Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Griechenland.
Bewunderung der Besucher des delphischen Heiligtums erwecken konnte,
da doch nur das geübte Auge eines Sachkundigen den Unterschied
zwischen Lötung, Schweissung und Vernietung, wenn letztere sorgfältig
gemacht und die Köpfe der Nieten versenkt oder abgefeilt sind, er-
kennen kann. Wir würden daher der Ansicht, dass hier Tauschierung
gemeint sei, beistimmen können, wenn wir nur die einzige Stelle des
Herodot hätten. Da wir aber daneben die Stelle des Pausanias haben,
der eine anschauliche Beschreibung vom Aufbau des Untersatzes giebt
und dieser nichts von eingelegter Arbeit, auch kein anderes Metall als
Eisen erwähnt, während die Tauschierung doch mit Gold, Silber,
Kupfer oder Zinn hätte ausgeführt sein müssen -- vielmehr hebt er
gerade die Art der Verbindung der Eisenteile als charakteristisch her-
vor, nämlich, dass sie nicht durch Spangen, noch durch Stifte, sondern
nur durch Lötung hervorgebracht wäre -- so kann von eingelegter Arbeit
an dieser Stelle nicht die Rede sein. An Schweissung dürfen wir eben-
sowenig denken, da die Kenntnis der Schweissbarkeit des Eisens viel
älter ist und sich nicht auf eine Erfindung im siebenten Jahrhundert
zurückführen lässt. So lange, als man eiserne Waffen herzustellen ver-
stand, so lange kannte man auch die Schweissung des Eisens. Wir
müssen also der allgemeinen und ältesten Ansicht beipflichten, welche
kollesis siderou an dieser Stelle mit Lötung des Eisens übersetzt.
Auch hegen wir kein Bedenken, dass diese Kunst wirklich erst von
Glaukos aus Chios im siebenten Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde.
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, dass die Lötung von Kupfer und
Bronze, wozu man ein viel leichtschmelzigeres Lot verwenden kann, älter
ist und dass diese den Glaukos zu der Lötung des Eisens geführt habe.
Die Ausgrabungen Schliemanns bestätigen es übrigens, dass in älterer Zeit
die Verbindung der Metalle nur durch Vernietung mittels Stiften ge-
schah, wie wir uns auch an dem berühmten Schild des Achilles alle die
verschiedenen Bilder und Metalle aufgenietet denken müssen. Keiner
der alten Schriftsteller zieht die so bestimmt ausgesprochene Angabe
des Herodot über die Erfindung des Glaukos in Zweifel und bei allem
Misstrauen gegen derartige Überlieferungen haben wir in diesem Falle
keinen Grund hierfür. Die Erfindung der Lötung des Eisens durch
Glaukos von Chios (um 600 v. Chr.) dürfen wir demnach als einen
wirklichen technischen Fortschritt der Griechen auf dem Gebiete der
Eisenindustrie acceptieren. Diese Zeit kann überhaupt als die Zeit
der grössten technischen Fortschritte auf dem Gebiete der metallurgi-
schen Technik in Griechenland bezeichnet werden. Namentlich ent-
wickelte sich im siebenten und sechsten Jahrhundert der Erzguss da-

Griechenland.
Bewunderung der Besucher des delphischen Heiligtums erwecken konnte,
da doch nur das geübte Auge eines Sachkundigen den Unterschied
zwischen Lötung, Schweiſsung und Vernietung, wenn letztere sorgfältig
gemacht und die Köpfe der Nieten versenkt oder abgefeilt sind, er-
kennen kann. Wir würden daher der Ansicht, daſs hier Tauschierung
gemeint sei, beistimmen können, wenn wir nur die einzige Stelle des
Herodot hätten. Da wir aber daneben die Stelle des Pausanias haben,
der eine anschauliche Beschreibung vom Aufbau des Untersatzes giebt
und dieser nichts von eingelegter Arbeit, auch kein anderes Metall als
Eisen erwähnt, während die Tauschierung doch mit Gold, Silber,
Kupfer oder Zinn hätte ausgeführt sein müssen — vielmehr hebt er
gerade die Art der Verbindung der Eisenteile als charakteristisch her-
vor, nämlich, daſs sie nicht durch Spangen, noch durch Stifte, sondern
nur durch Lötung hervorgebracht wäre — so kann von eingelegter Arbeit
an dieser Stelle nicht die Rede sein. An Schweiſsung dürfen wir eben-
sowenig denken, da die Kenntnis der Schweiſsbarkeit des Eisens viel
älter ist und sich nicht auf eine Erfindung im siebenten Jahrhundert
zurückführen läſst. So lange, als man eiserne Waffen herzustellen ver-
stand, so lange kannte man auch die Schweiſsung des Eisens. Wir
müssen also der allgemeinen und ältesten Ansicht beipflichten, welche
κόλλησις σιδήρου an dieser Stelle mit Lötung des Eisens übersetzt.
