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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Syrien.
nennen. Es war aber nicht alles gelogen. Der Gesichtskreis der
Barbaren erweiterte sich mit dem Kreise ihrer Bedürfnisse und die
fremden Händler leiteten die wilden Eingeborenen zur eigenen Thätig-
keit, zur Produktion an, ganz vornehmlich suchten sie sie zum Aufsuchen
und zur Gewinnung der Mineralschätze zu veranlassen. Mit den
phantastischen Amuletten, die gegen Krankheit und bösen Zauber gut
sein sollten, brachten sie auch ein Stück ihrer heimischen Religion in
das fremde Land. Wo durch ihren Handel feste Ansiedelungen ent-
standen, wurde ihr Einfluss noch grösser. Da lernten die Barbaren ein
neues, bequemes, genussreiches Leben kennen, üppig und prunkvoll,
gegen das ihnen ihre seitherige Existenz arm und jämmerlich erschien.
Dieses Gefühl erhielt sich selbst bei den Juden gegenüber den fast
königlichen Kaufleuten von Tyrus und unter dem reichen Manne, der
bei allen irdischen Genüssen doch nicht in den Himmel kommt, ist vor
allem der üppige Kaufherr, wie er in den benachbarten Küstenstädten
wohnte, gemeint. Gutes und Schlimmes brachten die fremden Händler --
das schlimmste war der Sklavenhandel. Die sinnliche Form ihrer
Religion, der Götzendienst, das Bild des starken Baal-Melkart, der
schönen, verführerischen Astarte schlichen sich leicht in die Vorstellung
der rauhen Barbaren ein. -- Die fremden Händler lebten den Barbaren
zu Gefallen, sie schmeichelten sich ein und so fassten sie bald festen
Fuss, wo es nur etwas zu verdienen gab. Wurden sie zahlreicher an
einem Ort, so schlossen sie sich zu Gemeinden zusammen, meist in be-
sonderen Stadtvierteln. Sie bildeten Kaufmannsgilden und selbst
religiöse Gemeinden mit eigenen Tempeln, in denen sie die Götter in
ihrer eigenen, sinnlichen Weise verehrten. Hinter der üppigen Form
ihres Gottesdienstes war aber doch der tiefe Keim der ganzen chal-
däischen Kultur verborgen, und so konnten sie die Vorarbeiter für die
Ausbreitung des Christentums werden. Phönizier und Hebräer waren
so nahe verwandt, dass von der Zeit des Exils an sie als einer Nation
angehörig betrachtet werden dürfen. Auch treten die Hebräer von der
Zeit ihrer Wegführung an in vieler Beziehung in die Fusstapfen der
Phönizier. Sie hatten ihre Sesshaftigkeit verloren. Das Ausziehen in
die Fremde war ihnen nichts ungewohntes mehr. Der Gewinn lockte,
sie fingen selbst an ein Handelsvolk zu werden. Vielfach liessen sie
sich in fremden Städten in den Quartieren ihrer Brüder, der Phönizier,
den alten Ghettos, nieder. Das jüdische Element drängte nach und
nach das phönizische zurück. Hierdurch wurde es ermöglicht, als dann
die grosse religiöse Reform im Heimatlande sich vollzog, dass das
Christentum eine so rasche und intensive Ausbreitung erfahren konnte,

Syrien.
nennen. Es war aber nicht alles gelogen. Der Gesichtskreis der
Barbaren erweiterte sich mit dem Kreise ihrer Bedürfnisse und die
fremden Händler leiteten die wilden Eingeborenen zur eigenen Thätig-
keit, zur Produktion an, ganz vornehmlich suchten sie sie zum Aufsuchen
und zur Gewinnung der Mineralschätze zu veranlassen. Mit den
phantastischen Amuletten, die gegen Krankheit und bösen Zauber gut
sein sollten, brachten sie auch ein Stück ihrer heimischen Religion in
das fremde Land. Wo durch ihren Handel feste Ansiedelungen ent-
standen, wurde ihr Einfluſs noch gröſser. Da lernten die Barbaren ein
neues, bequemes, genuſsreiches Leben kennen, üppig und prunkvoll,
gegen das ihnen ihre seitherige Existenz arm und jämmerlich erschien.
