Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Griechenland.


Wenn wir uns nach dem vorausgegangenen Exkurs in fremde
Weltteile und zu mehr oder minder barbarischen Völkern jetzt Griechen-
land zuwenden, so ergreift es uns, wie wenn wir von einer langen Reise
in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben ein Recht darauf, die
Griechen als unsere Angehörigen zu betrachten. Sie haben Europa
gegründet, sie haben diesen vorgeschobenen Anhang des asiatischen
Kontinents zu einem selbständigen Weltteil gemacht, selbständig durch
seine höhere Thatkraft, herrschend durch seine höhere Bildung.
Darum verdient die Geschichte der Industrie bei den Griechen die ein-
gehendste Betrachtung; denn wenn sie selbst auch nur Schüler anderer
Kulturvölker waren, wenn ihr Sinn mehr auf das Ideale und rein
Menschliche gerichtet war und sie in der Technik des Eisens keine
grossen Fortschritte aufzuweisen haben, so wurzelt doch in dem reichen
Schatz ihrer Litteratur ein grosser Teil unserer eigenen Erkenntnis,
wie unserer eigenen Irrtümer, nicht nur auf dem theoretischen, sondern
auch auf technischem Gebiete. -- Selbst ihre Mythologie, die sie mehr
wie ein anderes Volk verarbeitet, mit dem Zauberschein poetischer
Dichtung umgeben, mit der Wärme kindlicher Poesie durchdrungen
haben, darf als eine Quelle der Erkenntnis für unseren Zweck nicht
unberücksichtigt bleiben.

Aus Westasien und Ägypten kam die Kultur nach Griechenland.
Vor allen waren es die Phönizier, welche durch ihre Kolonieen auf den
ägäischen Inseln, sowie an den Küsten von Hellas die Zivilisation Asiens
nach Europa brachten, teilweise schon zu einer Zeit, als die ägäischen
Inseln noch nicht einmal im Besitz der Hellenen waren. Cypern und
Kreta waren die ältesten und wichtigsten Ansiedelungen der Phönizier
im Mittelmeere und gerade diese Inseln waren der Ausgangspunkt der

Griechenland.


Wenn wir uns nach dem vorausgegangenen Exkurs in fremde
Weltteile und zu mehr oder minder barbarischen Völkern jetzt Griechen-
land zuwenden, so ergreift es uns, wie wenn wir von einer langen Reise
in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben ein Recht darauf, die
Griechen als unsere Angehörigen zu betrachten. Sie haben Europa
gegründet, sie haben diesen vorgeschobenen Anhang des asiatischen
Kontinents zu einem selbständigen Weltteil gemacht, selbständig durch
seine höhere Thatkraft, herrschend durch seine höhere Bildung.
Darum verdient die Geschichte der Industrie bei den Griechen die ein-
gehendste Betrachtung; denn wenn sie selbst auch nur Schüler anderer
Kulturvölker waren, wenn ihr Sinn mehr auf das Ideale und rein
Menschliche gerichtet war und sie in der Technik des Eisens keine
groſsen Fortschritte aufzuweisen haben, so wurzelt doch in dem reichen
Schatz ihrer Litteratur ein groſser Teil unserer eigenen Erkenntnis,
wie unserer eigenen Irrtümer, nicht nur auf dem theoretischen, sondern
auch auf technischem Gebiete. — Selbst ihre Mythologie, die sie mehr
wie ein anderes Volk verarbeitet, mit dem Zauberschein poetischer
Dichtung umgeben, mit der Wärme kindlicher Poesie durchdrungen
haben, darf als eine Quelle der Erkenntnis für unseren Zweck nicht
unberücksichtigt bleiben.