Auch hegen wir kein Bedenken, daſs diese Kunst wirklich erst von
Glaukos aus Chios im siebenten Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde.
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, daſs die Lötung von Kupfer und
Bronze, wozu man ein viel leichtschmelzigeres Lot verwenden kann, älter
ist und daſs diese den Glaukos zu der Lötung des Eisens geführt habe.
Die Ausgrabungen Schliemanns bestätigen es übrigens, daſs in älterer Zeit
die Verbindung der Metalle nur durch Vernietung mittels Stiften ge-
schah, wie wir uns auch an dem berühmten Schild des Achilles alle die
verschiedenen Bilder und Metalle aufgenietet denken müssen. Keiner
der alten Schriftsteller zieht die so bestimmt ausgesprochene Angabe
des Herodot über die Erfindung des Glaukos in Zweifel und bei allem
Miſstrauen gegen derartige Überlieferungen haben wir in diesem Falle
keinen Grund hierfür. Die Erfindung der Lötung des Eisens durch
Glaukos von Chios (um 600 v. Chr.) dürfen wir demnach als einen
wirklichen technischen Fortschritt der Griechen auf dem Gebiete der
Eisenindustrie acceptieren. Diese Zeit kann überhaupt als die Zeit
der gröſsten technischen Fortschritte auf dem Gebiete der metallurgi-
schen Technik in Griechenland bezeichnet werden. Namentlich ent-
wickelte sich im siebenten und sechsten Jahrhundert der Erzguſs da-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0454" n="432"/><fw place="top" type="header">Griechenland.</fw><lb/>
Bewunderung der Besucher des delphischen Heiligtums erwecken konnte,<lb/>
da doch nur das geübte Auge eines Sachkundigen den Unterschied<lb/>
zwischen Lötung, Schwei&#x017F;sung und Vernietung, wenn letztere sorgfältig<lb/>
gemacht und die Köpfe der Nieten versenkt oder abgefeilt sind, er-<lb/>
kennen kann. Wir würden daher der Ansicht, da&#x017F;s hier Tauschierung<lb/>
gemeint sei, beistimmen können, wenn wir nur die einzige Stelle des<lb/>
Herodot hätten. Da wir aber daneben die Stelle des Pausanias haben,<lb/>
der eine anschauliche Beschreibung vom Aufbau des Untersatzes giebt<lb/>
und dieser nichts von eingelegter Arbeit, auch kein anderes Metall als<lb/>
Eisen erwähnt, während die Tauschierung doch mit Gold, Silber,<lb/>
Kupfer oder Zinn hätte ausgeführt sein müssen &#x2014; vielmehr hebt er<lb/>
gerade die Art der Verbindung der Eisenteile als charakteristisch her-<lb/>
vor, nämlich, da&#x017F;s sie nicht durch Spangen, noch durch Stifte, sondern<lb/>
nur durch Lötung hervorgebracht wäre &#x2014; so kann von eingelegter Arbeit<lb/>
an dieser Stelle nicht die Rede sein. An Schwei&#x017F;sung dürfen wir eben-<lb/>
sowenig denken, da die Kenntnis der Schwei&#x017F;sbarkeit des Eisens viel<lb/>
älter ist und sich nicht auf eine Erfindung im siebenten Jahrhundert<lb/>
zurückführen lä&#x017F;st. So lange, als man eiserne Waffen herzustellen ver-<lb/>
stand, so lange kannte man auch die Schwei&#x017F;sung des Eisens. Wir<lb/>
müssen also der allgemeinen und ältesten Ansicht beipflichten, welche<lb/>
&#x03BA;&#x03CC;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C3;&#x03B9;&#x03B4;&#x03AE;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C5; an dieser Stelle mit <hi rendition="#g">Lötung des Eisens</hi> übersetzt.<lb/>
Auch hegen wir kein Bedenken, da&#x017F;s diese Kunst wirklich erst von<lb/>
Glaukos aus Chios im siebenten Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde.<lb/>
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, da&#x017F;s die Lötung von Kupfer und<lb/>
Bronze, wozu man ein viel leichtschmelzigeres Lot verwenden kann, älter<lb/>
ist und da&#x017F;s diese den Glaukos zu der Lötung des Eisens geführt habe.<lb/>
Die Ausgrabungen Schliemanns bestätigen es übrigens, da&#x017F;s in älterer Zeit<lb/>
die Verbindung der Metalle nur durch Vernietung mittels Stiften ge-<lb/>
