Briten mit dem Eisen 1): Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Eisen von Sussex schon vor der Eroberung der Insel durch die Römer ge- wonnen und verarbeitet wurde. Dass sie das Pferd als Haustier be- sassen und dass sie in vielen Details der Kriegskunde sehr vor- geschritten waren, wie Cäsar dies erfuhr, als er die Küste Britanniens zuerst betrat, spricht wohl dafür, dass die Einwohner schon einen grossen Bildungsstand erlangt hatten und dass sie nicht, wie gewöhn- lich angenommen wird, Barbaren waren. Wenn man die Benutzung des Eisens als den Endpunkt der Barbarei und den Anfangspunkt der Zivilisation betrachtet, so hatten die alten Briten diesen Punkt sicher- lich zur Zeit Cäsars überschritten.
Die Germanen.
Die Germanen, die mit ihren Eisenwaffen das römische Weltreich in Trümmer schlugen, traten erst spät in die Geschichte ein. Die älteste Mitteilung über sie stammt von dem Massilioten Pytheas, der im vierten Jahrhundert das Bernsteinland besuchte. Er schildert sie als ein sesshaftes, ackerbautreibendes Volk. Nach allgemeiner An- nahme sind die Germanen, die einen Zweig der indogermanischen Völkerfamilie bilden, von ihrer östlichen Urheimat, dem oberen Oxus- gebiet, später als die Kelten und Finnen in Mitteleuropa eingewandert, in- dem sie erstere nach Westen, letztere nach Norden zurückdrängten. Die geschichtliche Erinnerung an diese Einwanderung war aber schon bei den alten Germanen verschwunden. Sie lässt sich nur begründen durch die Sprachvergleichung und durch die alten Stammessagen.
Mythische Zeit.
Die Spearch und die Sagen der Germanen sprechen für ihre frühe Bekanntschaft mit dem Eisen. Wir haben schon in dem Kapitel "Die Arier in Asien" 2) die Übereinstimmung des Ausdruckes für Eisen in den indogermanischen Stämmen überhaupt, als auch die Ähnlichkeit des Wortes Eisen in den germanischen Sprachen speziell nachgewiesen. Eisen erscheint danach dem Kupfer, wie insbesondere der Bronze gegen- über, als das früherbekannte Metall, das den Germanen neben dem Golde und dem Silber schon bekannt war, als sie ihre Urheimat verliessen.
1) A. a. O. p. 93.
2) S. 206.
Die Germanen.
Briten mit dem Eisen 1): Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs das Eisen von Sussex schon vor der Eroberung der Insel durch die Römer ge- wonnen und verarbeitet wurde. Daſs sie das Pferd als Haustier be- saſsen und daſs sie in vielen Details der Kriegskunde sehr vor- geschritten waren, wie Cäsar dies erfuhr, als er die Küste Britanniens zuerst betrat, spricht wohl dafür, daſs die Einwohner schon einen groſsen Bildungsstand erlangt hatten und daſs sie nicht, wie gewöhn- lich angenommen wird, Barbaren waren. Wenn man die Benutzung des Eisens als den Endpunkt der Barbarei und den Anfangspunkt der Zivilisation betrachtet, so hatten die alten Briten diesen Punkt sicher- lich zur Zeit Cäsars überschritten.
Die Germanen.
Die Germanen, die mit ihren Eisenwaffen das römische Weltreich in Trümmer schlugen, traten erst spät in die Geschichte ein. Die älteste Mitteilung über sie stammt von dem Massilioten Pytheas, der im vierten Jahrhundert das Bernsteinland besuchte. Er schildert sie als ein seſshaftes, ackerbautreibendes Volk. Nach allgemeiner An- nahme sind die Germanen, die einen Zweig der indogermanischen Völkerfamilie bilden, von ihrer östlichen Urheimat, dem oberen Oxus- gebiet, später als die Kelten und Finnen in Mitteleuropa eingewandert, in- dem sie erstere nach Westen, letztere nach Norden zurückdrängten. Die geschichtliche Erinnerung an diese Einwanderung war aber schon bei den alten Germanen verschwunden. Sie läſst sich nur begründen durch die Sprachvergleichung und durch die alten Stammessagen.
Mythische Zeit.
Die Spearch und die Sagen der Germanen sprechen für ihre frühe Bekanntschaft mit dem Eisen. Wir haben schon in dem Kapitel „Die Arier in Asien“ 2) die Übereinstimmung des Ausdruckes für Eisen in den indogermanischen Stämmen überhaupt, als auch die Ähnlichkeit des Wortes Eisen in den germanischen Sprachen speziell nachgewiesen. Eisen erscheint danach dem Kupfer, wie insbesondere der Bronze gegen- über, als das früherbekannte Metall, das den Germanen neben dem Golde und dem Silber schon bekannt war, als sie ihre Urheimat verlieſsen.
1) A. a. O. p. 93.
