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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
und Kabiren, die Grobhammer und Zange führten und Söhne des
Kadmos genannt werden, aus der phönizischen Mythologie in die
griechische übergegangen 1). Es sind in der griechischen Götterlehre
unklare Dämonen, welche von den Dichtern auch häufig verwechselt
werden. Sie galten als Zauberer, wie denn bei den meisten Völkern
des Altertums die Kunst der Metallgewinnung als mit Zauberei ver-
bunden angesehen wurde. Der Name Telchinen z. B., welcher von dem
Zeitworte thelgo abgeleitet ist, bedeutet mehr Zauberer als Schmelzer.
Die fremden Künstler, die zuerst Bergwerke anlegten und Erze ver-
schmolzen, wurden von den Eingeborenen als mit übernatürlichen
Kräften ausgerüstete Wesen angesehen und nicht unwahrscheinlich
verbreiteten die Fremden diese Meinung mit Absicht. Auch erhandelten
die Eingeborenen von den Phöniziern Idole und Amulette, welche meist
aus Metall waren und es kann nicht Wunder nehmen, wenn sie den
Verfertigern dieser wunderkräftigen Bildwerke überirdische Kräfte
andichteten. Die lemnischen und samothrakischen Kabiren gelten
besonders als Metallarbeiter im Dienste des Hephästos. Sie werden
"Karkinoi" d. h. "Zangenführer resp. Grobschmiede" genannt. An
diese reihen sich als verwandte Gestalten der alten griechischen Götter-
sage die Kyklopen an, denen zwar nicht der Ruhm der Erfindung der
Metalle zukommt, die aber als die geschicktesten Götterschmiede ge-
feiert werden. Hesiod nennt sie Kinder der Gäa und führt drei auf:
Brontes, Steropes und Arges. Sie schufen zuerst dem Zeus Donner
und Blitz 2). Sie waren einäugig (kuklops gleich kreisäugig), was
schon Agricola aus dem Umstande zu erklären versucht hat, dass
die alten Schmiede, wie die Feuerarbeiter zu seiner Zeit, ein Leder
mit einer runden, durch ein Glas verschlossenen Öffnung vor dem
Gesicht getragen hätten, um dieses gegen die Glut zu schützen. Nach
Homer und Theokrit waren die Kyklopen die ältesten Bewohner
Siciliens. Andere versetzen sie auf die liparischen Inseln, die meisten
jedoch geben Lemnos als ihre Heimat an, wo sie in der Nähe oder im
Innern des alten Vulkans Mosychlos hausten. Ihr Meister und Herr
war Hephästos, bei den Römern Vulkan, Sohn des Zeus und der
Juno, der von Homer als der Handwerksmeister der olympischen Götter
dargestellt wird. Schon seine äussere Gestalt ist die eines alten Grob-

1) Telchinen werden erwähnt in Lykien, auf Cypern, Kos, Kreta und zu
Likyon. Während Daktylen von Kreta aus nach Elis und Böotien, speziell nach
Thespiä und Mykalessos gewandert sein sollen (s. Diod. V, 64; Pausan. VIII,
19, 5; IX, 27, 6; Diod. V, 55; Strabo X, 472; Pausan. IX, 19, 1.)
2) Hesiod,
Theogonie 139 etc.

Griechenland.
und Kabiren, die Grobhammer und Zange führten und Söhne des
Kadmos genannt werden, aus der phönizischen Mythologie in die
griechische übergegangen 1). Es sind in der griechischen Götterlehre
unklare Dämonen, welche von den Dichtern auch häufig verwechselt
werden. Sie galten als Zauberer, wie denn bei den meisten Völkern
des Altertums die Kunst der Metallgewinnung als mit Zauberei ver-
bunden angesehen wurde. Der Name Telchinen z. B., welcher von dem
Zeitworte ϑέλγω abgeleitet ist, bedeutet mehr Zauberer als Schmelzer.
Die fremden Künstler, die zuerst Bergwerke anlegten und Erze ver-
schmolzen, wurden von den Eingeborenen als mit übernatürlichen
Kräften ausgerüstete Wesen angesehen und nicht unwahrscheinlich
verbreiteten die Fremden diese Meinung mit Absicht. Auch erhandelten
die Eingeborenen von den Phöniziern Idole und Amulette, welche meist
aus Metall waren und es kann nicht Wunder nehmen, wenn sie den
Verfertigern dieser wunderkräftigen Bildwerke überirdische Kräfte
andichteten. Die lemnischen und samothrakischen Kabiren gelten
besonders als Metallarbeiter im Dienste des Hephästos. Sie werden
„Karkinoi“ d. h. „Zangenführer resp. Grobschmiede“ genannt. An
diese reihen sich als verwandte Gestalten der alten griechischen Götter-
sage die Kyklopen an, denen zwar nicht der Ruhm der Erfindung der
Metalle zukommt, die aber als die geschicktesten Götterschmiede ge-
feiert werden. Hesiod nennt sie Kinder der Gäa und führt drei auf:
Brontes, Steropes und Arges. Sie schufen zuerst dem Zeus Donner
und Blitz 2). Sie waren einäugig (κύκλωψ gleich kreisäugig), was
schon Agricola aus dem Umstande zu erklären versucht hat, daſs
die alten Schmiede, wie die Feuerarbeiter zu seiner Zeit, ein Leder
mit einer runden, durch ein Glas verschlossenen Öffnung vor dem
Gesicht getragen hätten, um dieses gegen die Glut zu schützen. Nach
Homer und Theokrit waren die Kyklopen die ältesten Bewohner
Siciliens. Andere versetzen sie auf die liparischen Inseln, die meisten
jedoch geben Lemnos als ihre Heimat an, wo sie in der Nähe oder im
Innern des alten Vulkans Mosychlos hausten. Ihr Meister und Herr
war Hephästos, bei den Römern Vulkan, Sohn des Zeus und der
Juno, der von Homer als der Handwerksmeister der olympischen Götter
dargestellt wird. Schon seine äuſsere Gestalt ist die eines alten Grob-