Aus Westasien und Ägypten kam die Kultur nach Griechenland.
Vor allen waren es die Phönizier, welche durch ihre Kolonieen auf den
ägäischen Inseln, sowie an den Küsten von Hellas die Zivilisation Asiens
nach Europa brachten, teilweise schon zu einer Zeit, als die ägäischen
Inseln noch nicht einmal im Besitz der Hellenen waren. Cypern und
Kreta waren die ältesten und wichtigsten Ansiedelungen der Phönizier
im Mittelmeere und gerade diese Inseln waren der Ausgangspunkt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0396" n="[374]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Griechenland</hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Wenn wir uns nach dem vorausgegangenen Exkurs in fremde<lb/>
Weltteile und zu mehr oder minder barbarischen Völkern jetzt Griechen-<lb/>
land zuwenden, so ergreift es uns, wie wenn wir von einer langen Reise<lb/>
in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben ein Recht darauf, die<lb/>
Griechen als unsere Angehörigen zu betrachten. Sie haben Europa<lb/>
gegründet, sie haben diesen vorgeschobenen Anhang des asiatischen<lb/>
Kontinents zu einem selbständigen Weltteil gemacht, selbständig durch<lb/>
seine höhere Thatkraft, herrschend durch seine höhere Bildung.<lb/>
Darum verdient die Geschichte der Industrie bei den Griechen die ein-<lb/>
gehendste Betrachtung; denn wenn sie selbst auch nur Schüler anderer<lb/>
Kulturvölker waren, wenn ihr Sinn mehr auf das Ideale und rein<lb/>
Menschliche gerichtet war und sie in der Technik des Eisens keine<lb/>
gro&#x017F;sen Fortschritte aufzuweisen haben, so wurzelt doch in dem reichen<lb/>
Schatz ihrer Litteratur ein gro&#x017F;ser Teil unserer eigenen Erkenntnis,<lb/>
wie unserer eigenen Irrtümer, nicht nur auf dem theoretischen, sondern<lb/>
auch auf technischem Gebiete. &#x2014; Selbst ihre Mythologie, die sie mehr<lb/>
wie ein anderes Volk verarbeitet, mit dem Zauberschein poetischer<lb/>
Dichtung umgeben, mit der Wärme kindlicher Poesie durchdrungen<lb/>
haben, darf als eine Quelle der Erkenntnis für unseren Zweck nicht<lb/>
unberücksichtigt bleiben.</p><lb/>
          <p>Aus Westasien und Ägypten kam die Kultur nach Griechenland.<lb/>
Vor allen waren es die Phönizier, welche durch ihre Kolonieen auf den<lb/>
ägäischen Inseln, sowie an den Küsten von Hellas die Zivilisation Asiens<lb/>
nach Europa brachten, teilweise schon zu einer Zeit, als die ägäischen<lb/>
Inseln noch nicht einmal im Besitz der Hellenen waren. Cypern und<lb/>
Kreta waren die ältesten und wichtigsten Ansiedelungen der Phönizier<lb/>
im Mittelmeere und gerade diese Inseln waren der Ausgangspunkt der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[374]/0396] Griechenland. Wenn wir uns nach dem vorausgegangenen Exkurs in fremde Weltteile und zu mehr oder minder barbarischen Völkern jetzt Griechen- land zuwenden, so ergreift es uns, wie wenn wir von einer langen Reise in unsere Heimat zurückkehren. Wir haben ein Recht darauf, die Griechen als unsere Angehörigen zu betrachten. Sie haben Europa gegründet, sie haben diesen vorgeschobenen Anhang des asiatischen Kontinents zu einem selbständigen Weltteil gemacht, selbständig durch seine höhere Thatkraft, herrschend durch seine höhere Bildung. Darum verdient die Geschichte der Industrie bei den Griechen die ein- gehendste Betrachtung; denn wenn sie selbst auch nur Schüler anderer Kulturvölker waren, wenn ihr Sinn mehr auf das Ideale und rein Menschliche gerichtet war und sie in der Technik des Eisens keine groſsen Fortschritte aufzuweisen haben, so wurzelt doch in dem reichen Schatz ihrer Litteratur ein groſser Teil unserer eigenen Erkenntnis, wie unserer eigenen Irrtümer, nicht nur auf dem theoretischen, sondern auch auf technischem Gebiete. — Selbst ihre Mythologie, die sie mehr wie ein anderes Volk verarbeitet, mit dem Zauberschein poetischer Dichtung umgeben, mit der Wärme kindlicher Poesie durchdrungen haben, darf als eine Quelle der Erkenntnis für unseren Zweck nicht unberücksichtigt bleiben. Aus Westasien und Ägypten kam die Kultur nach Griechenland. Vor allen waren es die Phönizier, welche durch ihre Kolonieen auf den ägäischen Inseln, sowie an den Küsten von Hellas die Zivilisation Asiens nach Europa brachten, teilweise schon zu einer Zeit, als die ägäischen Inseln noch nicht einmal im Besitz der Hellenen waren. Cypern und Kreta waren die ältesten und wichtigsten Ansiedelungen der Phönizier im Mittelmeere und gerade diese Inseln waren der Ausgangspunkt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/396
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. [374]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/396>, abgerufen am 18.12.2024.