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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Italien und die Römer.
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus-
ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, dass sich die
dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines
starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere
Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch
mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht
vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fussende in den
Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die
Waffe aus dem Schilde zu reissen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da
die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte
der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum
war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle
Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach
[Abbildung] Fig. 149.
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er-
langt werden. Anders war dies bei den leichten
Wurfspiessen der Leichtbewaffneten und Reiter,
die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.

Die Konstruktion des Pilums giebt einen
Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen
Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der
Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch
etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel
und das breite Heft, welches mit dem Holze ver-
bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über
diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt,
in der Weise übergestrippt, dass die Stahlspitze
erst angeschweisst werden konnte, nachdem die
Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab-
bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146
Nr. 14, 15).

Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie
Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, dass eher das
Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).

Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des
Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-

1) Caes. bel. Gal. I, 25.
2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau
unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine
Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich
Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.)
waren.

Italien und die Römer.
des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus-
ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die
dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines
starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere
Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch
mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht
vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den
Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die
Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da
die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte
der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum
war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle
Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach
[Abbildung] Fig. 149.
glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er-
langt werden. Anders war dies bei den leichten
Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter,
die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden.

Die Konstruktion des Pilums giebt einen
Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen
Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der
Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch
etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel
und das breite Heft, welches mit dem Holze ver-
bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über
diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt,
in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze
erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die
Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab-
bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146
Nr. 14, 15).

Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie
Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das
Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2).

Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des
Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun-

1) Caes. bel. Gal. I, 25.
2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau
unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine
Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich
Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.)
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[553/0575] Italien und die Römer. des Gegners, so verhinderten einerseits die Widerhaken das Heraus- ziehen, andererseits bewirkte der schwere lange Schaft, daſs sich die dünne Eisenstange, die unterhalb der Stahlspitze nur die Stärke eines starken Federkiels hatte, umbog 1), in beiden Fällen zog die schwere Lanze den Arm des Schildträgers nieder und wenn der Getroffene auch mit Anstrengung seinen Arm hoch hielt, so vermochte er doch nicht vorwärts zu schreiten, weil sich die eiserne Spitze am Fuſsende in den Boden einbohrte. Gelang es ihm aber auch im günstigsten Fall die Waffe aus dem Schilde zu reiſsen, so war dieselbe für ihn nutzlos, da die Spitze krumm gebogen war. Den Moment der Wehrlosigkeit benutzte der Pilite um mit dem Schwert auf den Gegner einzuspringen. Das Pilum war daher bei der damaligen Kampfweise eine höchst wirkungsvolle Waffe, freilich auch eine kostspielige, denn sie konnte höchstens nach [Abbildung Fig. 149.] glücklicher Beendigung des Kampfes wieder er- langt werden. Anders war dies bei den leichten Wurfspieſsen der Leichtbewaffneten und Reiter, die mit Hilfe eines Lederriemens geworfen wurden. Die Konstruktion des Pilums giebt einen Beweis für die Kunstfertigkeit der römischen Eisenschmiede. Bei dem normalen Pilum der Legionare, wie es auch Polybios, wenn auch etwas unklar, beschreibt, bestehen Spitze, Stiel und das breite Heft, welches mit dem Holze ver- bunden wurde, aus einem Schmiedestücke, über diese ist die Zwinge, welche den Schaft schützt, in der Weise übergestrippt, daſs die Stahlspitze erst angeschweiſst werden konnte, nachdem die Zwinge übergestrippt war. Nebenstehende Ab- bildungen geben die nähere Erläuterung (Fig. 146 Nr. 14, 15). Das Eisen des Pilums war tief in den Schaft eingelassen und wie Polybios bemerkt, so fest mit dem Holze verbunden, daſs eher das Eisen brach, als diese Verbindung sich löste 2). Dies zeigt unsere Fig. 149, welche bei a den eisernen Fortsatz des Pilums, die Zunge, angiebt, bei b die Art wie diese mit dem Holze verbun- 1) Caes. bel. Gal. I, 25. 2) Zwei Pila sind in dem interessanten Pfahlbau unterhalb Mainz, dem Dimeser Ort, gefunden worden, woselbst man auch eine Schwertklinge, Dolchklingen und Pfeilspitzen von Eisen auffand; dabei fanden sich Münzen, von denen die jüngsten aus der Zeit des Lucius verus (161 bis 169 n. Chr.) waren.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/575>, abgerufen am 22.11.2024.