liessen nicht ab, bis sie die Wege zu Wasser und zu Lande nach den Kassiteriden, dem Zinnland, gefunden hatten. Es gelang ihnen, für Jahrhunderte den wichtigen Zinnhandel mit Britannien zu monopoli- sieren. Bis zum Jahre 300 v. Chr. hatten sie ihn fast allein in Händen. Dann kam er infolge des Verfalles Phöniziens und der phönizischen Kolonieen in die Hände der Griechen, in erster Linie in die der pho- käischen Massilioten. Pytheas von Massilia war wohl der erste Grieche, der Britannien besuchte, der es für die Griechen um 330 v. Chr. entdeckte. Er war dem Wege des Zinnhandels gefolgt, und veröffent- lichte seine Entdeckungen in einer Reisebeschreibung. Von dieser Zeit an partizipierte Griechenland an dem britannischen Zinnhandel. Hatte vorher schon die fremdländische phönizische Kultur auf die Britannier eingewirkt, so machte sich jetzt die höhere und verwandt- schaftlichere Bildung Griechenlands bei den Inselbewohnern geltend. Diese Kultureinflüsse waren nicht gering, so dass, als 250 Jahre später um 50 v. Chr. Cäsar mit seinen römischen Legionen seine Kriegszüge nach Britannien unternahm, die Bewohner des Landes nicht mehr auf dem Zustande niedriger Barbarei standen, sondern, namentlich an dem südlichen Küstenlande, schon eine hervorragende Bildung besassen. Dass der Verkehr mit Griechenland kein unbedeutender war, dass die Griechen Kenntnis von Britannien besassen, beweist das bereits um 190 v. Chr. von Polybios verfasste Buch über Britannien und die Zinn- gewinnung daselbst. Neben den Massilioten waren es die Syrakusaner, die an dem britannischen Handel am lebhaftesten Teil nahmen, denn es wird berichtet, dass diese im Jahre 214 v. Chr. einen gewaltigen Mastbaum für das Riesenschiff des Archimedes in Britannien erwarben und von da holten 1).
Am intensivsten war aber wohl stets der gallische Verkehr, der zwischen den beiden Ufern des Kanals von Alters her unterhalten wurde. Auch hierbei spielte der Zinnhandel die wichtigste Rolle. Strabo schreibt hierüber 2): "Die Bewohner Britanniens, welche um das Vorgebirge Belarion (jetzt Landsend, die Westspitze von Cornwall) wohnen, sind überaus gastfrei und haben im Verkehr mit den fremden Kaufleuten ihre Sitten gemildert. Diese sind es, welche das Zinn zu Tage fördern, indem sie den Boden, in welchem dasselbe vorkommt, auf künstliche Weise bebauen. Derselbe ist nämlich felsig, hat aber auch erdige Schichten und aus diesen gewinnen sie die Ware und reinigen sie durch Schmelzen. Sie formen es in Stücke von würflicher
1) Athen. Deipnos lib. V, cap. 10.
2) Strabo V, 22.
Das frühe Mittelalter.
lieſsen nicht ab, bis sie die Wege zu Wasser und zu Lande nach den Kassiteriden, dem Zinnland, gefunden hatten. Es gelang ihnen, für Jahrhunderte den wichtigen Zinnhandel mit Britannien zu monopoli- sieren. Bis zum Jahre 300 v. Chr. hatten sie ihn fast allein in Händen. Dann kam er infolge des Verfalles Phöniziens und der phönizischen Kolonieen in die Hände der Griechen, in erster Linie in die der pho- käischen Massilioten. Pytheas von Massilia war wohl der erste Grieche, der Britannien besuchte, der es für die Griechen um 330 v. Chr. entdeckte. Er war dem Wege des Zinnhandels gefolgt, und veröffent- lichte seine Entdeckungen in einer Reisebeschreibung. Von dieser Zeit an partizipierte Griechenland an dem britannischen Zinnhandel. Hatte vorher schon die fremdländische phönizische Kultur auf die Britannier eingewirkt, so machte sich jetzt die höhere und verwandt- schaftlichere Bildung Griechenlands bei den Inselbewohnern geltend. Diese Kultureinflüsse waren nicht gering, so daſs, als 250 Jahre später um 50 v. Chr. Cäsar mit seinen römischen Legionen seine Kriegszüge nach Britannien unternahm, die Bewohner des Landes nicht mehr auf dem Zustande niedriger Barbarei standen, sondern, namentlich an dem südlichen Küstenlande, schon eine hervorragende Bildung besaſsen. Daſs der Verkehr mit Griechenland kein unbedeutender war, daſs die Griechen Kenntnis von Britannien besaſsen, beweist das bereits um 190 v. Chr. von Polybios verfaſste Buch über Britannien und die Zinn- gewinnung daselbst. Neben den Massilioten waren es die Syrakusaner, die an dem britannischen Handel am lebhaftesten Teil nahmen, denn es wird berichtet, daſs diese im Jahre 214 v. Chr. einen gewaltigen Mastbaum für das Riesenschiff des Archimedes in Britannien erwarben und von da holten 1).
