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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuerbeherrscher,
Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohneten Knossos
Dädalos künstlich ersann der lockigen Ariadne.
Blühende Jünglinge dort und vielgefeierte Jungfraun
Tanzeten, all' einander die Händ' an dem Knöchel sich haltend.
Schöne Gewand' umschlossen die Jünglinge, hell wie des Öles
Sanfter Glanz, und die Mädchen verhüllete zarte Leinwand.
Jegliche Tänzerin schmückt' ein lieblicher Kranz, und den Tänzern
Hingen goldene Dolch' an silbernen Riemen herunter.
Bald nun hüpfeten jene mit wohlgemessenen Tritten
Leicht herum, sowie oft die befestigte Scheibe der Töpfer
Sitzend mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie auch laufe;
Bald dann hüpfeten sie wieder in Ordnungen gegen einander.
Zahlreich stand das Gedräng' um den lieblichen Reigen versammelt,
Innig erfreut; vor ihnen auch sang ein göttlicher Sänger
Rührend die Harf'; und zween Haupttummeler tanzten im Kreise,
Wie den Gesang er begann, und dreheten sich in der Mitte.
Auch die grosse Gewalt des Stromes Okeanos schuf er
Rings am äussersten Rande des schönvollendeten Schildes.
Als er den Schild vollendet, den ungeheuren und starken;
Schuf er jetzt ihm den Harnisch, von hellerem Glanz wie des Feuers;
Schuf ihm dann auch den Helm lastvoll, der den Schläfen sich anschloss,
Schön und prangend an Kunst und zog aus Golde den Haarbusch;
Schuf ihm zuletzt auch Schienen, aus feinem Zinn gegossen.

Diese Beschreibung eines Metallkunstwerkes giebt ein überraschen-
des Bild über die Leistungsfähigkeit der Kunsttechnik zu Homers Zeit.
Denn wenn auch sicherlich die griechische Kunst noch nicht auf der
Höhe war, ein solches Werk hervorzubringen, so ist doch nicht an-
zunehmen, wenn wir auch der dichterischen Phantasie einen noch so
grossen Vorsprung einräumen, dass der Dichter ein derartiges Werk ge-
schildert haben würde, wenn er nicht Ähnliches oder wenigstens die
Versuche zu Ähnlichem gesehen hätte.

Über die Art und Weise, wie die Goldarbeiter zu Homers Zeiten
gearbeitet haben, giebt uns der Dichter nur andeutende Winke.

Er nennt neben dem khalkeus, der ja im allgemeinen auch der
Goldarbeiter ist, den khrusokhoos, den Goldarbeiter, Goldgiesser. Es
geschieht dies an der wichtigen Stelle, wo die Arbeit des Läerkes ge-
schildert wird, wie er die Hörner der Rinder mit ausgeschlagenem
Goldblech überzieht. Nestor lässt den "Goldarbeiter" Läerkes zu sich
rufen, damit er die Hörner der Opfertiere 1) mit Gold überziehe.


1) Odyssee III, 432 etc.
elthe de khalkeus
opl en khersin ekhon khalkeia, peirata tekhnes,
akmona te sphuran t eupoieton te puragren,
Griechenland.
Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuerbeherrscher,
Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohneten Knossos
Dädalos künstlich ersann der lockigen Ariadne.
Blühende Jünglinge dort und vielgefeierte Jungfraun
Tanzeten, all’ einander die Händ’ an dem Knöchel sich haltend.
Schöne Gewand’ umschlossen die Jünglinge, hell wie des Öles
Sanfter Glanz, und die Mädchen verhüllete zarte Leinwand.
Jegliche Tänzerin schmückt’ ein lieblicher Kranz, und den Tänzern
Hingen goldene Dolch’ an silbernen Riemen herunter.
Bald nun hüpfeten jene mit wohlgemessenen Tritten
Leicht herum, sowie oft die befestigte Scheibe der Töpfer
Sitzend mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie auch laufe;
Bald dann hüpfeten sie wieder in Ordnungen gegen einander.
Zahlreich stand das Gedräng’ um den lieblichen Reigen versammelt,
Innig erfreut; vor ihnen auch sang ein göttlicher Sänger
Rührend die Harf’; und zween Haupttummeler tanzten im Kreise,
Wie den Gesang er begann, und dreheten sich in der Mitte.
Auch die groſse Gewalt des Stromes Okeanos schuf er
Rings am äuſsersten Rande des schönvollendeten Schildes.
Als er den Schild vollendet, den ungeheuren und starken;
Schuf er jetzt ihm den Harnisch, von hellerem Glanz wie des Feuers;
Schuf ihm dann auch den Helm lastvoll, der den Schläfen sich anschloſs,
Schön und prangend an Kunst und zog aus Golde den Haarbusch;
Schuf ihm zuletzt auch Schienen, aus feinem Zinn gegossen.

