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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Mythische Zeit.
Ebenso ist die sprachliche Unterscheidung zwischen Eisen und Stahl
sehr alt und kommt das Wort Stahl und stählern schon sehr früh vor.

Die nationalen Sagen der Germanen, ihre Mythologie, ist ganz be-
sonders reich an Erzählungen, die auf Eisen und Eisenwaffen Bezug
haben. Die Schmiedekunst und zwar ganz besonders die Kunst des
Waffenschmiedes war bei den alten Germanen hoch angesehen. So
alt wie Thor, der Donnergott, ist Mjölnir (der Zermalmer), sein eiserner
Hammer. Er ist kurzschaftig, unbezwinglich. Wenn Thor (Donar)
durch die Wolken fährt, wirft er ihn auf die Erde (der Blitz). Mit
ihm hat er die Riesen zerschmettert. Hamarsheimt, des Hammers
Heimkunft, heisst eins der bekanntesten Götterlieder aus der alten
Edda. Der Riese Drum (Thryma) hat, als Thor seinen Winterschlaf
hielt, den Hammer gestohlen:

"Wohl berg ich die Waffe des Blitzwerfers,
Acht Rasten (Meilen) unter die Erde,
Da wird sie keiner wieder holen;
Er brächte denn Freia als Braut mit her."

Thor erwacht und ihm schwoll der Zorn, doch er ist machtlos ohne
den Hammer und so kann er ihn nur durch List wieder erlangen.
Loge, der verschlagene, hilft ihm. Freia, welche der Riese zum Weibe
begehrt, leiht dem Gotte ihr Schwanenhemd. So verkleidet fährt er
nach Jotenheim ins Riesenland. Er ist bekleidet mit reichem Schmuck
von "Breisacher Gold" (Brisinga-men) und hüllt sich dicht in Freias
Federkleid. So bethört er den plumpen Riesen, der lüstern des Weibes
begehrt. Einmal

"Lupft er das Linnen lüstern nach Küssen;
Da flog er schier zum Festsaal hinaus:
Welch ein furchtbares Leben in Freias Augen!
Brennende Blicke blitzten mich an."

Thor verspricht den Brautring.

"Da sagte Drum, der Dursenbeherrscher:
"Bringt mir den Hammer die Braut zu weihen
Und legt den Malmer der Braut in den Schoss!
So weihe zusammen uns Waras Hand!"
Wie lachte dem Starken im Leibe das Herz,
Alsbald er den blitzenden Hammer erblickt!
Auf den Drum traf er erst, auf den Dursenbeherrscher,
Und schlug zu Grunde sein ganzes Geschlecht."

In ihrer symbolischen Bedeutung stellt des Hammers Heimholung
die Wiederkunft des Frühlings dar. Die ersten Frühlingsgewitter ver-
nichten den Winterriesen. Auch liegt es nicht fern, in dem Verbergen

Mythische Zeit.
Ebenso ist die sprachliche Unterscheidung zwischen Eisen und Stahl
sehr alt und kommt das Wort Stahl und stählern schon sehr früh vor.

Die nationalen Sagen der Germanen, ihre Mythologie, ist ganz be-
sonders reich an Erzählungen, die auf Eisen und Eisenwaffen Bezug
haben. Die Schmiedekunst und zwar ganz besonders die Kunst des
Waffenschmiedes war bei den alten Germanen hoch angesehen. So
alt wie Thor, der Donnergott, ist Mjölnir (der Zermalmer), sein eiserner
Hammer. Er ist kurzschaftig, unbezwinglich. Wenn Thor (Donar)
durch die Wolken fährt, wirft er ihn auf die Erde (der Blitz). Mit
ihm hat er die Riesen zerschmettert. Hamarsheimt, des Hammers
Heimkunft, heiſst eins der bekanntesten Götterlieder aus der alten
Edda. Der Riese Drum (Thryma) hat, als Thor seinen Winterschlaf
hielt, den Hammer gestohlen:

„Wohl berg ich die Waffe des Blitzwerfers,
Acht Rasten (Meilen) unter die Erde,
Da wird sie keiner wieder holen;
Er brächte denn Freia als Braut mit her.“

