deckung dieses Metalls wird als eine der grössten Wohlthaten den Göttern zugeschrieben, von Kupfer und Erz schweigt die Erzählung des Phylon. Von El, dem grossen Gott (dem Kronos der Griechen) berichtet Phylon, er habe sich eine Sichel und eine Lanze aus Eisen gemacht, seinen Vater (Uranus) damit angegriffen und aus dem Lande getrieben. Er umgab sein Haus mit einer Mauer und gründete die erste Stadt der Phönizier, Byblos. Seinen Sohn Sadid tötete er mit einem Schwerte. Seine Schwester "Astarte die Grösste" aber fand einen vom Himmel herabgefallenen Stern (einen Meteoriten), nahm ihn auf und weihte ihn in Tyrus auf der heiligen Insel, so wurde sie die Grün- derin des ältesten Heiligtums zu Tyrus. Der obengenannte Chrysor, der Erfinder des Eisens, gehörte zu den Kabirim, d. h. die Gewaltigen, die Grossen. Es waren zunächst die sieben oberen Götter, die unter diesem Namen in ein System vereinigt waren. Obgleich dieses künstliche System der sieben Götter, denen sich als achter Esmum mit dem Schlangenstab, der Gott der Weisheit und der Schrift (Hermes Trismegistos, Asklepios Ophiurchos) anschliesst, für jünger gehalten wird, so bestand es doch schon vor der Kolonisation der griechischen Inseln, da dort der alte Glaube an die Kabiren (Daktylen, Telchinen, Kureten etc. auf Lemnos, Samotrake, Rhodos) bestand. Die Kabiren heissen Kinder des Sydik, der Gerechtigkeit, die Griechen nannten sie Kinder des Sonnengottes. Der älteste war Chrysor, der Erfinder des Eisens. Sein Name bedeutet "der Ordner". Er war der Schutzgott des Handwerkes, der Industrie, des Reichtums. Er wird auf den phö- nizischen Münzen abgebildet mit Schurzfell, Hammer und Zange (wie Hephästos). Ihm folgt in der Reihe der Kabiren seine Schwester Harmonia, die Mondgöttin mit der Sichel oder den Kuhhörnern, die wandernde Astarte, die ihr Bruder Baal Melkart, der dritte der Kabiren, sucht. Baal Melkart ist zum Teil Herkules, zum Teil Kadmos. Er gilt als der Erfinder des Steinbaues und des Bergbaues. Schiffahrt, Handel, Gewerbe und Industrie, die Grundlagen der Thätigkeit und des Wohl- standes, standen bei den Phöniziern in hohem Ansehen. Der Schützer derselben, Chrysor, wird deshalb der älteste der Kabiren genannt.
Demungeachtet darf man sich von den Kunstleistungen der Phö- nizier keine zu hohe Meinung machen. Im Kunstbau leisteten sie nichts Hervorragendes. Das Holz des Libanon war ihr Hauptbau- material, wie auch bei den Israeliten. Dadurch vernachlässigten sie den Steinbau. Was an phönizischen Steinbauten erhalten ist, trägt den Charakter des Massiven, Plumpen, Cyklopischen. Die charakteristi- schen Steinbauten der Phönizier sind massive Thürme, deren Unterbau
Syrien.
deckung dieses Metalls wird als eine der gröſsten Wohlthaten den Göttern zugeschrieben, von Kupfer und Erz schweigt die Erzählung des Phylon. Von El, dem groſsen Gott (dem Kronos der Griechen) berichtet Phylon, er habe sich eine Sichel und eine Lanze aus Eisen gemacht, seinen Vater (Uranus) damit angegriffen und aus dem Lande getrieben. Er umgab sein Haus mit einer Mauer und gründete die erste Stadt der Phönizier, Byblos. Seinen Sohn Sadid tötete er mit einem Schwerte. Seine Schwester „Astarte die Gröſste“ aber fand einen vom Himmel herabgefallenen Stern (einen Meteoriten), nahm ihn auf und weihte ihn in Tyrus auf der heiligen Insel, so wurde sie die Grün- derin des ältesten Heiligtums zu Tyrus. Der obengenannte Chrysor, der Erfinder des Eisens, gehörte zu den Kabirim, d. h. die Gewaltigen, die Groſsen. Es waren zunächst die sieben oberen Götter, die unter diesem Namen in ein System vereinigt waren. Obgleich dieses künstliche System der sieben Götter, denen sich als achter Esmum mit dem Schlangenstab, der Gott der Weisheit und der Schrift (Hermes Trismegistos, Asklepios Ophiurchos) anschlieſst, für jünger gehalten wird, so bestand es doch schon vor der Kolonisation der griechischen Inseln, da dort der alte Glaube an die Kabiren (Daktylen, Telchinen, Kureten etc. auf Lemnos, Samotrake, Rhodos) bestand. Die Kabiren heiſsen Kinder des Sydik, der Gerechtigkeit, die Griechen nannten sie Kinder des Sonnengottes. Der älteste war Chrysor, der Erfinder des Eisens. Sein Name bedeutet „der Ordner“. Er war der Schutzgott des Handwerkes, der Industrie, des Reichtums. Er wird auf den phö- nizischen Münzen abgebildet mit Schurzfell, Hammer und Zange (wie Hephästos). Ihm folgt in der Reihe der Kabiren seine Schwester Harmonia, die Mondgöttin mit der Sichel oder den Kuhhörnern, die wandernde Astarte, die ihr Bruder Baal Melkart, der dritte der Kabiren, sucht. Baal Melkart ist zum Teil Herkules, zum Teil Kadmos. Er gilt als der Erfinder des Steinbaues und des Bergbaues. Schiffahrt, Handel, Gewerbe und Industrie, die Grundlagen der Thätigkeit und des Wohl- standes, standen bei den Phöniziern in hohem Ansehen. Der Schützer derselben, Chrysor, wird deshalb der älteste der Kabiren genannt.
