200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen, die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden haben können. Es ist wahrscheinlich, dass unter den Gefässen, die Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht, eherne Gefässe waren, wie sowohl die sidonischen Gefässe, die Homer preist, als die Gefässe, die der König von Hamath dem David sendet, aus Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze- guss haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.
Die Leistungen des Erzgiessers Hiram sind aber so ausserordent- licher Art, dass man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren muss. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, dass die Bronze in der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni- zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung von Tyrus durch Nebukadnezar ihre grösste Bedeutung erlangte. Der Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus 1) die Kassiteriden. Die Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen liessen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst- lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande. Bekannt ist die Erzählung, dass ein phönizischer Kapitän, als er wahr- nahm, dass ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus- zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so dass er und das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch- geehrt. Dass die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muss ebenfalls hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge- lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt zu machen 2).
Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier. Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz- guss hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde 3).
Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, dass im Altertume ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,
1) Plinius, hist. nat. 7, 57.
2) Diodor III, Kap. 5, 11.
3) Siehe Strabo.
Syrien.
200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen, die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden haben können. Es ist wahrscheinlich, daſs unter den Gefäſsen, die Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht, eherne Gefäſse waren, wie sowohl die sidonischen Gefäſse, die Homer preist, als die Gefäſse, die der König von Hamath dem David sendet, aus Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze- guſs haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.
Die Leistungen des Erzgieſsers Hiram sind aber so auſserordent- licher Art, daſs man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren muſs. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, daſs die Bronze in der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni- zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung von Tyrus durch Nebukadnezar ihre gröſste Bedeutung erlangte. Der Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus 1) die Kassiteriden. Die Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen lieſsen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst- lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande. Bekannt ist die Erzählung, daſs ein phönizischer Kapitän, als er wahr- nahm, daſs ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus- zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so daſs er und das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch- geehrt. Daſs die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muſs ebenfalls hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge- lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt zu machen 2).
Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier. Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz- guſs hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde 3).
Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, daſs im Altertume ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,
1) Plinius, hist. nat. 7, 57.
2) Diodor III, Kap. 5, 11.
3) Siehe Strabo.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0212"n="190"/><fwplace="top"type="header">Syrien.</fw><lb/>
200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen,<lb/>
die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden<lb/>
haben können. Es ist wahrscheinlich, daſs unter den Gefäſsen, die<lb/>
Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht,<lb/>
eherne Gefäſse waren, wie sowohl die sidonischen Gefäſse, die Homer<lb/>
preist, als die Gefäſse, die der König von Hamath dem David sendet, aus<lb/>
Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze-<lb/>
guſs haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.</p><lb/><p>Die Leistungen des Erzgieſsers Hiram sind aber so auſserordent-<lb/>
licher Art, daſs man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren<lb/>
muſs. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, daſs die Bronze in<lb/>
der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits<lb/>
bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni-<lb/>
zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung<lb/>
von Tyrus durch Nebukadnezar ihre gröſste Bedeutung erlangte. Der<lb/>
Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von<lb/>
da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus <noteplace="foot"n="1)">Plinius, hist. nat. 7, 57.</note> die Kassiteriden. Die<lb/>
Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen<lb/>
lieſsen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst-<lb/>
lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande.<lb/>
Bekannt ist die Erzählung, daſs ein phönizischer Kapitän, als er wahr-<lb/>
nahm, daſs ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus-<lb/>
zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so daſs er und<lb/>
das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in<lb/>
seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch-<lb/>
geehrt. Daſs die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter<lb/>
Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muſs ebenfalls<lb/>
hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später<lb/>
den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge-<lb/>
lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt<lb/>
zu machen <noteplace="foot"n="2)">Diodor III, Kap. 5, 11.</note>.</p><lb/><p>Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war<lb/>
Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier.<lb/>
Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es<lb/>
scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz-<lb/>
guſs hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde <noteplace="foot"n="3)">Siehe Strabo.</note>.</p><lb/><p>Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, daſs im Altertume<lb/>
ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[190/0212]
Syrien.
200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen,
die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden
haben können. Es ist wahrscheinlich, daſs unter den Gefäſsen, die
Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht,
eherne Gefäſse waren, wie sowohl die sidonischen Gefäſse, die Homer
preist, als die Gefäſse, die der König von Hamath dem David sendet, aus
Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze-
guſs haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.
Die Leistungen des Erzgieſsers Hiram sind aber so auſserordent-
licher Art, daſs man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren
muſs. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, daſs die Bronze in
der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits
bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni-
zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung
von Tyrus durch Nebukadnezar ihre gröſste Bedeutung erlangte. Der
Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von
da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus 1) die Kassiteriden. Die
Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen
lieſsen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst-
lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande.
Bekannt ist die Erzählung, daſs ein phönizischer Kapitän, als er wahr-
nahm, daſs ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus-
zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so daſs er und
das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in
seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch-
geehrt. Daſs die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter
Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muſs ebenfalls
hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später
den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge-
lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt
zu machen 2).
Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war
Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier.
Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es
scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz-
guſs hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde 3).
Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, daſs im Altertume
ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,
1) Plinius, hist. nat. 7, 57.
2) Diodor III, Kap. 5, 11.
3) Siehe Strabo.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/212>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.