Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Syrien. richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smithmitgeteilt in: "The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera- tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46)". Hiernach baut die spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien Zinn gefunden wird, würde kaum die Grösse einer englischen Quadrat- meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England. Nichts spricht dafür, dass jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der es anzweifelt, dass man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und Galizien es hervorbringen! Das "lusitanische Zinn" war das Zinn, welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. Es ist ein Irrtum der alten Geographen, der unbedeutenden Zinngewinnung des westlichen Iberiens eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Noch ge- ringere Bedeutung können wir dem Zinnvorkommen Südfrankreichs zuschreiben. Als mineralogische Seltenheit kommt Zinn vor in Limousin, la Marche, zu Piriac (Loire inferieure), zu Penestin (Morbihan). Eine bergmännische Gewinnung lässt sich darauf nicht treiben. Wenn man aus dem Vorkommen alter Wäschereien am Thale der Aurence, nördlich von Limoges, auf Zinngewinnung schliessen will, so ist dies ganz hypo- thetisch. Dass im Mittelalter in Armorika Zinn benutzt wurde, beweist auch nichts für die Gewinnung im eigenen Lande. Die Zinnbergwerke in Deutschland bei Zinnwald in Böhmen sind bekanntlich erst seit einigen Jahrhunderten eröffnet worden. Das Ergebnis unserer Unter- suchung besteht also darin, dass die Semiten vielleicht eine ältere, asiatische Bezugsquelle für Zinn hatten, die am wahrscheinlichsten die Zinngruben der Drangen waren, dass aber das britannische Zinn, welches später fast allein gehandelt wurde, schon früh durch Tauschhandel über Land an die Gestade des Mittelmeeres und so nach Westasien kam. Die Frage über das Alter der Bronze hängt hiermit eng zusammen. Syrien. richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smithmitgeteilt in: „The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera- tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46)“. Hiernach baut die spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien Zinn gefunden wird, würde kaum die Gröſse einer englischen Quadrat- meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England. Nichts spricht dafür, daſs jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der es anzweifelt, daſs man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und Galizien es hervorbringen! Das „lusitanische Zinn“ war das Zinn, welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. Es ist ein Irrtum der alten Geographen, der unbedeutenden Zinngewinnung des westlichen Iberiens eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Noch ge- ringere Bedeutung können wir dem Zinnvorkommen Südfrankreichs zuschreiben. Als mineralogische Seltenheit kommt Zinn vor in Limousin, la Marche, zu Piriac (Loire inferieure), zu Penestin (Morbihan). Eine bergmännische Gewinnung läſst sich darauf nicht treiben. Wenn man aus dem Vorkommen alter Wäschereien am Thale der Aurence, nördlich von Limoges, auf Zinngewinnung schlieſsen will, so ist dies ganz hypo- thetisch. Daſs im Mittelalter in Armorika Zinn benutzt wurde, beweist auch nichts für die Gewinnung im eigenen Lande. Die Zinnbergwerke in Deutschland bei Zinnwald in Böhmen sind bekanntlich erst seit einigen Jahrhunderten eröffnet worden. Das Ergebnis unserer Unter- suchung besteht also darin, daſs die Semiten vielleicht eine ältere, asiatische Bezugsquelle für Zinn hatten, die am wahrscheinlichsten die Zinngruben der Drangen waren, daſs aber das britannische Zinn, welches später fast allein gehandelt wurde, schon früh durch Tauschhandel über Land an die Gestade des Mittelmeeres und so nach Westasien kam. Die Frage über das Alter der Bronze hängt hiermit eng zusammen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0211" n="189"/><fw place="top" type="header">Syrien.</fw><lb/> richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smith<lb/> mitgeteilt in: „The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera-<lb/> tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46)“. Hiernach baut die<lb/> spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln<lb/> neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in<lb/> den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je<lb/> Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien<lb/> Zinn gefunden wird, würde kaum die Gröſse einer englischen Quadrat-<lb/> meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England.<lb/> Nichts spricht dafür, daſs jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht<lb/> habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der<lb/> es anzweifelt, daſs man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen<lb/> überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und<lb/> Galizien es hervorbringen! Das „lusitanische Zinn“ war das Zinn,<lb/> welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich<lb/> gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. 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Syrien.
richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smith
mitgeteilt in: „The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera-
tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46)“. Hiernach baut die
spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln
neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in
den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je
Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien
Zinn gefunden wird, würde kaum die Gröſse einer englischen Quadrat-
meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England.
Nichts spricht dafür, daſs jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht
habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der
es anzweifelt, daſs man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen
überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und
Galizien es hervorbringen! Das „lusitanische Zinn“ war das Zinn,
welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich
gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. Es ist ein
Irrtum der alten Geographen, der unbedeutenden Zinngewinnung des
westlichen Iberiens eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Noch ge-
ringere Bedeutung können wir dem Zinnvorkommen Südfrankreichs
zuschreiben. Als mineralogische Seltenheit kommt Zinn vor in Limousin,
la Marche, zu Piriac (Loire inferieure), zu Penestin (Morbihan). Eine
bergmännische Gewinnung läſst sich darauf nicht treiben. Wenn man
aus dem Vorkommen alter Wäschereien am Thale der Aurence, nördlich
von Limoges, auf Zinngewinnung schlieſsen will, so ist dies ganz hypo-
thetisch. Daſs im Mittelalter in Armorika Zinn benutzt wurde, beweist
auch nichts für die Gewinnung im eigenen Lande. Die Zinnbergwerke
in Deutschland bei Zinnwald in Böhmen sind bekanntlich erst seit
einigen Jahrhunderten eröffnet worden. Das Ergebnis unserer Unter-
suchung besteht also darin, daſs die Semiten vielleicht eine ältere,
asiatische Bezugsquelle für Zinn hatten, die am wahrscheinlichsten die
Zinngruben der Drangen waren, daſs aber das britannische Zinn, welches
später fast allein gehandelt wurde, schon früh durch Tauschhandel über
Land an die Gestade des Mittelmeeres und so nach Westasien kam.
Die Frage über das Alter der Bronze hängt hiermit eng zusammen.
Die Statuette aus der Gegend von Bagdad, welche den Namen des
Königs Rim-Aku trägt, würde, wenn es als richtig anzunehmen ist, daſs
sie aus Bronze besteht, und aus der Regierungszeit dieses Königs
stammt, das älteste Bronzefundstück sein. Die ältesten, ägyptischen
Bronzesachen scheinen aus der Zeit des Königs Ramses II., also aus der
Zeit vor dem Exodus herzustammen. Zur Zeit Thutmosis III., also circa
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