Diese Beschreibung eines Metallkunstwerkes giebt ein überraschen-
des Bild über die Leistungsfähigkeit der Kunsttechnik zu Homers Zeit.
Denn wenn auch sicherlich die griechische Kunst noch nicht auf der
Höhe war, ein solches Werk hervorzubringen, so ist doch nicht an-
zunehmen, wenn wir auch der dichterischen Phantasie einen noch so
groſsen Vorsprung einräumen, daſs der Dichter ein derartiges Werk ge-
schildert haben würde, wenn er nicht Ähnliches oder wenigstens die
Versuche zu Ähnlichem gesehen hätte.

Über die Art und Weise, wie die Goldarbeiter zu Homers Zeiten
gearbeitet haben, giebt uns der Dichter nur andeutende Winke.

Er nennt neben dem χαλκεύς, der ja im allgemeinen auch der
Goldarbeiter ist, den χρυσοχόος, den Goldarbeiter, Goldgieſser. Es
geschieht dies an der wichtigen Stelle, wo die Arbeit des Läerkes ge-
schildert wird, wie er die Hörner der Rinder mit ausgeschlagenem
Goldblech überzieht. Nestor läſst den „Goldarbeiter“ Läerkes zu sich
rufen, damit er die Hörner der Opfertiere 1) mit Gold überziehe.


1) Odyssee III, 432 etc.
ἦλϑε δὲ χαλκεὺς
ὅπλ̛ ἐν χερσὶν ἔχων χαλκήϊα, πείρατα τέχνης,
ἄκμονά τε σφὕράν τ̛ εὐποίητόν τε πυράγρην,
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[391/0413] Griechenland. Einen Reigen auch schlang der hinkende Feuerbeherrscher, Jenem gleich, wie vordem in der weitbewohneten Knossos Dädalos künstlich ersann der lockigen Ariadne. Blühende Jünglinge dort und vielgefeierte Jungfraun Tanzeten, all’ einander die Händ’ an dem Knöchel sich haltend. Schöne Gewand’ umschlossen die Jünglinge, hell wie des Öles Sanfter Glanz, und die Mädchen verhüllete zarte Leinwand. Jegliche Tänzerin schmückt’ ein lieblicher Kranz, und den Tänzern Hingen goldene Dolch’ an silbernen Riemen herunter. Bald nun hüpfeten jene mit wohlgemessenen Tritten Leicht herum, sowie oft die befestigte Scheibe der Töpfer Sitzend mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie auch laufe; Bald dann hüpfeten sie wieder in Ordnungen gegen einander. Zahlreich stand das Gedräng’ um den lieblichen Reigen versammelt, Innig erfreut; vor ihnen auch sang ein göttlicher Sänger Rührend die Harf’; und zween Haupttummeler tanzten im Kreise, Wie den Gesang er begann, und dreheten sich in der Mitte. Auch die groſse Gewalt des Stromes Okeanos schuf er Rings am äuſsersten Rande des schönvollendeten Schildes. Als er den Schild vollendet, den ungeheuren und starken; Schuf er jetzt ihm den Harnisch, von hellerem Glanz wie des Feuers; Schuf ihm dann auch den Helm lastvoll, der den Schläfen sich anschloſs, Schön und prangend an Kunst und zog aus Golde den Haarbusch; Schuf ihm zuletzt auch Schienen, aus feinem Zinn gegossen. Diese Beschreibung eines Metallkunstwerkes giebt ein überraschen- des Bild über die Leistungsfähigkeit der Kunsttechnik zu Homers Zeit. Denn wenn auch sicherlich die griechische Kunst noch nicht auf der Höhe war, ein solches Werk hervorzubringen, so ist doch nicht an- zunehmen, wenn wir auch der dichterischen Phantasie einen noch so groſsen Vorsprung einräumen, daſs der Dichter ein derartiges Werk ge- schildert haben würde, wenn er nicht Ähnliches oder wenigstens die Versuche zu Ähnlichem gesehen hätte. Über die Art und Weise, wie die Goldarbeiter zu Homers Zeiten gearbeitet haben, giebt uns der Dichter nur andeutende Winke. Er nennt neben dem χαλκεύς, der ja im allgemeinen auch der Goldarbeiter ist, den χρυσοχόος, den Goldarbeiter, Goldgieſser. Es geschieht dies an der wichtigen Stelle, wo die Arbeit des Läerkes ge- schildert wird, wie er die Hörner der Rinder mit ausgeschlagenem Goldblech überzieht. Nestor läſst den „Goldarbeiter“ Läerkes zu sich rufen, damit er die Hörner der Opfertiere 1) mit Gold überziehe. 1) Odyssee III, 432 etc. ἦλϑε δὲ χαλκεὺς ὅπλ̛ ἐν χερσὶν ἔχων χαλκήϊα, πείρατα τέχνης, ἄκμονά τε σφὕράν τ̛ εὐποίητόν τε πυράγρην,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/413>, abgerufen am 22.11.2024.