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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung zum Mittelalter.
an demselben Orte ergab ausser den Knochenfunden und einem ge-
wöhnlichen Flintmesser ein Eisenstück in Form eines Messers, 21/2 Zoll
lang und 3/4 Zoll breit. Mittels eines seitlichen Nagels war dasselbe
befestigt an einem Holzstückchen, das vermutlich als Griff gedient
hatte, aber beim Berühren sofort in Staub zerfiel 1). Worsaae fügt
hinzu: "Es ist höchst merkwürdig, dass man gerade in diesen grössten
Steingräbern des Kirchspieles Eisensachen finden musste, von denen,
ihrer Lage nach zu urteilen, nicht angenommen werden kann,
dass sie in späterer Zeit hineingekommen sind
." Und trotz-
dem ist es gerade Worsaae, der dem starren Schematismus zu lieb im
Jahre 1854 behauptete, das Steinzeitalter hätte jeder Kenntnis der
Metalle ermangelt 2).

Was nun Schweden anlangt, so sind auch dort Fälle genug
bekannt geworden, wo man in charakteristischen Steingräbern Eisen,
aber keine Bronze fand.

Nilsson fand in einem Gangbau Steinkisten, die nur mit Erde
und Rasen überdeckt sind. Man hält sie mehr für Wohnungen, als
für Grabkammern. Sie enthielten neben Steingeräten, Topfscherben,
Asche und Kohlen, Eisenstücke, in jedem meist ein, selten zwei Stücke.
Nilsson, der, obgleich er in der Erklärung der Bronzeperiode nicht
den beschränkt patriotischen Standpunkt der jüngeren Gelehrten ein-
nimmt, doch ein eifriger Verfechter eines reinen Bronzezeitalters ist,
sucht dies in sehr geschraubter Weise dadurch zu erklären, dass man
diese Eisenstücke erst später, um die Gespenster zu vertreiben, hinein-
gethan habe 3). Diese wunderbare Theorie, dass alle diese Eisenbeigaben
in die zum Teil sorgfältig verschlossenen Gräber erst nachträglich
durch Zufall hineingelegt seien, ist der Rettungsanker der strengen
Schematisten des Nordens geworden. Zunächst war es Danneil, der
zuerst die Behauptung aufstellte, die alten Hünengräber wären später
von Slaven zum zweitenmal als Begräbnisstätten benutzt worden und
auf diese Art wäre das Eisen in die Grabkammern gekommen. Selbst
der ehrliche Lisch atmete auf, als diese Erklärung ans Licht kam
und nennt es "eine interessante Beleuchtung über die Eisenfrage".
Wir sind geneigt, diese Absurdität mit einem weniger lobenden Worte
zu kennzeichnen. Denn die meisten der oben erwähnten Eisenfunde
entstammen Gegenden, die nie von Slaven bewohnt waren 4).

Worsaae fand den Ausweg. Obgleich er beim Auffinden der

1) Ann. f. n. O. 1839, S. 174, 176.
2) Afbildn. 6, 8.
3) Hostmann, zur
Krit. der Kulturperioden, a. a. O. 194.
4) Hostmann a. a. O. Arch. f. Anthropo-
logie VIII, Heft 3.
38*

Einleitung zum Mittelalter.
an demselben Orte ergab auſser den Knochenfunden und einem ge-
wöhnlichen Flintmesser ein Eisenstück in Form eines Messers, 2½ Zoll
lang und ¾ Zoll breit. Mittels eines seitlichen Nagels war dasſelbe
befestigt an einem Holzstückchen, das vermutlich als Griff gedient
hatte, aber beim Berühren sofort in Staub zerfiel 1). Worsaae fügt
hinzu: „Es ist höchst merkwürdig, daſs man gerade in diesen gröſsten
Steingräbern des Kirchspieles Eisensachen finden muſste, von denen,
ihrer Lage nach zu urteilen, nicht angenommen werden kann,
daſs sie in späterer Zeit hineingekommen sind
.“ Und trotz-
dem ist es gerade Worsaae, der dem starren Schematismus zu lieb im
Jahre 1854 behauptete, das Steinzeitalter hätte jeder Kenntnis der
Metalle ermangelt 2).

Was nun Schweden anlangt, so sind auch dort Fälle genug
bekannt geworden, wo man in charakteristischen Steingräbern Eisen,
aber keine Bronze fand.

