Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Arier in Asien.
d'architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewiss, dass Mid-
hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem
ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist.
Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren
das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, dass die Säule einer weit
älteren Zeit angehört.

Über die Inschrift bemerkt Princep: "Die Sprache ist Sanskrit, die
Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten
oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur
eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen
Meissel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten,
dass die Säule so tief in die Erde hinabreicht, dass sie den König der
Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient
Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang-
pal 1051, dass die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, dass sie
das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt,
erreiche und dass, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner
Familie bestehen würde. Als Anang-pal sie aufgrub um sie zu ent-
fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt.
Da erfasste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah-
manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder
fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher
erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage
der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten 1).
Ihr Hauptsinn ist immer der, dass, so lange diese eiserne Säule steht,
soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen."

Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften
aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben
haben.

Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter
und die Entstehung des Dheli Lhat beweisen, dass die Erinnerung an
die wirkliche Herstellung dieses ausserordentlichen Schmiedestückes
verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr
hohes Alter seiner Entstehung zu schliessen. Betrachten wir die Her-
stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten
Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und
Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von
50 Fuss Länge und 11/2 Fuss Durchmesser eine staunenswerte Leistung

1) Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.

Die Arier in Asien.
d’architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewiſs, daſs Mid-
hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem
ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist.
Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren
das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, daſs die Säule einer weit
älteren Zeit angehört.

Über die Inschrift bemerkt Princep: „Die Sprache ist Sanskrit, die
Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten
oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur
eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen
Meiſsel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten,
daſs die Säule so tief in die Erde hinabreicht, daſs sie den König der
Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient
Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang-
pâl 1051, daſs die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, daſs sie
das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt,
erreiche und daſs, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner
Familie bestehen würde. Als Anang-pâl sie aufgrub um sie zu ent-
fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt.
Da erfaſste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah-
manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder
fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher
erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage
der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten 1).
Ihr Hauptsinn ist immer der, daſs, so lange diese eiserne Säule steht,
soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen.“

Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften
aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben
haben.

Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter
und die Entstehung des Dheli Lhât beweisen, daſs die Erinnerung an
die wirkliche Herstellung dieses auſserordentlichen Schmiedestückes
verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr
hohes Alter seiner Entstehung zu schlieſsen. Betrachten wir die Her-
stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten
Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und
Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von
50 Fuſs Länge und 1½ Fuſs Durchmesser eine staunenswerte Leistung

1) Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="220"/><fw place="top" type="header">Die Arier in Asien.</fw><lb/>
d&#x2019;architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewi&#x017F;s, da&#x017F;s Mid-<lb/>
hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem<lb/>
ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist.<lb/>
Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren<lb/>
das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, da&#x017F;s die Säule einer weit<lb/>
älteren Zeit angehört.</p><lb/>
          <p>Über die Inschrift bemerkt Princep: &#x201E;Die Sprache ist Sanskrit, die<lb/>
Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten<lb/>
oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur<lb/>
eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen<lb/>
Mei&#x017F;sel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten,<lb/>
da&#x017F;s die Säule so tief in die Erde hinabreicht, da&#x017F;s sie den König der<lb/>
Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient<lb/>
Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang-<lb/>
pâl 1051, da&#x017F;s die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, da&#x017F;s sie<lb/>
das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt,<lb/>
erreiche und da&#x017F;s, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner<lb/>
Familie bestehen würde. Als Anang-pâl sie aufgrub um sie zu ent-<lb/>
fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt.<lb/>
Da erfa&#x017F;ste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah-<lb/>
manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder<lb/>
fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher<lb/>
erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage<lb/>
der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten <note place="foot" n="1)">Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.</note>.<lb/>
Ihr Hauptsinn ist immer der, da&#x017F;s, so lange diese eiserne Säule steht,<lb/>
soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften<lb/>
aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p>Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter<lb/>
und die Entstehung des Dheli Lhât beweisen, da&#x017F;s die Erinnerung an<lb/>
die wirkliche Herstellung dieses au&#x017F;serordentlichen Schmiedestückes<lb/>
verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr<lb/>
hohes Alter seiner Entstehung zu schlie&#x017F;sen. Betrachten wir die Her-<lb/>
stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten<lb/>
Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und<lb/>
Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von<lb/>
50 Fu&#x017F;s Länge und 1½ Fu&#x017F;s Durchmesser eine staunenswerte Leistung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0242] Die Arier in Asien. d’architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewiſs, daſs Mid- hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist. Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, daſs die Säule einer weit älteren Zeit angehört. Über die Inschrift bemerkt Princep: „Die Sprache ist Sanskrit, die Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen Meiſsel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten, daſs die Säule so tief in die Erde hinabreicht, daſs sie den König der Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang- pâl 1051, daſs die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, daſs sie das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt, erreiche und daſs, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner Familie bestehen würde. Als Anang-pâl sie aufgrub um sie zu ent- fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt. Da erfaſste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah- manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten 1). Ihr Hauptsinn ist immer der, daſs, so lange diese eiserne Säule steht, soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen.“ Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben haben. Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter und die Entstehung des Dheli Lhât beweisen, daſs die Erinnerung an die wirkliche Herstellung dieses auſserordentlichen Schmiedestückes verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr hohes Alter seiner Entstehung zu schlieſsen. Betrachten wir die Her- stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von 50 Fuſs Länge und 1½ Fuſs Durchmesser eine staunenswerte Leistung 1) Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/242
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/242>, abgerufen am 23.11.2024.