wer es da nicht kann, Den schweiss ich auf den Amboss." So ging er aus dem Haus.
Da erfasst den alten Mimen Angst und Schrecken und er sinnt auf des Jünglings Verderben. Siegfried aber geht zu seiner Mutter und fragt sie, ob sie nicht noch Siegmunds, seines Vaters Schwert habe, das von Odin selbst abstamme. Es war das Schwert, das Odin bei Signes Hochzeit in die Erde stiess und das keiner herauszuziehen ver- mochte als Siegmund. Aber später wurde Odin dem Helden gram und das göttliche Schwert zerschellte an Odins Lanze. So waren nur die Splitter übrig geblieben. Sie erbat sich Siegfried und brachte sie in die Schmiede, dass Mime ihm daraus ein Schwert schmiede. Mime ver- spricht ihm nicht nur dies, sondern auch einen Harnisch, Helm, Eisen- hosen und Schild. Der frohe, gutherzige Siegfried lässt sich darauf leicht von dem arglistigen Schmied bethören, in den Wald zu gehen, um ihm Kohlen zu brennen, an denen es ihm gebräche. Heimlich aber hat er seinen Bruder Fafner, den grimmen Drachen, um Siegfried zu verderben, in den Wald bestellt. Siegfried erschlägt Fafner, kehrt zu Mimen zurück, der ihm die inzwischen gefertigten Waffen giebt:
Da bot ihm der Meister des Helmes lautern Glanz: Den schwang er sich zu Häupten und stand gerüstet ganz. Nun gab ihm auch der Alte den stahlharten Schild; Doch immer schwieg Siegfried und blickte fürchterlich wild.
Jetzt blieb ihm noch zu geben Siegmunds gutes Schwert: "Erst will ich es versuchen", sprach der Degen wert. Er schwang es in den Lüften und bot so starken Gruss Dem guten Amboss, dass er zerspellte bis zum Fuss.
Nicht zerbrach die Klinge, die ungeschartet blieb. "Das Schwert ist wohl geraten, das zeigte dieser Hieb", Sprach der junge Degen: "Darum so weih ichs ein, Schächern und Verrätern ein furchtbarer Feind zu sein."
Beck, Geschichte des Eisens. 44
Mythische Zeit.
„Nun will ich euch das Handwerk lehren aus dem Grund, Schaut mir zu, Bönhasen, ich weiſs manch seltnen Fund. Da glüht schon eine Stange in der Esse Glut, Die reicht mir her, ich fange nun an, mein Schmieden wird gut.“
Aller Hämmer schwersten nahm er in die Hand. „Achtung, daſs ihr was lernet“, rief er zornentbrannt. Da schlug er auf die Stange einen Schlag, der war nicht krank, Der Stein zerbarst, der Amboſs in der Erde Grund versank;
In Funken war zerstoben der glühenden Stange Last, Zerbrochen lag die Zange, mit der er sie gefaſst; Der Schlegel brach in Stücken nieder von dem Schaft, Das Haus begann zu zücken von des Schmiedes kindischer Kraft.
„So sollt ihr mir schmieden“, sprach Siegfried, „fortan; Morgen komm ich wieder und wer es da nicht kann, Den schweiſs ich auf den Amboſs.“ So ging er aus dem Haus.
Da erfaſst den alten Mimen Angst und Schrecken und er sinnt auf des Jünglings Verderben. Siegfried aber geht zu seiner Mutter und fragt sie, ob sie nicht noch Siegmunds, seines Vaters Schwert habe, das von Odin selbst abstamme. Es war das Schwert, das Odin bei Signes Hochzeit in die Erde stieſs und das keiner herauszuziehen ver- mochte als Siegmund. Aber später wurde Odin dem Helden gram und das göttliche Schwert zerschellte an Odins Lanze. So waren nur die Splitter übrig geblieben. Sie erbat sich Siegfried und brachte sie in die Schmiede, daſs Mime ihm daraus ein Schwert schmiede. Mime ver- spricht ihm nicht nur dies, sondern auch einen Harnisch, Helm, Eisen- hosen und Schild. Der frohe, gutherzige Siegfried läſst sich darauf leicht von dem arglistigen Schmied bethören, in den Wald zu gehen, um ihm Kohlen zu brennen, an denen es ihm gebräche. Heimlich aber hat er seinen Bruder Fafner, den grimmen Drachen, um Siegfried zu verderben, in den Wald bestellt. Siegfried erschlägt Fafner, kehrt zu Mimen zurück, der ihm die inzwischen gefertigten Waffen giebt:
Da bot ihm der Meister des Helmes lautern Glanz: Den schwang er sich zu Häupten und stand gerüstet ganz. Nun gab ihm auch der Alte den stahlharten Schild; Doch immer schwieg Siegfried und blickte fürchterlich wild.