2) S. 206.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0704"n="682"/><fwplace="top"type="header">Die Germanen.</fw><lb/>
Briten mit dem Eisen <noteplace="foot"n="1)">A. a. O. p. 93.</note>: Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs das Eisen<lb/>
von Sussex schon vor der Eroberung der Insel durch die Römer ge-<lb/>
wonnen und verarbeitet wurde. Daſs sie das Pferd als Haustier be-<lb/>
saſsen und daſs sie in vielen Details der Kriegskunde sehr vor-<lb/>
geschritten waren, wie Cäsar dies erfuhr, als er die Küste Britanniens<lb/>
zuerst betrat, spricht wohl dafür, daſs die Einwohner schon einen<lb/>
groſsen Bildungsstand erlangt hatten und daſs sie nicht, wie gewöhn-<lb/>
lich angenommen wird, Barbaren waren. Wenn man die Benutzung<lb/>
des Eisens als den Endpunkt der Barbarei und den Anfangspunkt der<lb/>
Zivilisation betrachtet, so hatten die alten Briten diesen Punkt sicher-<lb/>
lich zur Zeit Cäsars überschritten.</p></div></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Germanen</hi>.</hi></head><lb/><p>Die Germanen, die mit ihren Eisenwaffen das römische Weltreich<lb/>
in Trümmer schlugen, traten erst spät in die Geschichte ein. Die<lb/>
älteste Mitteilung über sie stammt von dem Massilioten Pytheas, der<lb/>
im vierten Jahrhundert das Bernsteinland besuchte. Er schildert sie<lb/>
als ein seſshaftes, ackerbautreibendes Volk. Nach allgemeiner An-<lb/>
nahme sind die Germanen, die einen Zweig der indogermanischen<lb/>
Völkerfamilie bilden, von ihrer östlichen Urheimat, dem oberen Oxus-<lb/>
gebiet, später als die Kelten und Finnen in Mitteleuropa eingewandert, in-<lb/>
dem sie erstere nach Westen, letztere nach Norden zurückdrängten. Die<lb/>
geschichtliche Erinnerung an diese Einwanderung war aber schon bei<lb/>
den alten Germanen verschwunden. Sie läſst sich nur begründen<lb/>
durch die Sprachvergleichung und durch die alten Stammessagen.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Mythische Zeit</hi>.</head><lb/><p>Die Spearch und die Sagen der Germanen sprechen für ihre frühe<lb/>
Bekanntschaft mit dem Eisen. Wir haben schon in dem Kapitel „Die<lb/>
Arier in Asien“<noteplace="foot"n="2)">S. 206.</note> die Übereinstimmung des Ausdruckes für Eisen in den<lb/>
indogermanischen Stämmen überhaupt, als auch die Ähnlichkeit des<lb/>
Wortes Eisen in den germanischen Sprachen speziell nachgewiesen.<lb/>
Eisen erscheint danach dem Kupfer, wie insbesondere der Bronze gegen-<lb/>
über, als das früherbekannte Metall, das den Germanen neben dem Golde<lb/>
und dem Silber schon bekannt war, als sie ihre Urheimat verlieſsen.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[682/0704]
Die Germanen.
Briten mit dem Eisen 1): Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs das Eisen
von Sussex schon vor der Eroberung der Insel durch die Römer ge-
wonnen und verarbeitet wurde. Daſs sie das Pferd als Haustier be-
saſsen und daſs sie in vielen Details der Kriegskunde sehr vor-
geschritten waren, wie Cäsar dies erfuhr, als er die Küste Britanniens
zuerst betrat, spricht wohl dafür, daſs die Einwohner schon einen
groſsen Bildungsstand erlangt hatten und daſs sie nicht, wie gewöhn-
lich angenommen wird, Barbaren waren. Wenn man die Benutzung
des Eisens als den Endpunkt der Barbarei und den Anfangspunkt der
Zivilisation betrachtet, so hatten die alten Briten diesen Punkt sicher-
lich zur Zeit Cäsars überschritten.
Die Germanen.
Die Germanen, die mit ihren Eisenwaffen das römische Weltreich
in Trümmer schlugen, traten erst spät in die Geschichte ein. Die
älteste Mitteilung über sie stammt von dem Massilioten Pytheas, der
im vierten Jahrhundert das Bernsteinland besuchte. Er schildert sie
als ein seſshaftes, ackerbautreibendes Volk. Nach allgemeiner An-
nahme sind die Germanen, die einen Zweig der indogermanischen
Völkerfamilie bilden, von ihrer östlichen Urheimat, dem oberen Oxus-
gebiet, später als die Kelten und Finnen in Mitteleuropa eingewandert, in-
dem sie erstere nach Westen, letztere nach Norden zurückdrängten. Die
geschichtliche Erinnerung an diese Einwanderung war aber schon bei
den alten Germanen verschwunden. Sie läſst sich nur begründen
durch die Sprachvergleichung und durch die alten Stammessagen.
Mythische Zeit.
Die Spearch und die Sagen der Germanen sprechen für ihre frühe
Bekanntschaft mit dem Eisen. Wir haben schon in dem Kapitel „Die
Arier in Asien“ 2) die Übereinstimmung des Ausdruckes für Eisen in den
indogermanischen Stämmen überhaupt, als auch die Ähnlichkeit des
Wortes Eisen in den germanischen Sprachen speziell nachgewiesen.
Eisen erscheint danach dem Kupfer, wie insbesondere der Bronze gegen-
über, als das früherbekannte Metall, das den Germanen neben dem Golde
und dem Silber schon bekannt war, als sie ihre Urheimat verlieſsen.
1) A. a. O. p. 93.
2) S. 206.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/704>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.