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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Griechenland.
nehmern eröffnet und betrieben worden sind. Seine Schwester Europa,
die auf dem Stier nach Westen reitet, ist das Bild der obersten phö-
nizischen Göttin Astarte, der wandernden, in die abendlichen Länder
entführten Mondgöttin, die nach phönizischem Mythus in den Kultus-
bildern auf einem Stier reitend oder mit einem Stierhaupte dargestellt
wird. Kadmos selbst aber ist -- wie wir bereits wissen -- eine phö-
nizische Gottheit, sogar dem Namen nach; er ist der phönizische Kad-
mon, "der Alte", der zu den Ophionen 1), den Schlangengöttern gehört,
worauf sich die angebliche Verwandlung des Kadmos durch Zeus in
ein Schlangenbild bezieht. Wahrscheinlich stand dieser Kadmon auch
bei den Phöniziern in einer besonderen Beziehung zu dem Bergbau, da
er in Sagen an allen den Plätzen fortlebte, wo einstmals phönizische
Bergwerke im Umgang waren, so ausser in Thasos und Thracien, zu
Samothrake, Thera und Kreta, auf Sicilien, Sardinien und in Gross-
griechenland. Wenn Kadmos von den Griechen der Erfinder des Gol-
des, der ehernen Waffen und der Buchstaben genannt wird, so beweist
dies, wie bei diesem Volke noch die Erinnerung daran fortlebte, dass
alle diese Dinge von den Phöniziern zuerst zu ihnen gekommen waren.

Neben Kadmos nennt aber die griechische Sage noch eine ganze
Reihe anderer, göttlicher Wesen als Erfinder der Metalle. Der Par-
tikularismus der griechischen Stämme tritt fast in nichts so deutlich
hervor, als in der verschiedenartigen Behandlung und Auffassung ihrer
heiligen Sagen, in der Weise, dass oft bei naheliegenden Gemeinden
dieselbe Sache unter ganz widersprechenden Formen verehrt und dar-
gestellt wurde und ganz abweichende Genealogieen und Rangordnungen
ihrer nationalen Götter sich ausbildeten. So sind auch die Sagen ihrer
metallurgischen Gottheiten, welche neben der Kadmossage herlaufen, in
ihrer Form sehr abweichend und in ihrem historischen Kern nur zum
Teil mit derselben verwandt.

Am nächsten stehen ihr, namentlich bezüglich ihrer unverkenn-
baren Herkunft aus Phönizien, die Sagen von den metallkundigen
Daktylen und Telchinen, die aus dem Dienst der Kabiren in den
phönizischen Kolonieen entstanden sind. Vielleicht waren es ursprüng-
lich Priestergesellschaften, ähnlich den Mönchsorden, die neben ihren
Religionsübungen technischen Verrichtungen oblagen. In gewisser
Beziehung könnten die Sagen von den Daktylen als eine Ergänzung
der Kadmosfabel angesehen werden, denn während Kadmos der Er-
finder des Bergbaues, des Goldes und des Erzes ist, wird den Daktylen

1) Movers, Die Phönizier I, 513, 516.

Griechenland.
nehmern eröffnet und betrieben worden sind. Seine Schwester Europa,
die auf dem Stier nach Westen reitet, ist das Bild der obersten phö-
nizischen Göttin Astarte, der wandernden, in die abendlichen Länder
entführten Mondgöttin, die nach phönizischem Mythus in den Kultus-
bildern auf einem Stier reitend oder mit einem Stierhaupte dargestellt
wird. Kadmos selbst aber ist — wie wir bereits wissen — eine phö-
nizische Gottheit, sogar dem Namen nach; er ist der phönizische Kad-
mon, „der Alte“, der zu den Ophionen 1), den Schlangengöttern gehört,
worauf sich die angebliche Verwandlung des Kadmos durch Zeus in
ein Schlangenbild bezieht. Wahrscheinlich stand dieser Kadmon auch
bei den Phöniziern in einer besonderen Beziehung zu dem Bergbau, da
er in Sagen an allen den Plätzen fortlebte, wo einstmals phönizische
Bergwerke im Umgang waren, so auſser in Thasos und Thracien, zu
Samothrake, Thera und Kreta, auf Sicilien, Sardinien und in Groſs-
griechenland. Wenn Kadmos von den Griechen der Erfinder des Gol-
des, der ehernen Waffen und der Buchstaben genannt wird, so beweist
dies, wie bei diesem Volke noch die Erinnerung daran fortlebte, daſs
alle diese Dinge von den Phöniziern zuerst zu ihnen gekommen waren.

