Quiris ist gleichbedeutend mit unserem deutschen Worte Spiess, es war kein militärischer Terminus, vielmehr war es die Waffe, die jeder römische Bürger tragen durfte. Dies war also eine Auszeichnung gegenüber den Plebejern, in dem Sinne war Quirites ursprünglich ein Ehrentitel, mit dem die freien Römer angesprochen wurden; später aber bekam es, ganz wie bei uns, im Gegensatze zum Militär die ge- ringschätzende Bedeutung "Spiessbürger". Eine ordonnanzmässige Speerform scheint selbst in der Kaiserzeit nicht bestanden zu haben, die gefundenen Speerspitzen sind von grösster Mannigfaltigkeit. Eher wurde bei den verschiedenen Lanzenarten ein Unterschied in der Länge des Schaftes und im Gewichte der Waffe gemacht.
Die Hasta der Leichtbewaffneten hatte einen 1 Zoll dicken, 4 Fuss langen Holzschaft und eine eherne oder eiserne Spitze, sowie einen Schuh von dem entsprechenden Metall am Fussende. Die Lanzen der Schwerbewaffneten (triarii und hastati) waren grösser.
Die Reiter trugen eine kurze Wurflanze, die an einem Riemen (amentum) befestigt war (hasta amentata 1). Die lange Stangenlanze (lancea contus) wurde erst später von den numidischen Reitern an- genommen. Neben diesen Speerformen gab es noch das gaesum, der schwere Wurfspiess, ferner einen kleinen Speer, die hasta velitaris (veri- culum, verutum), und die leichte Wurflanze, jaculum. Ferner der sonderbare Wurfpfeil (martiobarbulus), eine eiserne Spitze mit Wider- haken, der mit Blei beschwert war und einen kurzen Holzschaft hatte (Fig. 146 Nr. 22). Er wurde aus der Hand geworfen 2). Vor allem aber gehört hierher das Pilum, von dem wir nachher ausführlicher handeln werden.
Die mannigfaltigen Formen der aufgefundenen eisernen Lanzen- spitzen zu klassifizieren, ist vorläufig noch nicht möglich, es scheint nicht, dass es ordonnanzmässige Formen für die einzelnen Waffen gab, vielmehr hatte jeder dafür zu sorgen, dass seine Waffe seiner Körper- grösse und Kraft entsprach und ihrem Zwecke diente. Nur im all- gemeinen lassen sich vorläufig Unterscheidungen treffen.
Die Hasta hatte meist eine blattförmige Gestalt, mit schärferer oder breiterer Mittelrippe und runder, hohler Tülle (Fig. 146 Nr. 17, 18, 19, 21, und Fig. 153 Nr. 1, 2, 3).
Die leichte Wurflanze, das Verutum des Vegetius, hatte eine drei- eckige oder viereckige Spitze gleich vielen Pfeilspitzen und ähnlich der
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres während der Kaiserzeit, S. 14 und Tab. V, Nro. 1, die Abbildung des Legionars Flavoleus.
2) Vegetius, de re milit., lib. I, c. 17 u. lib. III, c. 14.
Italien und die Römer.
Quiris ist gleichbedeutend mit unserem deutschen Worte Spieſs, es war kein militärischer Terminus, vielmehr war es die Waffe, die jeder römische Bürger tragen durfte. Dies war also eine Auszeichnung gegenüber den Plebejern, in dem Sinne war Quirites ursprünglich ein Ehrentitel, mit dem die freien Römer angesprochen wurden; später aber bekam es, ganz wie bei uns, im Gegensatze zum Militär die ge- ringschätzende Bedeutung „Spieſsbürger“. Eine ordonnanzmäſsige Speerform scheint selbst in der Kaiserzeit nicht bestanden zu haben, die gefundenen Speerspitzen sind von gröſster Mannigfaltigkeit. Eher wurde bei den verschiedenen Lanzenarten ein Unterschied in der Länge des Schaftes und im Gewichte der Waffe gemacht.
Die Hasta der Leichtbewaffneten hatte einen 1 Zoll dicken, 4 Fuſs langen Holzschaft und eine eherne oder eiserne Spitze, sowie einen Schuh von dem entsprechenden Metall am Fuſsende. Die Lanzen der Schwerbewaffneten (triarii und hastati) waren gröſser.
Die Reiter trugen eine kurze Wurflanze, die an einem Riemen (amentum) befestigt war (hasta amentata 1). Die lange Stangenlanze (lancea contus) wurde erst später von den numidischen Reitern an- genommen. Neben diesen Speerformen gab es noch das gaesum, der schwere Wurfspieſs, ferner einen kleinen Speer, die hasta velitaris (veri- culum, verutum), und die leichte Wurflanze, jaculum. Ferner der sonderbare Wurfpfeil (martiobarbulus), eine eiserne Spitze mit Wider- haken, der mit Blei beschwert war und einen kurzen Holzschaft hatte (Fig. 146 Nr. 22). Er wurde aus der Hand geworfen 2). Vor allem aber gehört hierher das Pilum, von dem wir nachher ausführlicher handeln werden.