Jetzt blieb ihm noch zu geben Siegmunds gutes Schwert: „Erst will ich es versuchen“, sprach der Degen wert. Er schwang es in den Lüften und bot so starken Gruſs Dem guten Amboſs, daſs er zerspellte bis zum Fuſs.
Nicht zerbrach die Klinge, die ungeschartet blieb. „Das Schwert ist wohl geraten, das zeigte dieser Hieb“, Sprach der junge Degen: „Darum so weih ichs ein, Schächern und Verrätern ein furchtbarer Feind zu sein.“
Beck, Geschichte des Eisens. 44
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><l><pbfacs="#f0711"n="689"/></l><fwplace="top"type="header">Mythische Zeit.</fw><lb/><lgn="21"><l>„Nun will ich euch das Handwerk lehren aus dem Grund,</l><lb/><l>Schaut mir zu, Bönhasen, ich weiſs manch seltnen Fund.</l><lb/><l>Da glüht schon eine Stange in der Esse Glut,</l><lb/><l>Die reicht mir her, ich fange nun an, mein Schmieden wird gut.“</l></lg><lb/><lgn="22"><l>Aller Hämmer schwersten nahm er in die Hand.</l><lb/><l>„Achtung, daſs ihr was lernet“, rief er zornentbrannt.</l><lb/><l>Da schlug er auf die Stange einen Schlag, der war nicht krank,</l><lb/><l>Der Stein zerbarst, der Amboſs in der Erde Grund versank;</l></lg><lb/><lgn="23"><l>In Funken war zerstoben der glühenden Stange Last,</l><lb/><l>Zerbrochen lag die Zange, mit der er sie gefaſst;</l><lb/><l>Der Schlegel brach in Stücken nieder von dem Schaft,</l><lb/><l>Das Haus begann zu zücken von des Schmiedes kindischer Kraft.</l></lg><lb/><lgn="24"><l>„So sollt ihr mir schmieden“, sprach Siegfried, „fortan;</l><lb/><l>Morgen komm ich wieder und wer es da nicht kann,</l><lb/><l>Den schweiſs ich auf den Amboſs.“ So ging er aus dem Haus.</l></lg></lg><lb/><p>Da erfaſst den alten Mimen Angst und Schrecken und er sinnt<lb/>
auf des Jünglings Verderben. Siegfried aber geht zu seiner Mutter<lb/>
und fragt sie, ob sie nicht noch Siegmunds, seines Vaters Schwert habe,<lb/>
das von Odin selbst abstamme. Es war das Schwert, das Odin bei<lb/>
Signes Hochzeit in die Erde stieſs und das keiner herauszuziehen ver-<lb/>
mochte als Siegmund. Aber später wurde Odin dem Helden gram und<lb/>
das göttliche Schwert zerschellte an Odins Lanze. So waren nur die<lb/>
Splitter übrig geblieben. Sie erbat sich Siegfried und brachte sie in<lb/>
die Schmiede, daſs Mime ihm daraus ein Schwert schmiede. Mime ver-<lb/>
spricht ihm nicht nur dies, sondern auch einen Harnisch, Helm, Eisen-<lb/>
hosen und Schild. Der frohe, gutherzige Siegfried läſst sich darauf<lb/>
leicht von dem arglistigen Schmied bethören, in den Wald zu gehen,<lb/>
um ihm Kohlen zu brennen, an denen es ihm gebräche. Heimlich<lb/>
aber hat er seinen Bruder Fafner, den grimmen Drachen, um Siegfried<lb/>
zu verderben, in den Wald bestellt. Siegfried erschlägt Fafner, kehrt<lb/>
zu Mimen zurück, der ihm die inzwischen gefertigten Waffen giebt:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Da bot ihm der Meister des Helmes lautern Glanz:</l><lb/><l>Den schwang er sich zu Häupten und stand gerüstet ganz.</l><lb/><l>Nun gab ihm auch der Alte den stahlharten Schild;</l><lb/><l>Doch immer schwieg Siegfried und blickte fürchterlich wild.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Jetzt blieb ihm noch zu geben Siegmunds gutes Schwert:</l><lb/><l>„Erst will ich es versuchen“, sprach der Degen wert.</l><lb/><l>Er schwang es in den Lüften und bot so starken Gruſs</l><lb/><l>Dem guten Amboſs, daſs er zerspellte bis zum Fuſs.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Nicht zerbrach die Klinge, die ungeschartet blieb.</l><lb/><l>„Das Schwert ist wohl geraten, das zeigte dieser Hieb“,</l><lb/><l>Sprach der junge Degen: „Darum so weih ichs ein,</l><lb/><l>Schächern und Verrätern ein furchtbarer Feind zu sein.“</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Beck</hi>, Geschichte des Eisens. 44</fw><lb/><l></l></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[689/0711]
Mythische Zeit.