Am intensivsten war aber wohl stets der gallische Verkehr, der zwischen den beiden Ufern des Kanals von Alters her unterhalten wurde. Auch hierbei spielte der Zinnhandel die wichtigste Rolle. Strabo schreibt hierüber 2): „Die Bewohner Britanniens, welche um das Vorgebirge Belarion (jetzt Landsend, die Westspitze von Cornwall) wohnen, sind überaus gastfrei und haben im Verkehr mit den fremden Kaufleuten ihre Sitten gemildert. Diese sind es, welche das Zinn zu Tage fördern, indem sie den Boden, in welchem dasſelbe vorkommt, auf künstliche Weise bebauen. Derselbe ist nämlich felsig, hat aber auch erdige Schichten und aus diesen gewinnen sie die Ware und reinigen sie durch Schmelzen. Sie formen es in Stücke von würflicher
1) Athen. Deipnos lib. V, cap. 10.
2) Strabo V, 22.
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[672/0694]
Das frühe Mittelalter.
lieſsen nicht ab, bis sie die Wege zu Wasser und zu Lande nach den
Kassiteriden, dem Zinnland, gefunden hatten. Es gelang ihnen, für
Jahrhunderte den wichtigen Zinnhandel mit Britannien zu monopoli-
sieren. Bis zum Jahre 300 v. Chr. hatten sie ihn fast allein in Händen.
Dann kam er infolge des Verfalles Phöniziens und der phönizischen
Kolonieen in die Hände der Griechen, in erster Linie in die der pho-
käischen Massilioten. Pytheas von Massilia war wohl der erste
Grieche, der Britannien besuchte, der es für die Griechen um 330 v. Chr.
entdeckte. Er war dem Wege des Zinnhandels gefolgt, und veröffent-
lichte seine Entdeckungen in einer Reisebeschreibung. Von dieser
Zeit an partizipierte Griechenland an dem britannischen Zinnhandel.
Hatte vorher schon die fremdländische phönizische Kultur auf die
Britannier eingewirkt, so machte sich jetzt die höhere und verwandt-
schaftlichere Bildung Griechenlands bei den Inselbewohnern geltend.
Diese Kultureinflüsse waren nicht gering, so daſs, als 250 Jahre später
um 50 v. Chr. Cäsar mit seinen römischen Legionen seine Kriegszüge
nach Britannien unternahm, die Bewohner des Landes nicht mehr auf
dem Zustande niedriger Barbarei standen, sondern, namentlich an
dem südlichen Küstenlande, schon eine hervorragende Bildung besaſsen.
Daſs der Verkehr mit Griechenland kein unbedeutender war, daſs die
Griechen Kenntnis von Britannien besaſsen, beweist das bereits um
190 v. Chr. von Polybios verfaſste Buch über Britannien und die Zinn-
gewinnung daselbst. Neben den Massilioten waren es die Syrakusaner,
die an dem britannischen Handel am lebhaftesten Teil nahmen, denn
es wird berichtet, daſs diese im Jahre 214 v. Chr. einen gewaltigen
Mastbaum für das Riesenschiff des Archimedes in Britannien erwarben
und von da holten 1).
Am intensivsten war aber wohl stets der gallische Verkehr, der
zwischen den beiden Ufern des Kanals von Alters her unterhalten
wurde. Auch hierbei spielte der Zinnhandel die wichtigste Rolle.
Strabo schreibt hierüber 2): „Die Bewohner Britanniens, welche um das
Vorgebirge Belarion (jetzt Landsend, die Westspitze von Cornwall)
wohnen, sind überaus gastfrei und haben im Verkehr mit den fremden
Kaufleuten ihre Sitten gemildert. Diese sind es, welche das Zinn zu
Tage fördern, indem sie den Boden, in welchem dasſelbe vorkommt,
auf künstliche Weise bebauen. Derselbe ist nämlich felsig, hat aber
auch erdige Schichten und aus diesen gewinnen sie die Ware und
reinigen sie durch Schmelzen. Sie formen es in Stücke von würflicher
1) Athen. Deipnos lib. V, cap. 10.
2) Strabo V, 22.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/694>, abgerufen am 22.11.2024.
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