Thor erwacht und ihm schwoll der Zorn, doch er ist machtlos ohne
den Hammer und so kann er ihn nur durch List wieder erlangen.
Loge, der verschlagene, hilft ihm. Freia, welche der Riese zum Weibe
begehrt, leiht dem Gotte ihr Schwanenhemd. So verkleidet fährt er
nach Jotenheim ins Riesenland. Er ist bekleidet mit reichem Schmuck
von „Breisacher Gold“ (Brisinga-men) und hüllt sich dicht in Freias
Federkleid. So bethört er den plumpen Riesen, der lüstern des Weibes
begehrt. Einmal

„Lupft er das Linnen lüstern nach Küssen;
Da flog er schier zum Festsaal hinaus:
Welch ein furchtbares Leben in Freias Augen!
Brennende Blicke blitzten mich an.“

Thor verspricht den Brautring.

„Da sagte Drum, der Dursenbeherrscher:
„Bringt mir den Hammer die Braut zu weihen
Und legt den Malmer der Braut in den Schoſs!
So weihe zusammen uns Waras Hand!“
Wie lachte dem Starken im Leibe das Herz,
Alsbald er den blitzenden Hammer erblickt!
Auf den Drum traf er erst, auf den Dursenbeherrscher,
Und schlug zu Grunde sein ganzes Geschlecht.“

In ihrer symbolischen Bedeutung stellt des Hammers Heimholung
die Wiederkunft des Frühlings dar. Die ersten Frühlingsgewitter ver-
nichten den Winterriesen. Auch liegt es nicht fern, in dem Verbergen

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[683/0705] Mythische Zeit. Ebenso ist die sprachliche Unterscheidung zwischen Eisen und Stahl sehr alt und kommt das Wort Stahl und stählern schon sehr früh vor. Die nationalen Sagen der Germanen, ihre Mythologie, ist ganz be- sonders reich an Erzählungen, die auf Eisen und Eisenwaffen Bezug haben. Die Schmiedekunst und zwar ganz besonders die Kunst des Waffenschmiedes war bei den alten Germanen hoch angesehen. So alt wie Thor, der Donnergott, ist Mjölnir (der Zermalmer), sein eiserner Hammer. Er ist kurzschaftig, unbezwinglich. Wenn Thor (Donar) durch die Wolken fährt, wirft er ihn auf die Erde (der Blitz). Mit ihm hat er die Riesen zerschmettert. Hamarsheimt, des Hammers Heimkunft, heiſst eins der bekanntesten Götterlieder aus der alten Edda. Der Riese Drum (Thryma) hat, als Thor seinen Winterschlaf hielt, den Hammer gestohlen: „Wohl berg ich die Waffe des Blitzwerfers, Acht Rasten (Meilen) unter die Erde, Da wird sie keiner wieder holen; Er brächte denn Freia als Braut mit her.“ Thor erwacht und ihm schwoll der Zorn, doch er ist machtlos ohne den Hammer und so kann er ihn nur durch List wieder erlangen. Loge, der verschlagene, hilft ihm. Freia, welche der Riese zum Weibe begehrt, leiht dem Gotte ihr Schwanenhemd. So verkleidet fährt er nach Jotenheim ins Riesenland. Er ist bekleidet mit reichem Schmuck von „Breisacher Gold“ (Brisinga-men) und hüllt sich dicht in Freias Federkleid. So bethört er den plumpen Riesen, der lüstern des Weibes begehrt. Einmal „Lupft er das Linnen lüstern nach Küssen; Da flog er schier zum Festsaal hinaus: Welch ein furchtbares Leben in Freias Augen! Brennende Blicke blitzten mich an.“ Thor verspricht den Brautring. „Da sagte Drum, der Dursenbeherrscher: „Bringt mir den Hammer die Braut zu weihen Und legt den Malmer der Braut in den Schoſs! So weihe zusammen uns Waras Hand!“ Wie lachte dem Starken im Leibe das Herz, Alsbald er den blitzenden Hammer erblickt! Auf den Drum traf er erst, auf den Dursenbeherrscher, Und schlug zu Grunde sein ganzes Geschlecht.“ In ihrer symbolischen Bedeutung stellt des Hammers Heimholung die Wiederkunft des Frühlings dar. Die ersten Frühlingsgewitter ver- nichten den Winterriesen. Auch liegt es nicht fern, in dem Verbergen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/705>, abgerufen am 25.11.2024.