sein. Dies ist ein wichtiges Moment zur Aufklärung über die Herkunft der Bronze.
Zinn ist ein Metall von viel geringerer Verbreitung als das Kupfer. Es findet sich verhältnismässig nur an wenig Orten auf der Erde. Die Fundstätten, welche für die Geschichte der alten Zeit in Betracht kommen, sind im Paropamisus im Gebiet der Drangen, die Strabo (Bd. XV. 2, 10) erwähnt, in Hinterindien und dem indischen Archipel, ferner in Iberien 1), der spanischen Provinz Gallizien, in Cornwall und in Devonshire. Die Zinnbergwerke Sachsens und Böhmens sind erst im späten Mittelalter entdeckt worden. Auch der galizische Zinn- bergbau, der unter der römischen Herrschaft in Blüte stand, scheint vergleichungsweise jüngeren Datums zu sein. Trotzdem war das Zinn Spaniens, "das lusitanische Zinn", hochberühmt. Eine spätrömische Erklärung will sogar den griechischen Namen des Zinns "Kassiteros" von einem Berge Kassius in Südspanien herleiten. Im südlichen Spanien ist aber Zinn heutzutage unbekannt. Dagegen waren die süd- spanischen Häfen, vornehmlich Gades, Hauptstapelplätze des über- seeischen phönizisch-britanischen Zinnhandels. Der Handelsweg, den die phönizischen Schiffer mit Eifersucht, namentlich den Römern gegen- über, geheim hielten, ging durch die Strasse von Gibraltar. Vielleicht nur, um die römischen Kaufleute irre zu führen, verbreiteten sie neben manchen anderen Handelsmärchen über ihren Zinnhandel die Nach- richt, dass sie das Metall aus Lusitanien, aus dem Gebiete des Bätis (Guadalquivir) bezögen.
Gerade der obenerwähnte griechische Namen des Zinns "Kassi- teros" führt uns auf den wirklichen Ursprung des Metalls. Als Ent- deckungsorte kommen jetzt überhaupt nur noch Indien, Britannien und der Paropamisus in Betracht. Die Griechen nannten allerdings die griechischen Zinninseln Kassiteriten; dieser Name ist aber von dem alten Namen des Metalls abgeleitet. Das Wort Kassiteros ist viel älter und stammt aus Asien und zwar aus den semitischen Sprachen. Es ist übergegangen in die Sanskritsprache als Kastira, welches indess als ein jüngeres, importiertes Wort angesehen wird. In der arabischen und aramäischen Sprache heisst das Metall fast wie im Sanskrit, nämlich Kasdir und Kastir. Semitischen Stämmen war demnach, wie es scheint, das Zinn am frühesten bekannt, obgleich wir nicht nachweisen können, wo sie es gewonnen und woher sie es bezogen haben. Das Metall kann
1) Der Zinnbergbau im kaukasischen Iberien scheint eine poetische Fiktion gewesen zu sein.
Einleitung.
sein. Dies ist ein wichtiges Moment zur Aufklärung über die Herkunft der Bronze.
Zinn ist ein Metall von viel geringerer Verbreitung als das Kupfer. Es findet sich verhältnismäſsig nur an wenig Orten auf der Erde. Die Fundstätten, welche für die Geschichte der alten Zeit in Betracht kommen, sind im Paropamisus im Gebiet der Drangen, die Strabo (Bd. XV. 2, 10) erwähnt, in Hinterindien und dem indischen Archipel, ferner in Iberien 1), der spanischen Provinz Gallizien, in Cornwall und in Devonshire. Die Zinnbergwerke Sachsens und Böhmens sind erst im späten Mittelalter entdeckt worden. Auch der galizische Zinn- bergbau, der unter der römischen Herrschaft in Blüte stand, scheint vergleichungsweise jüngeren Datums zu sein. Trotzdem war das Zinn Spaniens, „das lusitanische Zinn“, hochberühmt. Eine spätrömische Erklärung will sogar den griechischen Namen des Zinns „Kassiteros“ von einem Berge Kassius in Südspanien herleiten. Im südlichen Spanien ist aber Zinn heutzutage unbekannt. Dagegen waren die süd- spanischen Häfen, vornehmlich Gades, Hauptstapelplätze des über- seeischen phönizisch-britanischen Zinnhandels. Der Handelsweg, den die phönizischen Schiffer mit Eifersucht, namentlich den Römern gegen- über, geheim hielten, ging durch die Straſse von Gibraltar. Vielleicht nur, um die römischen Kaufleute irre zu führen, verbreiteten sie neben manchen anderen Handelsmärchen über ihren Zinnhandel die Nach- richt, daſs sie das Metall aus Lusitanien, aus dem Gebiete des Bätis (Guadalquivir) bezögen.