schah, wie wir uns auch an dem berühmten Schild des Achilles alle die<lb/>
verschiedenen Bilder und Metalle aufgenietet denken müssen. Keiner<lb/>
der alten Schriftsteller zieht die so bestimmt ausgesprochene Angabe<lb/>
des Herodot über die Erfindung des Glaukos in Zweifel und bei allem<lb/>
Mi&#x017F;strauen gegen derartige Überlieferungen haben wir in diesem Falle<lb/>
keinen Grund hierfür. Die Erfindung der Lötung des Eisens durch<lb/>
Glaukos von Chios (um 600 v. Chr.) dürfen wir demnach als einen<lb/>
wirklichen technischen Fortschritt der Griechen auf dem Gebiete der<lb/>
Eisenindustrie acceptieren. Diese Zeit kann überhaupt als die Zeit<lb/>
der grö&#x017F;sten technischen Fortschritte auf dem Gebiete der metallurgi-<lb/>
schen Technik in Griechenland bezeichnet werden. Namentlich ent-<lb/>
wickelte sich im siebenten und sechsten Jahrhundert der Erzgu&#x017F;s da-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0454] Griechenland. Bewunderung der Besucher des delphischen Heiligtums erwecken konnte, da doch nur das geübte Auge eines Sachkundigen den Unterschied zwischen Lötung, Schweiſsung und Vernietung, wenn letztere sorgfältig gemacht und die Köpfe der Nieten versenkt oder abgefeilt sind, er- kennen kann. Wir würden daher der Ansicht, daſs hier Tauschierung gemeint sei, beistimmen können, wenn wir nur die einzige Stelle des Herodot hätten. Da wir aber daneben die Stelle des Pausanias haben, der eine anschauliche Beschreibung vom Aufbau des Untersatzes giebt und dieser nichts von eingelegter Arbeit, auch kein anderes Metall als Eisen erwähnt, während die Tauschierung doch mit Gold, Silber, Kupfer oder Zinn hätte ausgeführt sein müssen — vielmehr hebt er gerade die Art der Verbindung der Eisenteile als charakteristisch her- vor, nämlich, daſs sie nicht durch Spangen, noch durch Stifte, sondern nur durch Lötung hervorgebracht wäre — so kann von eingelegter Arbeit an dieser Stelle nicht die Rede sein. An Schweiſsung dürfen wir eben- sowenig denken, da die Kenntnis der Schweiſsbarkeit des Eisens viel älter ist und sich nicht auf eine Erfindung im siebenten Jahrhundert zurückführen läſst. So lange, als man eiserne Waffen herzustellen ver- stand, so lange kannte man auch die Schweiſsung des Eisens. Wir müssen also der allgemeinen und ältesten Ansicht beipflichten, welche κόλλησις σιδήρου an dieser Stelle mit Lötung des Eisens übersetzt. Auch hegen wir kein Bedenken, daſs diese Kunst wirklich erst von Glaukos aus Chios im siebenten Jahrhundert v. Chr. erfunden wurde. Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, daſs die Lötung von Kupfer und Bronze, wozu man ein viel leichtschmelzigeres Lot verwenden kann, älter ist und daſs diese den Glaukos zu der Lötung des Eisens geführt habe. Die Ausgrabungen Schliemanns bestätigen es übrigens, daſs in älterer Zeit die Verbindung der Metalle nur durch Vernietung mittels Stiften ge- schah, wie wir uns auch an dem berühmten Schild des Achilles alle die verschiedenen Bilder und Metalle aufgenietet denken müssen. Keiner der alten Schriftsteller zieht die so bestimmt ausgesprochene Angabe des Herodot über die Erfindung des Glaukos in Zweifel und bei allem Miſstrauen gegen derartige Überlieferungen haben wir in diesem Falle keinen Grund hierfür. Die Erfindung der Lötung des Eisens durch Glaukos von Chios (um 600 v. Chr.) dürfen wir demnach als einen wirklichen technischen Fortschritt der Griechen auf dem Gebiete der Eisenindustrie acceptieren. Diese Zeit kann überhaupt als die Zeit der gröſsten technischen Fortschritte auf dem Gebiete der metallurgi- schen Technik in Griechenland bezeichnet werden. Namentlich ent- wickelte sich im siebenten und sechsten Jahrhundert der Erzguſs da-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/454
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/454>, abgerufen am 25.11.2024.