Nilsson fand in einem Gangbau Steinkisten, die nur mit Erde
und Rasen überdeckt sind. Man hält sie mehr für Wohnungen, als
für Grabkammern. Sie enthielten neben Steingeräten, Topfscherben,
Asche und Kohlen, Eisenstücke, in jedem meist ein, selten zwei Stücke.
Nilsson, der, obgleich er in der Erklärung der Bronzeperiode nicht
den beschränkt patriotischen Standpunkt der jüngeren Gelehrten ein-
nimmt, doch ein eifriger Verfechter eines reinen Bronzezeitalters ist,
sucht dies in sehr geschraubter Weise dadurch zu erklären, daſs man
diese Eisenstücke erst später, um die Gespenster zu vertreiben, hinein-
gethan habe 3). Diese wunderbare Theorie, daſs alle diese Eisenbeigaben
in die zum Teil sorgfältig verschlossenen Gräber erst nachträglich
durch Zufall hineingelegt seien, ist der Rettungsanker der strengen
Schematisten des Nordens geworden. Zunächst war es Danneil, der
zuerst die Behauptung aufstellte, die alten Hünengräber wären später
von Slaven zum zweitenmal als Begräbnisstätten benutzt worden und
auf diese Art wäre das Eisen in die Grabkammern gekommen. Selbst
der ehrliche Lisch atmete auf, als diese Erklärung ans Licht kam
und nennt es „eine interessante Beleuchtung über die Eisenfrage“.
Wir sind geneigt, diese Absurdität mit einem weniger lobenden Worte
zu kennzeichnen. Denn die meisten der oben erwähnten Eisenfunde
entstammen Gegenden, die nie von Slaven bewohnt waren 4).

Worsaae fand den Ausweg. Obgleich er beim Auffinden der

1) Ann. f. n. O. 1839, S. 174, 176.
2) Afbildn. 6, 8.
3) Hostmann, zur
Krit. der Kulturperioden, a. a. O. 194.
4) Hostmann a. a. O. Arch. f. Anthropo-
logie VIII, Heft 3.
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[595/0617] Einleitung zum Mittelalter. an demselben Orte ergab auſser den Knochenfunden und einem ge- wöhnlichen Flintmesser ein Eisenstück in Form eines Messers, 2½ Zoll lang und ¾ Zoll breit. Mittels eines seitlichen Nagels war dasſelbe befestigt an einem Holzstückchen, das vermutlich als Griff gedient hatte, aber beim Berühren sofort in Staub zerfiel 1). Worsaae fügt hinzu: „Es ist höchst merkwürdig, daſs man gerade in diesen gröſsten Steingräbern des Kirchspieles Eisensachen finden muſste, von denen, ihrer Lage nach zu urteilen, nicht angenommen werden kann, daſs sie in späterer Zeit hineingekommen sind.“ Und trotz- dem ist es gerade Worsaae, der dem starren Schematismus zu lieb im Jahre 1854 behauptete, das Steinzeitalter hätte jeder Kenntnis der Metalle ermangelt 2). Was nun Schweden anlangt, so sind auch dort Fälle genug bekannt geworden, wo man in charakteristischen Steingräbern Eisen, aber keine Bronze fand. Nilsson fand in einem Gangbau Steinkisten, die nur mit Erde und Rasen überdeckt sind. Man hält sie mehr für Wohnungen, als für Grabkammern. Sie enthielten neben Steingeräten, Topfscherben, Asche und Kohlen, Eisenstücke, in jedem meist ein, selten zwei Stücke. Nilsson, der, obgleich er in der Erklärung der Bronzeperiode nicht den beschränkt patriotischen Standpunkt der jüngeren Gelehrten ein- nimmt, doch ein eifriger Verfechter eines reinen Bronzezeitalters ist, sucht dies in sehr geschraubter Weise dadurch zu erklären, daſs man diese Eisenstücke erst später, um die Gespenster zu vertreiben, hinein- gethan habe 3). Diese wunderbare Theorie, daſs alle diese Eisenbeigaben in die zum Teil sorgfältig verschlossenen Gräber erst nachträglich durch Zufall hineingelegt seien, ist der Rettungsanker der strengen Schematisten des Nordens geworden. Zunächst war es Danneil, der zuerst die Behauptung aufstellte, die alten Hünengräber wären später von Slaven zum zweitenmal als Begräbnisstätten benutzt worden und auf diese Art wäre das Eisen in die Grabkammern gekommen. Selbst der ehrliche Lisch atmete auf, als diese Erklärung ans Licht kam und nennt es „eine interessante Beleuchtung über die Eisenfrage“. Wir sind geneigt, diese Absurdität mit einem weniger lobenden Worte zu kennzeichnen. Denn die meisten der oben erwähnten Eisenfunde entstammen Gegenden, die nie von Slaven bewohnt waren 4). Worsaae fand den Ausweg. Obgleich er beim Auffinden der 1) Ann. f. n. O. 1839, S. 174, 176. 2) Afbildn. 6, 8. 3) Hostmann, zur Krit. der Kulturperioden, a. a. O. 194. 4) Hostmann a. a. O. Arch. f. Anthropo- logie VIII, Heft 3. 38*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/617>, abgerufen am 22.11.2024.