Demungeachtet darf man sich von den Kunstleistungen der Phö- nizier keine zu hohe Meinung machen. Im Kunstbau leisteten sie nichts Hervorragendes. Das Holz des Libanon war ihr Hauptbau- material, wie auch bei den Israeliten. Dadurch vernachlässigten sie den Steinbau. Was an phönizischen Steinbauten erhalten ist, trägt den Charakter des Massiven, Plumpen, Cyklopischen. Die charakteristi- schen Steinbauten der Phönizier sind massive Thürme, deren Unterbau
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Syrien.
deckung dieses Metalls wird als eine der gröſsten Wohlthaten den
Göttern zugeschrieben, von Kupfer und Erz schweigt die Erzählung
des Phylon. Von El, dem groſsen Gott (dem Kronos der Griechen)
berichtet Phylon, er habe sich eine Sichel und eine Lanze aus Eisen
gemacht, seinen Vater (Uranus) damit angegriffen und aus dem Lande
getrieben. Er umgab sein Haus mit einer Mauer und gründete die
erste Stadt der Phönizier, Byblos. Seinen Sohn Sadid tötete er mit
einem Schwerte. Seine Schwester „Astarte die Gröſste“ aber fand einen
vom Himmel herabgefallenen Stern (einen Meteoriten), nahm ihn auf
und weihte ihn in Tyrus auf der heiligen Insel, so wurde sie die Grün-
derin des ältesten Heiligtums zu Tyrus. Der obengenannte Chrysor,
der Erfinder des Eisens, gehörte zu den Kabirim, d. h. die Gewaltigen,
die Groſsen. Es waren zunächst die sieben oberen Götter, die unter
diesem Namen in ein System vereinigt waren. Obgleich dieses
künstliche System der sieben Götter, denen sich als achter Esmum
mit dem Schlangenstab, der Gott der Weisheit und der Schrift (Hermes
Trismegistos, Asklepios Ophiurchos) anschlieſst, für jünger gehalten
wird, so bestand es doch schon vor der Kolonisation der griechischen
Inseln, da dort der alte Glaube an die Kabiren (Daktylen, Telchinen,
Kureten etc. auf Lemnos, Samotrake, Rhodos) bestand. Die Kabiren
heiſsen Kinder des Sydik, der Gerechtigkeit, die Griechen nannten sie
Kinder des Sonnengottes. Der älteste war Chrysor, der Erfinder des
Eisens. Sein Name bedeutet „der Ordner“. Er war der Schutzgott
des Handwerkes, der Industrie, des Reichtums. Er wird auf den phö-
nizischen Münzen abgebildet mit Schurzfell, Hammer und Zange (wie
Hephästos). Ihm folgt in der Reihe der Kabiren seine Schwester
Harmonia, die Mondgöttin mit der Sichel oder den Kuhhörnern, die
wandernde Astarte, die ihr Bruder Baal Melkart, der dritte der Kabiren,
sucht. Baal Melkart ist zum Teil Herkules, zum Teil Kadmos. Er gilt
als der Erfinder des Steinbaues und des Bergbaues. Schiffahrt, Handel,
Gewerbe und Industrie, die Grundlagen der Thätigkeit und des Wohl-
standes, standen bei den Phöniziern in hohem Ansehen. Der Schützer
derselben, Chrysor, wird deshalb der älteste der Kabiren genannt.
Demungeachtet darf man sich von den Kunstleistungen der Phö-
nizier keine zu hohe Meinung machen. Im Kunstbau leisteten sie
nichts Hervorragendes. Das Holz des Libanon war ihr Hauptbau-
material, wie auch bei den Israeliten. Dadurch vernachlässigten sie
den Steinbau. Was an phönizischen Steinbauten erhalten ist, trägt
den Charakter des Massiven, Plumpen, Cyklopischen. Die charakteristi-
schen Steinbauten der Phönizier sind massive Thürme, deren Unterbau
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/214>, abgerufen am 26.11.2024.
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