1) Telchinen werden erwähnt in Lykien, auf Cypern, Kos, Kreta und zu
Likyon. Während Daktylen von Kreta aus nach Elis und Böotien, speziell nach
Thespiä und Mykalessos gewandert sein sollen (s. Diod. V, 64; Pausan. VIII,
19, 5; IX, 27, 6; Diod. V, 55; Strabo X, 472; Pausan. IX, 19, 1.)
2) Hesiod,
Theogonie 139 etc.
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[378/0400] Griechenland. und Kabiren, die Grobhammer und Zange führten und Söhne des Kadmos genannt werden, aus der phönizischen Mythologie in die griechische übergegangen 1). Es sind in der griechischen Götterlehre unklare Dämonen, welche von den Dichtern auch häufig verwechselt werden. Sie galten als Zauberer, wie denn bei den meisten Völkern des Altertums die Kunst der Metallgewinnung als mit Zauberei ver- bunden angesehen wurde. Der Name Telchinen z. B., welcher von dem Zeitworte ϑέλγω abgeleitet ist, bedeutet mehr Zauberer als Schmelzer. Die fremden Künstler, die zuerst Bergwerke anlegten und Erze ver- schmolzen, wurden von den Eingeborenen als mit übernatürlichen Kräften ausgerüstete Wesen angesehen und nicht unwahrscheinlich verbreiteten die Fremden diese Meinung mit Absicht. Auch erhandelten die Eingeborenen von den Phöniziern Idole und Amulette, welche meist aus Metall waren und es kann nicht Wunder nehmen, wenn sie den Verfertigern dieser wunderkräftigen Bildwerke überirdische Kräfte andichteten. Die lemnischen und samothrakischen Kabiren gelten besonders als Metallarbeiter im Dienste des Hephästos. Sie werden „Karkinoi“ d. h. „Zangenführer resp. Grobschmiede“ genannt. An diese reihen sich als verwandte Gestalten der alten griechischen Götter- sage die Kyklopen an, denen zwar nicht der Ruhm der Erfindung der Metalle zukommt, die aber als die geschicktesten Götterschmiede ge- feiert werden. Hesiod nennt sie Kinder der Gäa und führt drei auf: Brontes, Steropes und Arges. Sie schufen zuerst dem Zeus Donner und Blitz 2). Sie waren einäugig (κύκλωψ gleich kreisäugig), was schon Agricola aus dem Umstande zu erklären versucht hat, daſs die alten Schmiede, wie die Feuerarbeiter zu seiner Zeit, ein Leder mit einer runden, durch ein Glas verschlossenen Öffnung vor dem Gesicht getragen hätten, um dieses gegen die Glut zu schützen. Nach Homer und Theokrit waren die Kyklopen die ältesten Bewohner Siciliens. Andere versetzen sie auf die liparischen Inseln, die meisten jedoch geben Lemnos als ihre Heimat an, wo sie in der Nähe oder im Innern des alten Vulkans Mosychlos hausten. Ihr Meister und Herr war Hephästos, bei den Römern Vulkan, Sohn des Zeus und der Juno, der von Homer als der Handwerksmeister der olympischen Götter dargestellt wird. Schon seine äuſsere Gestalt ist die eines alten Grob- 1) Telchinen werden erwähnt in Lykien, auf Cypern, Kos, Kreta und zu Likyon. Während Daktylen von Kreta aus nach Elis und Böotien, speziell nach Thespiä und Mykalessos gewandert sein sollen (s. Diod. V, 64; Pausan. VIII, 19, 5; IX, 27, 6; Diod. V, 55; Strabo X, 472; Pausan. IX, 19, 1.) 2) Hesiod, Theogonie 139 etc.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/400>, abgerufen am 25.11.2024.