Wir sehen aus dem angeführten, dass die Phönizier auf einer hohen Stufe metallurgischer Kenntnisse und Erfahrungen standen. Wenn nun die Nachrichten über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens spärlicher sind, so beweist dies nicht, dass die Phönizier das Eisen weniger benutzt und geschätzt hätten, sondern dass die Schriftsteller dies als selbstverständlich ansahen. Die Beweise über das Alter der Bekanntschaft des Eisens bei den Phöniziern haben wir bereits angeführt. Über die Art der Verwendung gilt zunächst alles das, was wir bei den Hebräern erwähnt haben, auch für die Phönizier. Sowohl im Gebirge des Libanon als in ihren Kolonieen gewannen sie in früher Zeit Eisen. Wie Tyrus zur Zeit Salomos die Stein- brüche im Libanon ausbeutete, so waren auch die alten Eisenberg- werke in seinem Besitze. Uralt war die phönizische Eisengewinnung an Ida in Phrygien. Ebenso gewannen sie auf Cypern neben dem Kupfer auch Eisen, wie die Sagen von den zauberkundigen Telchinen, die als Eisenschmiede berühmt waren, beweisen. Ein Irrtum ist es aber, wenn Movers in seiner vorzüglichen Geschichte der Phönizier aus einer alten Inschrift herauslesen will, dass die metallkundigen Cyprier auch bereits den Eisenguss gekannt und eiserne Götzenbilder gegossen hätten 1). Der Ausdruck nasak@ b'ar@vel (Nasach Barzel), den er mit Eisengiesser über- setzt, bedeutet 2) wirklich "dem Eisen giessen" (von yetsaq Jezak), d. h. dem eisernen Götzenbilde ein Gussopfer bringen, ganz wie dies ähnlich Jesaias 40, 19; 44, 10 vorkommt.
Der Handel mit Eisen und Stahl auf dem Markte zu Tyrus war ganz bedeutend, wie wir bereits aus der Schilderung des Ezechiel wissen. Namentlich kamen hier die feineren Eisen- oder vielmehr Stahlsorten aus dem Lande der Chalyber, aus Westarabien, vielleicht auch sogar aus Indien hin. Das Eisen war das gewöhnliche Nutzmetall und stand am geringsten im Werte. Wenn ein altes Handelsmärchen der Phönizier erzählt, die ersten Kaufleute, die nach Tartessium gekommen seien, hätten für wertlosen Tand soviel Silber eingetauscht, dass sie, um es nur alles bergen zu können, ihre Anker und Ketten zurückgelassen und sich solche von Silber angefertigt hätten, so sind hier zweifel- los nur Ketten und Anker aus dem wertlosesten Metall, aus Eisen gemeint.
Als Handelsartikel namentlich in dem Handel mit den barbarischen Völkern Europas spielte das Eisen allerdings eine untergeordnete Rolle, einesteils, weil die meisten Völker zu denen sie kamen, das
1) Movers, d. Phönizier III, 3, S. 68.
2) Nach der Erklärung des Herrn Dr. Bähr.
13*
Syrien.
Wir sehen aus dem angeführten, daſs die Phönizier auf einer hohen Stufe metallurgischer Kenntnisse und Erfahrungen standen. Wenn nun die Nachrichten über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens spärlicher sind, so beweist dies nicht, daſs die Phönizier das Eisen weniger benutzt und geschätzt hätten, sondern daſs die Schriftsteller dies als selbstverständlich ansahen. Die Beweise über das Alter der Bekanntschaft des Eisens bei den Phöniziern haben wir bereits angeführt. Über die Art der Verwendung gilt zunächst alles das, was wir bei den Hebräern erwähnt haben, auch für die Phönizier. Sowohl im Gebirge des Libanon als in ihren Kolonieen gewannen sie in früher Zeit Eisen. Wie Tyrus zur Zeit Salomos die Stein- brüche im Libanon ausbeutete, so waren auch die alten Eisenberg- werke in seinem Besitze. Uralt war die phönizische Eisengewinnung an Ida in Phrygien. Ebenso gewannen sie auf Cypern neben dem Kupfer auch Eisen, wie die Sagen von den zauberkundigen Telchinen, die als Eisenschmiede berühmt waren, beweisen. Ein Irrtum ist es aber, wenn Movers in seiner vorzüglichen Geschichte der Phönizier aus einer alten Inschrift herauslesen will, daſs die metallkundigen Cyprier auch bereits den Eisenguſs gekannt und eiserne Götzenbilder gegossen hätten 1). Der Ausdruck נָסַךְ בַּרְוֶל (Nasach Barzel), den er mit Eisengieſser über- setzt, bedeutet 2) wirklich „dem Eisen gieſsen“ (von יֶצַק Jezak), d. h. dem eisernen Götzenbilde ein Guſsopfer bringen, ganz wie dies ähnlich Jesaias 40, 19; 44, 10 vorkommt.