Gerade der obenerwähnte griechische Namen des Zinns „Kassi- teros“ führt uns auf den wirklichen Ursprung des Metalls. Als Ent- deckungsorte kommen jetzt überhaupt nur noch Indien, Britannien und der Paropamisus in Betracht. Die Griechen nannten allerdings die griechischen Zinninseln Kassiteriten; dieser Name ist aber von dem alten Namen des Metalls abgeleitet. Das Wort Kassiteros ist viel älter und stammt aus Asien und zwar aus den semitischen Sprachen. Es ist übergegangen in die Sanskritsprache als Kastira, welches indeſs als ein jüngeres, importiertes Wort angesehen wird. In der arabischen und aramäischen Sprache heiſst das Metall fast wie im Sanskrit, nämlich Kasdir und Kastir. Semitischen Stämmen war demnach, wie es scheint, das Zinn am frühesten bekannt, obgleich wir nicht nachweisen können, wo sie es gewonnen und woher sie es bezogen haben. Das Metall kann
1) Der Zinnbergbau im kaukasischen Iberien scheint eine poetische Fiktion gewesen zu sein.
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[42/0064]
Einleitung.
sein. Dies ist ein wichtiges Moment zur Aufklärung über die Herkunft
der Bronze.
Zinn ist ein Metall von viel geringerer Verbreitung als das Kupfer.
Es findet sich verhältnismäſsig nur an wenig Orten auf der Erde. Die
Fundstätten, welche für die Geschichte der alten Zeit in Betracht
kommen, sind im Paropamisus im Gebiet der Drangen, die Strabo
(Bd. XV. 2, 10) erwähnt, in Hinterindien und dem indischen Archipel,
ferner in Iberien 1), der spanischen Provinz Gallizien, in Cornwall
und in Devonshire. Die Zinnbergwerke Sachsens und Böhmens sind
erst im späten Mittelalter entdeckt worden. Auch der galizische Zinn-
bergbau, der unter der römischen Herrschaft in Blüte stand, scheint
vergleichungsweise jüngeren Datums zu sein. Trotzdem war das Zinn
Spaniens, „das lusitanische Zinn“, hochberühmt. Eine spätrömische
Erklärung will sogar den griechischen Namen des Zinns „Kassiteros“
von einem Berge Kassius in Südspanien herleiten. Im südlichen
Spanien ist aber Zinn heutzutage unbekannt. Dagegen waren die süd-
spanischen Häfen, vornehmlich Gades, Hauptstapelplätze des über-
seeischen phönizisch-britanischen Zinnhandels. Der Handelsweg, den die
phönizischen Schiffer mit Eifersucht, namentlich den Römern gegen-
über, geheim hielten, ging durch die Straſse von Gibraltar. Vielleicht
nur, um die römischen Kaufleute irre zu führen, verbreiteten sie neben
manchen anderen Handelsmärchen über ihren Zinnhandel die Nach-
richt, daſs sie das Metall aus Lusitanien, aus dem Gebiete des Bätis
(Guadalquivir) bezögen.
Gerade der obenerwähnte griechische Namen des Zinns „Kassi-
teros“ führt uns auf den wirklichen Ursprung des Metalls. Als Ent-
deckungsorte kommen jetzt überhaupt nur noch Indien, Britannien
und der Paropamisus in Betracht. Die Griechen nannten allerdings die
griechischen Zinninseln Kassiteriten; dieser Name ist aber von dem alten
Namen des Metalls abgeleitet. Das Wort Kassiteros ist viel älter und
stammt aus Asien und zwar aus den semitischen Sprachen. Es ist
übergegangen in die Sanskritsprache als Kastira, welches indeſs als ein
jüngeres, importiertes Wort angesehen wird. In der arabischen und
aramäischen Sprache heiſst das Metall fast wie im Sanskrit, nämlich
Kasdir und Kastir. Semitischen Stämmen war demnach, wie es scheint,
das Zinn am frühesten bekannt, obgleich wir nicht nachweisen können,
wo sie es gewonnen und woher sie es bezogen haben. Das Metall kann
1) Der Zinnbergbau im kaukasischen Iberien scheint eine poetische Fiktion
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/64>, abgerufen am 23.11.2024.
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