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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
wurde schon mehrfach gedacht. Den einfachen Hebel wendete man
schon in frühester Zeit zum Heben von Lasten 1) an, zum Ziehen von
Wasser, zum Zerbrechen feindlicher Mauern mit langen Stangen, wie
dies in ägyptischen und assyrischen Skulpturen oft abgebildet ist.
Die komplizierte Form des Hebels, die Umwandlung einer drehenden
Bewegung in eine geradlinige ist ebenfalls von unbestimmbarem Alter.
Die einfache Rolle am Kloben war Ägyptern und Assyrern bekannt
und verwendeten sie dieselbe in mannigfacher Form zum Heben von
Lasten.

Jede künstliche Hebevorrichtung galt den Alten als eine Maschine.
Vitruv 2) sagt: "Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung
von Holz, welche zur Hebung von Lasten die grössten Vorteile gewährt.
Sie wird auf künstliche Weise in Thätigkeit gesetzt, nämlich durch
Kreisumdrehung." Er unterscheidet Gerüste, pneumatische Hebezeuge
und Hebemaschinen, zu letzteren gehört der Haspel, aber auch schon
das Zahnradgetriebe, griechisch Anisokyklen. Winden, Pressen und
Hebel, die er bei dieser Gelegenheit gleichfalls erwähnt, rechnet er
nicht zu den Maschinen, sondern zu den Instrumenten.

Als erste und wichtigste Hebemaschine beschreibt Vitruv 3) den
Flaschenzug 4): "Man bindet dann oben (an das Balkenwerk) einen
Flaschenzugskloben (Schere), welchen einige Rechamus nennen, an,
und fügt in denselben zwei sich um ihre besonderen Achsen drehenden
Rollen ein und schlägt das Zugseil um die obere Rolle, dann zieht
man das Seil herab und schlägt es um die Rolle einer unteren Schere,
in deren Ring es festgebunden wird, das andere Ende des Seiles wird
zwischen die beiden Balken und zwar an deren unteres Ende geführt.
Der Flaschenzug wird, um grosse Lasten zu heben, mit einem Haspel
in Verbindung gebracht. An der Rückseite der rechtwinkelig be-
hauenen Balken heftet man da, wo sie sich schon weit genug ausein-
anderspreizen, Zapfenlager an, in welche man die Zapfen eines Haspels
einsteckt, so dass deren Achsen sich leicht drehen. Dieser Haspel hat
zunächst an den Zapfen je zwei Löcher, die so eingeschnitten sind, dass
Hebel in dieselben hineingesteckt werden können. An der unteren

1) Vitruv lib. 10, cap. 3, 2. "Ein Beispiel bietet auch die eiserne Hebestange
dar. Bringt man diese an eine Last, welche eine Masse von Händen nicht be-
wegen kann, legt dann als Drehungspunkt eine Druckunterlage, welche die Griechen
Hypomachlium nennen, unter, und bringt die gebogene Spitze der Hebestange
unter die Last, so lüpft die Stange, wenn ein einziger Mensch das obere Ende
niederdrückt, die Last."
2) Vitruv, lib. X, cap. I.
3) Vitruv de architectura,
lib. X, cap. V.
4) Dieser (Polyspastes, mekhanema poluspaston) galt als eine Er-
findung des Archimedes.

Italien und die Römer.
wurde schon mehrfach gedacht. Den einfachen Hebel wendete man
schon in frühester Zeit zum Heben von Lasten 1) an, zum Ziehen von
Wasser, zum Zerbrechen feindlicher Mauern mit langen Stangen, wie
dies in ägyptischen und assyrischen Skulpturen oft abgebildet ist.
Die komplizierte Form des Hebels, die Umwandlung einer drehenden
Bewegung in eine geradlinige ist ebenfalls von unbestimmbarem Alter.
Die einfache Rolle am Kloben war Ägyptern und Assyrern bekannt
und verwendeten sie dieselbe in mannigfacher Form zum Heben von
Lasten.

Jede künstliche Hebevorrichtung galt den Alten als eine Maschine.
Vitruv 2) sagt: „Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung
von Holz, welche zur Hebung von Lasten die gröſsten Vorteile gewährt.
Sie wird auf künstliche Weise in Thätigkeit gesetzt, nämlich durch
Kreisumdrehung.“ Er unterscheidet Gerüste, pneumatische Hebezeuge
und Hebemaschinen, zu letzteren gehört der Haspel, aber auch schon
das Zahnradgetriebe, griechisch Anisokyklen. Winden, Pressen und
Hebel, die er bei dieser Gelegenheit gleichfalls erwähnt, rechnet er
nicht zu den Maschinen, sondern zu den Instrumenten.