Neben Kadmos nennt aber die griechische Sage noch eine ganze
Reihe anderer, göttlicher Wesen als Erfinder der Metalle. Der Par-
tikularismus der griechischen Stämme tritt fast in nichts so deutlich
hervor, als in der verschiedenartigen Behandlung und Auffassung ihrer
heiligen Sagen, in der Weise, daſs oft bei naheliegenden Gemeinden
dieselbe Sache unter ganz widersprechenden Formen verehrt und dar-
gestellt wurde und ganz abweichende Genealogieen und Rangordnungen
ihrer nationalen Götter sich ausbildeten. So sind auch die Sagen ihrer
metallurgischen Gottheiten, welche neben der Kadmossage herlaufen, in
ihrer Form sehr abweichend und in ihrem historischen Kern nur zum
Teil mit derselben verwandt.

Am nächsten stehen ihr, namentlich bezüglich ihrer unverkenn-
baren Herkunft aus Phönizien, die Sagen von den metallkundigen
Daktylen und Telchinen, die aus dem Dienst der Kabiren in den
phönizischen Kolonieen entstanden sind. Vielleicht waren es ursprüng-
lich Priestergesellschaften, ähnlich den Mönchsorden, die neben ihren
Religionsübungen technischen Verrichtungen oblagen. In gewisser
Beziehung könnten die Sagen von den Daktylen als eine Ergänzung
der Kadmosfabel angesehen werden, denn während Kadmos der Er-
finder des Bergbaues, des Goldes und des Erzes ist, wird den Daktylen

1) Movers, Die Phönizier I, 513, 516.
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[376/0398] Griechenland. nehmern eröffnet und betrieben worden sind. Seine Schwester Europa, die auf dem Stier nach Westen reitet, ist das Bild der obersten phö- nizischen Göttin Astarte, der wandernden, in die abendlichen Länder entführten Mondgöttin, die nach phönizischem Mythus in den Kultus- bildern auf einem Stier reitend oder mit einem Stierhaupte dargestellt wird. Kadmos selbst aber ist — wie wir bereits wissen — eine phö- nizische Gottheit, sogar dem Namen nach; er ist der phönizische Kad- mon, „der Alte“, der zu den Ophionen 1), den Schlangengöttern gehört, worauf sich die angebliche Verwandlung des Kadmos durch Zeus in ein Schlangenbild bezieht. Wahrscheinlich stand dieser Kadmon auch bei den Phöniziern in einer besonderen Beziehung zu dem Bergbau, da er in Sagen an allen den Plätzen fortlebte, wo einstmals phönizische Bergwerke im Umgang waren, so auſser in Thasos und Thracien, zu Samothrake, Thera und Kreta, auf Sicilien, Sardinien und in Groſs- griechenland. Wenn Kadmos von den Griechen der Erfinder des Gol- des, der ehernen Waffen und der Buchstaben genannt wird, so beweist dies, wie bei diesem Volke noch die Erinnerung daran fortlebte, daſs alle diese Dinge von den Phöniziern zuerst zu ihnen gekommen waren. Neben Kadmos nennt aber die griechische Sage noch eine ganze Reihe anderer, göttlicher Wesen als Erfinder der Metalle. Der Par- tikularismus der griechischen Stämme tritt fast in nichts so deutlich hervor, als in der verschiedenartigen Behandlung und Auffassung ihrer heiligen Sagen, in der Weise, daſs oft bei naheliegenden Gemeinden dieselbe Sache unter ganz widersprechenden Formen verehrt und dar- gestellt wurde und ganz abweichende Genealogieen und Rangordnungen ihrer nationalen Götter sich ausbildeten. So sind auch die Sagen ihrer metallurgischen Gottheiten, welche neben der Kadmossage herlaufen, in ihrer Form sehr abweichend und in ihrem historischen Kern nur zum Teil mit derselben verwandt. Am nächsten stehen ihr, namentlich bezüglich ihrer unverkenn- baren Herkunft aus Phönizien, die Sagen von den metallkundigen Daktylen und Telchinen, die aus dem Dienst der Kabiren in den phönizischen Kolonieen entstanden sind. Vielleicht waren es ursprüng- lich Priestergesellschaften, ähnlich den Mönchsorden, die neben ihren Religionsübungen technischen Verrichtungen oblagen. In gewisser Beziehung könnten die Sagen von den Daktylen als eine Ergänzung der Kadmosfabel angesehen werden, denn während Kadmos der Er- finder des Bergbaues, des Goldes und des Erzes ist, wird den Daktylen 1) Movers, Die Phönizier I, 513, 516.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/398>, abgerufen am 22.11.2024.