„Nun will ich euch das Handwerk lehren aus dem Grund,
Schaut mir zu, Bönhasen, ich weiſs manch seltnen Fund.
Da glüht schon eine Stange in der Esse Glut,
Die reicht mir her, ich fange nun an, mein Schmieden wird gut.“
Aller Hämmer schwersten nahm er in die Hand.
„Achtung, daſs ihr was lernet“, rief er zornentbrannt.
Da schlug er auf die Stange einen Schlag, der war nicht krank,
Der Stein zerbarst, der Amboſs in der Erde Grund versank;
In Funken war zerstoben der glühenden Stange Last,
Zerbrochen lag die Zange, mit der er sie gefaſst;
Der Schlegel brach in Stücken nieder von dem Schaft,
Das Haus begann zu zücken von des Schmiedes kindischer Kraft.
„So sollt ihr mir schmieden“, sprach Siegfried, „fortan;
Morgen komm ich wieder und wer es da nicht kann,
Den schweiſs ich auf den Amboſs.“ So ging er aus dem Haus.
Da erfaſst den alten Mimen Angst und Schrecken und er sinnt
auf des Jünglings Verderben. Siegfried aber geht zu seiner Mutter
und fragt sie, ob sie nicht noch Siegmunds, seines Vaters Schwert habe,
das von Odin selbst abstamme. Es war das Schwert, das Odin bei
Signes Hochzeit in die Erde stieſs und das keiner herauszuziehen ver-
mochte als Siegmund. Aber später wurde Odin dem Helden gram und
das göttliche Schwert zerschellte an Odins Lanze. So waren nur die
Splitter übrig geblieben. Sie erbat sich Siegfried und brachte sie in
die Schmiede, daſs Mime ihm daraus ein Schwert schmiede. Mime ver-
spricht ihm nicht nur dies, sondern auch einen Harnisch, Helm, Eisen-
hosen und Schild. Der frohe, gutherzige Siegfried läſst sich darauf
leicht von dem arglistigen Schmied bethören, in den Wald zu gehen,
um ihm Kohlen zu brennen, an denen es ihm gebräche. Heimlich
aber hat er seinen Bruder Fafner, den grimmen Drachen, um Siegfried
zu verderben, in den Wald bestellt. Siegfried erschlägt Fafner, kehrt
zu Mimen zurück, der ihm die inzwischen gefertigten Waffen giebt:
Da bot ihm der Meister des Helmes lautern Glanz:
Den schwang er sich zu Häupten und stand gerüstet ganz.
Nun gab ihm auch der Alte den stahlharten Schild;
Doch immer schwieg Siegfried und blickte fürchterlich wild.
Jetzt blieb ihm noch zu geben Siegmunds gutes Schwert:
„Erst will ich es versuchen“, sprach der Degen wert.
Er schwang es in den Lüften und bot so starken Gruſs
Dem guten Amboſs, daſs er zerspellte bis zum Fuſs.
Nicht zerbrach die Klinge, die ungeschartet blieb.
„Das Schwert ist wohl geraten, das zeigte dieser Hieb“,
Sprach der junge Degen: „Darum so weih ichs ein,
Schächern und Verrätern ein furchtbarer Feind zu sein.“
Beck, Geschichte des Eisens. 44
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/711>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.