Als erste und wichtigste Hebemaschine beschreibt Vitruv 3) den
Flaschenzug 4): „Man bindet dann oben (an das Balkenwerk) einen
Flaschenzugskloben (Schere), welchen einige Rechamus nennen, an,
und fügt in denselben zwei sich um ihre besonderen Achsen drehenden
Rollen ein und schlägt das Zugseil um die obere Rolle, dann zieht
man das Seil herab und schlägt es um die Rolle einer unteren Schere,
in deren Ring es festgebunden wird, das andere Ende des Seiles wird
zwischen die beiden Balken und zwar an deren unteres Ende geführt.
Der Flaschenzug wird, um groſse Lasten zu heben, mit einem Haspel
in Verbindung gebracht. An der Rückseite der rechtwinkelig be-
hauenen Balken heftet man da, wo sie sich schon weit genug ausein-
anderspreizen, Zapfenlager an, in welche man die Zapfen eines Haspels
einsteckt, so daſs deren Achsen sich leicht drehen. Dieser Haspel hat
zunächst an den Zapfen je zwei Löcher, die so eingeschnitten sind, daſs
Hebel in dieselben hineingesteckt werden können. An der unteren

1) Vitruv lib. 10, cap. 3, 2. „Ein Beispiel bietet auch die eiserne Hebestange
dar. Bringt man diese an eine Last, welche eine Masse von Händen nicht be-
wegen kann, legt dann als Drehungspunkt eine Druckunterlage, welche die Griechen
Hypomachlium nennen, unter, und bringt die gebogene Spitze der Hebestange
unter die Last, so lüpft die Stange, wenn ein einziger Mensch das obere Ende
niederdrückt, die Last.“
2) Vitruv, lib. X, cap. I.
3) Vitruv de architectura,
lib. X, cap. V.
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findung des Archimedes.
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[574/0596] Italien und die Römer. wurde schon mehrfach gedacht. Den einfachen Hebel wendete man schon in frühester Zeit zum Heben von Lasten 1) an, zum Ziehen von Wasser, zum Zerbrechen feindlicher Mauern mit langen Stangen, wie dies in ägyptischen und assyrischen Skulpturen oft abgebildet ist. Die komplizierte Form des Hebels, die Umwandlung einer drehenden Bewegung in eine geradlinige ist ebenfalls von unbestimmbarem Alter. Die einfache Rolle am Kloben war Ägyptern und Assyrern bekannt und verwendeten sie dieselbe in mannigfacher Form zum Heben von Lasten. Jede künstliche Hebevorrichtung galt den Alten als eine Maschine. Vitruv 2) sagt: „Eine Maschine ist eine zusammenhängende Verbindung von Holz, welche zur Hebung von Lasten die gröſsten Vorteile gewährt. Sie wird auf künstliche Weise in Thätigkeit gesetzt, nämlich durch Kreisumdrehung.“ Er unterscheidet Gerüste, pneumatische Hebezeuge und Hebemaschinen, zu letzteren gehört der Haspel, aber auch schon das Zahnradgetriebe, griechisch Anisokyklen. Winden, Pressen und Hebel, die er bei dieser Gelegenheit gleichfalls erwähnt, rechnet er nicht zu den Maschinen, sondern zu den Instrumenten. Als erste und wichtigste Hebemaschine beschreibt Vitruv 3) den Flaschenzug 4): „Man bindet dann oben (an das Balkenwerk) einen Flaschenzugskloben (Schere), welchen einige Rechamus nennen, an, und fügt in denselben zwei sich um ihre besonderen Achsen drehenden Rollen ein und schlägt das Zugseil um die obere Rolle, dann zieht man das Seil herab und schlägt es um die Rolle einer unteren Schere, in deren Ring es festgebunden wird, das andere Ende des Seiles wird zwischen die beiden Balken und zwar an deren unteres Ende geführt. Der Flaschenzug wird, um groſse Lasten zu heben, mit einem Haspel in Verbindung gebracht. An der Rückseite der rechtwinkelig be- hauenen Balken heftet man da, wo sie sich schon weit genug ausein- anderspreizen, Zapfenlager an, in welche man die Zapfen eines Haspels einsteckt, so daſs deren Achsen sich leicht drehen. Dieser Haspel hat zunächst an den Zapfen je zwei Löcher, die so eingeschnitten sind, daſs Hebel in dieselben hineingesteckt werden können. An der unteren 1) Vitruv lib. 10, cap. 3, 2. „Ein Beispiel bietet auch die eiserne Hebestange dar. Bringt man diese an eine Last, welche eine Masse von Händen nicht be- wegen kann, legt dann als Drehungspunkt eine Druckunterlage, welche die Griechen Hypomachlium nennen, unter, und bringt die gebogene Spitze der Hebestange unter die Last, so lüpft die Stange, wenn ein einziger Mensch das obere Ende niederdrückt, die Last.“ 2) Vitruv, lib. X, cap. I. 3) Vitruv de architectura, lib. X, cap. V. 4) Dieser (Polyspastes, μηχάνημα πολύσπαστον) galt als eine Er- findung des Archimedes.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/596>, abgerufen am 22.11.2024.