Die mannigfaltigen Formen der aufgefundenen eisernen Lanzen- spitzen zu klassifizieren, ist vorläufig noch nicht möglich, es scheint nicht, daſs es ordonnanzmäſsige Formen für die einzelnen Waffen gab, vielmehr hatte jeder dafür zu sorgen, daſs seine Waffe seiner Körper- gröſse und Kraft entsprach und ihrem Zwecke diente. Nur im all- gemeinen lassen sich vorläufig Unterscheidungen treffen.
Die Hasta hatte meist eine blattförmige Gestalt, mit schärferer oder breiterer Mittelrippe und runder, hohler Tülle (Fig. 146 Nr. 17, 18, 19, 21, und Fig. 153 Nr. 1, 2, 3).
Die leichte Wurflanze, das Verutum des Vegetius, hatte eine drei- eckige oder viereckige Spitze gleich vielen Pfeilspitzen und ähnlich der
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres während der Kaiserzeit, S. 14 und Tab. V, Nro. 1, die Abbildung des Legionars Flavoleus.
2) Vegetius, de re milit., lib. I, c. 17 u. lib. III, c. 14.
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Italien und die Römer.
Quiris ist gleichbedeutend mit unserem deutschen Worte Spieſs,
es war kein militärischer Terminus, vielmehr war es die Waffe, die
jeder römische Bürger tragen durfte. Dies war also eine Auszeichnung
gegenüber den Plebejern, in dem Sinne war Quirites ursprünglich ein
Ehrentitel, mit dem die freien Römer angesprochen wurden; später
aber bekam es, ganz wie bei uns, im Gegensatze zum Militär die ge-
ringschätzende Bedeutung „Spieſsbürger“. Eine ordonnanzmäſsige
Speerform scheint selbst in der Kaiserzeit nicht bestanden zu haben,
die gefundenen Speerspitzen sind von gröſster Mannigfaltigkeit. Eher
wurde bei den verschiedenen Lanzenarten ein Unterschied in der Länge
des Schaftes und im Gewichte der Waffe gemacht.
Die Hasta der Leichtbewaffneten hatte einen 1 Zoll dicken, 4 Fuſs
langen Holzschaft und eine eherne oder eiserne Spitze, sowie einen
Schuh von dem entsprechenden Metall am Fuſsende. Die Lanzen der
Schwerbewaffneten (triarii und hastati) waren gröſser.
Die Reiter trugen eine kurze Wurflanze, die an einem Riemen
(amentum) befestigt war (hasta amentata 1). Die lange Stangenlanze
(lancea contus) wurde erst später von den numidischen Reitern an-
genommen. Neben diesen Speerformen gab es noch das gaesum, der
schwere Wurfspieſs, ferner einen kleinen Speer, die hasta velitaris (veri-
culum, verutum), und die leichte Wurflanze, jaculum. Ferner der
sonderbare Wurfpfeil (martiobarbulus), eine eiserne Spitze mit Wider-
haken, der mit Blei beschwert war und einen kurzen Holzschaft hatte
(Fig. 146 Nr. 22). Er wurde aus der Hand geworfen 2). Vor allem
aber gehört hierher das Pilum, von dem wir nachher ausführlicher
handeln werden.
Die mannigfaltigen Formen der aufgefundenen eisernen Lanzen-
spitzen zu klassifizieren, ist vorläufig noch nicht möglich, es scheint
nicht, daſs es ordonnanzmäſsige Formen für die einzelnen Waffen gab,
vielmehr hatte jeder dafür zu sorgen, daſs seine Waffe seiner Körper-
gröſse und Kraft entsprach und ihrem Zwecke diente. Nur im all-
gemeinen lassen sich vorläufig Unterscheidungen treffen.
Die Hasta hatte meist eine blattförmige Gestalt, mit schärferer
oder breiterer Mittelrippe und runder, hohler Tülle (Fig. 146 Nr. 17,
18, 19, 21, und Fig. 153 Nr. 1, 2, 3).
Die leichte Wurflanze, das Verutum des Vegetius, hatte eine drei-
eckige oder viereckige Spitze gleich vielen Pfeilspitzen und ähnlich der
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres während der
Kaiserzeit, S. 14 und Tab. V, Nro. 1, die Abbildung des Legionars Flavoleus.
2) Vegetius, de re milit., lib. I, c. 17 u. lib. III, c. 14.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/572>, abgerufen am 22.11.2024.
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