Der Handel mit Eisen und Stahl auf dem Markte zu Tyrus war ganz bedeutend, wie wir bereits aus der Schilderung des Ezechiel wissen. Namentlich kamen hier die feineren Eisen- oder vielmehr Stahlsorten aus dem Lande der Chalyber, aus Westarabien, vielleicht auch sogar aus Indien hin. Das Eisen war das gewöhnliche Nutzmetall und stand am geringsten im Werte. Wenn ein altes Handelsmärchen der Phönizier erzählt, die ersten Kaufleute, die nach Tartessium gekommen seien, hätten für wertlosen Tand soviel Silber eingetauscht, daſs sie, um es nur alles bergen zu können, ihre Anker und Ketten zurückgelassen und sich solche von Silber angefertigt hätten, so sind hier zweifel- los nur Ketten und Anker aus dem wertlosesten Metall, aus Eisen gemeint.
Als Handelsartikel namentlich in dem Handel mit den barbarischen Völkern Europas spielte das Eisen allerdings eine untergeordnete Rolle, einesteils, weil die meisten Völker zu denen sie kamen, das
1) Movers, d. Phönizier III, 3, S. 68.
2) Nach der Erklärung des Herrn Dr. Bähr.
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Syrien.
Wir sehen aus dem angeführten, daſs die Phönizier auf einer
hohen Stufe metallurgischer Kenntnisse und Erfahrungen standen.
Wenn nun die Nachrichten über die Gewinnung und Verarbeitung
des Eisens spärlicher sind, so beweist dies nicht, daſs die Phönizier
das Eisen weniger benutzt und geschätzt hätten, sondern daſs die
Schriftsteller dies als selbstverständlich ansahen. Die Beweise über
das Alter der Bekanntschaft des Eisens bei den Phöniziern haben wir
bereits angeführt. Über die Art der Verwendung gilt zunächst alles
das, was wir bei den Hebräern erwähnt haben, auch für die Phönizier.
Sowohl im Gebirge des Libanon als in ihren Kolonieen gewannen
sie in früher Zeit Eisen. Wie Tyrus zur Zeit Salomos die Stein-
brüche im Libanon ausbeutete, so waren auch die alten Eisenberg-
werke in seinem Besitze. Uralt war die phönizische Eisengewinnung
an Ida in Phrygien. Ebenso gewannen sie auf Cypern neben dem Kupfer
auch Eisen, wie die Sagen von den zauberkundigen Telchinen, die als
Eisenschmiede berühmt waren, beweisen. Ein Irrtum ist es aber, wenn
Movers in seiner vorzüglichen Geschichte der Phönizier aus einer alten
Inschrift herauslesen will, daſs die metallkundigen Cyprier auch bereits
den Eisenguſs gekannt und eiserne Götzenbilder gegossen hätten 1).
Der Ausdruck נָסַךְ בַּרְוֶל (Nasach Barzel), den er mit Eisengieſser über-
setzt, bedeutet 2) wirklich „dem Eisen gieſsen“ (von יֶצַק Jezak), d. h. dem
eisernen Götzenbilde ein Guſsopfer bringen, ganz wie dies ähnlich
Jesaias 40, 19; 44, 10 vorkommt.
Der Handel mit Eisen und Stahl auf dem Markte zu Tyrus war
ganz bedeutend, wie wir bereits aus der Schilderung des Ezechiel wissen.
Namentlich kamen hier die feineren Eisen- oder vielmehr Stahlsorten
aus dem Lande der Chalyber, aus Westarabien, vielleicht auch sogar aus
Indien hin. Das Eisen war das gewöhnliche Nutzmetall und stand am
geringsten im Werte. Wenn ein altes Handelsmärchen der Phönizier
erzählt, die ersten Kaufleute, die nach Tartessium gekommen seien,
hätten für wertlosen Tand soviel Silber eingetauscht, daſs sie, um es
nur alles bergen zu können, ihre Anker und Ketten zurückgelassen
und sich solche von Silber angefertigt hätten, so sind hier zweifel-
los nur Ketten und Anker aus dem wertlosesten Metall, aus Eisen
gemeint.
Als Handelsartikel namentlich in dem Handel mit den barbarischen
Völkern Europas spielte das Eisen allerdings eine untergeordnete
Rolle, einesteils, weil die meisten Völker zu denen sie kamen, das
1) Movers, d. Phönizier III, 3, S. 68.
2) Nach der Erklärung des Herrn Dr. Bähr.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/217>, abgerufen am 26.11.2024.
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