würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben, wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische Gelehrte, welche eine originelle, keltische Bronzeindustrie, die älter sei als der südöstliche Einfluss auf die Bewohner Europas, lehrten. Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden, der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen worden. Um so lebhafter wurde dieser Streit von den "nordischen Ge- lehrten", das heisst von den skandinavischen Archäologen aufgenommen und haben diese durch ihre grosse Rührigkeit einen nicht unbeträcht- lichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen aber weiter und behaupteten ausser der Priorität der Bronze auch, dass die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die her- vorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heiss- sporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, dass die Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.
Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegen- stand näher eingehen.
Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte vorgetragen und verteidigt worden ist 1). Herr Dr. Wibel behauptet und will beweisen, "dass die Kultur der Bronzezeit eine durchaus einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Grossbritannien zurückführt". Er behauptet, dass man in Britannien die Bronze erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Aus- schmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, dass man in Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und dass die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden seien.
"Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Ge- schlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich
1) Die Kultur der Bronzezeit Nord- und Mitteleuropas. Chemisch- antiqua- rische Studien über unsere vorgeschichtliche Vergangenheit und deren Bergbau, Hüttenkunde, Technik und Handel von Dr. F. Wibel, Kiel 1865.
Einleitung zum Mittelalter.
würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben, wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische Gelehrte, welche eine originelle, keltische Bronzeindustrie, die älter sei als der südöstliche Einfluſs auf die Bewohner Europas, lehrten. Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden, der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen worden. Um so lebhafter wurde dieser Streit von den „nordischen Ge- lehrten“, das heiſst von den skandinavischen Archäologen aufgenommen und haben diese durch ihre groſse Rührigkeit einen nicht unbeträcht- lichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen aber weiter und behaupteten auſser der Priorität der Bronze auch, daſs die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die her- vorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heiſs- sporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, daſs die Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.
Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegen- stand näher eingehen.
Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte vorgetragen und verteidigt worden ist 1). Herr Dr. Wibel behauptet und will beweisen, „daſs die Kultur der Bronzezeit eine durchaus einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Groſsbritannien zurückführt“. Er behauptet, daſs man in Britannien die Bronze erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Aus- schmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, daſs man in Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und daſs die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden seien.
„Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Ge- schlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich
1) Die Kultur der Bronzezeit Nord- und Mitteleuropas. Chemisch- antiqua- rische Studien über unsere vorgeschichtliche Vergangenheit und deren Bergbau, Hüttenkunde, Technik und Handel von Dr. F. Wibel, Kiel 1865.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0610"n="588"/><fwplace="top"type="header">Einleitung zum Mittelalter.</fw><lb/>
würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben,<lb/>
wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das<lb/>
heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische<lb/>
Gelehrte, welche eine originelle, <hirendition="#g">keltische</hi> Bronzeindustrie, die älter<lb/>
sei als der südöstliche Einfluſs auf die Bewohner Europas, lehrten.<lb/>
Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische<lb/>
Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden,<lb/>
der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen<lb/>
worden. Um so lebhafter wurde dieser Streit von den „nordischen Ge-<lb/>
lehrten“, das heiſst von den skandinavischen Archäologen aufgenommen<lb/>
und haben diese durch ihre groſse Rührigkeit einen nicht unbeträcht-<lb/>
lichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben<lb/>
die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters<lb/>
in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen<lb/>
aber weiter und behaupteten auſser der Priorität der Bronze auch, daſs<lb/>
die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem<lb/>
die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die her-<lb/>
vorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heiſs-<lb/>
sporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, daſs die<lb/>
Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von<lb/>
diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.</p><lb/><p>Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegen-<lb/>
stand näher eingehen.</p><lb/><p>Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende<lb/>
Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte<lb/>
vorgetragen und verteidigt worden ist <noteplace="foot"n="1)">Die Kultur der Bronzezeit Nord- und Mitteleuropas. Chemisch- antiqua-<lb/>
rische Studien über unsere vorgeschichtliche Vergangenheit und deren Bergbau,<lb/>
Hüttenkunde, Technik und Handel von Dr. F. Wibel, Kiel 1865.</note>. Herr Dr. Wibel behauptet<lb/>
und will beweisen, „daſs die Kultur der Bronzezeit eine durchaus<lb/>
einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Groſsbritannien<lb/>
zurückführt“. Er behauptet, daſs man in Britannien die Bronze<lb/>
erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Aus-<lb/>
schmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, daſs man in<lb/>
Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und daſs<lb/>
die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden<lb/>
seien.</p><lb/><p>„Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Ge-<lb/>
schlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und<lb/>
weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[588/0610]
Einleitung zum Mittelalter.
würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben,
wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das
heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische
Gelehrte, welche eine originelle, keltische Bronzeindustrie, die älter
sei als der südöstliche Einfluſs auf die Bewohner Europas, lehrten.
Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische
Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden,
der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen
worden. Um so lebhafter wurde dieser Streit von den „nordischen Ge-
lehrten“, das heiſst von den skandinavischen Archäologen aufgenommen
und haben diese durch ihre groſse Rührigkeit einen nicht unbeträcht-
lichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben
die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters
in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen
aber weiter und behaupteten auſser der Priorität der Bronze auch, daſs
die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem
die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die her-
vorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heiſs-
sporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, daſs die
Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von
diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.
Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegen-
stand näher eingehen.
Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende
Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte
vorgetragen und verteidigt worden ist 1). Herr Dr. Wibel behauptet
und will beweisen, „daſs die Kultur der Bronzezeit eine durchaus
einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Groſsbritannien
zurückführt“. Er behauptet, daſs man in Britannien die Bronze
erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Aus-
schmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, daſs man in
Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und daſs
die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden
seien.
„Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Ge-
schlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und
weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich
1) Die Kultur der Bronzezeit Nord- und Mitteleuropas. Chemisch- antiqua-
rische Studien über unsere vorgeschichtliche Vergangenheit und deren Bergbau,
Hüttenkunde, Technik und Handel von Dr. F. Wibel, Kiel 1865.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/610>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.