Dieses Gefühl erhielt sich selbst bei den Juden gegenüber den fast
königlichen Kaufleuten von Tyrus und unter dem reichen Manne, der
bei allen irdischen Genüssen doch nicht in den Himmel kommt, ist vor
allem der üppige Kaufherr, wie er in den benachbarten Küstenstädten
wohnte, gemeint. Gutes und Schlimmes brachten die fremden Händler —
das schlimmste war der Sklavenhandel. Die sinnliche Form ihrer
Religion, der Götzendienst, das Bild des starken Baal-Melkart, der
schönen, verführerischen Astarte schlichen sich leicht in die Vorstellung
der rauhen Barbaren ein. — Die fremden Händler lebten den Barbaren
zu Gefallen, sie schmeichelten sich ein und so faſsten sie bald festen
Fuſs, wo es nur etwas zu verdienen gab. Wurden sie zahlreicher an
einem Ort, so schlossen sie sich zu Gemeinden zusammen, meist in be-
sonderen Stadtvierteln. Sie bildeten Kaufmannsgilden und selbst
religiöse Gemeinden mit eigenen Tempeln, in denen sie die Götter in
ihrer eigenen, sinnlichen Weise verehrten. Hinter der üppigen Form
ihres Gottesdienstes war aber doch der tiefe Keim der ganzen chal-
däischen Kultur verborgen, und so konnten sie die Vorarbeiter für die
Ausbreitung des Christentums werden. Phönizier und Hebräer waren
so nahe verwandt, daſs von der Zeit des Exils an sie als einer Nation
angehörig betrachtet werden dürfen. Auch treten die Hebräer von der
Zeit ihrer Wegführung an in vieler Beziehung in die Fuſstapfen der
Phönizier. Sie hatten ihre Seſshaftigkeit verloren. Das Ausziehen in
die Fremde war ihnen nichts ungewohntes mehr. Der Gewinn lockte,
sie fingen selbst an ein Handelsvolk zu werden. Vielfach lieſsen sie
sich in fremden Städten in den Quartieren ihrer Brüder, der Phönizier,
den alten Ghettos, nieder. Das jüdische Element drängte nach und
nach das phönizische zurück. Hierdurch wurde es ermöglicht, als dann
die groſse religiöse Reform im Heimatlande sich vollzog, daſs das
Christentum eine so rasche und intensive Ausbreitung erfahren konnte,

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[180/0202] Syrien. nennen. Es war aber nicht alles gelogen. Der Gesichtskreis der Barbaren erweiterte sich mit dem Kreise ihrer Bedürfnisse und die fremden Händler leiteten die wilden Eingeborenen zur eigenen Thätig- keit, zur Produktion an, ganz vornehmlich suchten sie sie zum Aufsuchen und zur Gewinnung der Mineralschätze zu veranlassen. Mit den phantastischen Amuletten, die gegen Krankheit und bösen Zauber gut sein sollten, brachten sie auch ein Stück ihrer heimischen Religion in das fremde Land. Wo durch ihren Handel feste Ansiedelungen ent- standen, wurde ihr Einfluſs noch gröſser. Da lernten die Barbaren ein neues, bequemes, genuſsreiches Leben kennen, üppig und prunkvoll, gegen das ihnen ihre seitherige Existenz arm und jämmerlich erschien. Dieses Gefühl erhielt sich selbst bei den Juden gegenüber den fast königlichen Kaufleuten von Tyrus und unter dem reichen Manne, der bei allen irdischen Genüssen doch nicht in den Himmel kommt, ist vor allem der üppige Kaufherr, wie er in den benachbarten Küstenstädten wohnte, gemeint. Gutes und Schlimmes brachten die fremden Händler — das schlimmste war der Sklavenhandel. Die sinnliche Form ihrer Religion, der Götzendienst, das Bild des starken Baal-Melkart, der schönen, verführerischen Astarte schlichen sich leicht in die Vorstellung der rauhen Barbaren ein. — Die fremden Händler lebten den Barbaren zu Gefallen, sie schmeichelten sich ein und so faſsten sie bald festen Fuſs, wo es nur etwas zu verdienen gab. Wurden sie zahlreicher an einem Ort, so schlossen sie sich zu Gemeinden zusammen, meist in be- sonderen Stadtvierteln. Sie bildeten Kaufmannsgilden und selbst religiöse Gemeinden mit eigenen Tempeln, in denen sie die Götter in ihrer eigenen, sinnlichen Weise verehrten. Hinter der üppigen Form ihres Gottesdienstes war aber doch der tiefe Keim der ganzen chal- däischen Kultur verborgen, und so konnten sie die Vorarbeiter für die Ausbreitung des Christentums werden. Phönizier und Hebräer waren so nahe verwandt, daſs von der Zeit des Exils an sie als einer Nation angehörig betrachtet werden dürfen. Auch treten die Hebräer von der Zeit ihrer Wegführung an in vieler Beziehung in die Fuſstapfen der Phönizier. Sie hatten ihre Seſshaftigkeit verloren. Das Ausziehen in die Fremde war ihnen nichts ungewohntes mehr. Der Gewinn lockte, sie fingen selbst an ein Handelsvolk zu werden. Vielfach lieſsen sie sich in fremden Städten in den Quartieren ihrer Brüder, der Phönizier, den alten Ghettos, nieder. Das jüdische Element drängte nach und nach das phönizische zurück. Hierdurch wurde es ermöglicht, als dann die groſse religiöse Reform im Heimatlande sich vollzog, daſs das Christentum eine so rasche und intensive Ausbreitung erfahren konnte,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/202>, abgerufen am 27.11.2024.