einanderliegenden, grossen, linsenförmigen Erzkörper anreihen. Der Zug kann durch die alten Halden und Pingen in der angegebenen Richtung über eine Stunde weit dem Gebirge hinan verfolgt werden. Schön krystallisierter Spateisenstein durchschwärmt die Masse des Thoneisensteines in kleinen Gängen. Höher aufwärts finden Wieder- holungen derselben Erzformation statt. Der Hauptzug wurde auch bei Russeggers Besuch noch gebaut und geht dieser Abbau in hohes Alter- tum zurück. Überall zeigen sich die Spuren des schlechten Betriebes der Alten, die nach allen Richtungen den Boden mit niedrigen Strecken durchwühlt haben. Es ist deutlich zu erkennen, dass sie bloss das leicht- flüssige Erz aushielten, schwerflüssiges gar nicht gewannen oder fort- warfen. Keine der Gruben hatte eine grosse Ausdehnung, doch ziehen sich die Halden erstaunlich weit in dem Gebirge fort. Nach Russeggers Schmelzprobe hält der Eisenstein von Merdschibah 50 bis 60 Proz. Roheisen. Das daraus gewonnene Eisen ist tadellos und es stecken hier noch Schätze im Boden. Doch ist deren Ausbeutung durch die Holzarmut des Libanon beschränkt. Früher, als die Umgegend noch reicher an Waldungen war, hatte auch die Eisengewinnung einen grösseren Umfang. Denn hier sind gewiss die Gruben zu suchen, von denen Edrisi 1) berichtet, dass aus den dortigen Erzen ein trefflicher Stahl bereitet werde, der in ganz Syrien Absatz fände. Damals lag aber auch bei Beirut noch ein 12 engl. Meilen langer Wald, der sich bis in das Gebirge erstreckte. Brocchi 2) glaubt nicht, dass die kaiser- liche Waffenfabrik zu Damaskus von diesen Bergwerken ihren Stahl bezogen. Die wenigen Zentner Erz, welche die Eingeborenen jährlich gewinnen, verschmelzen sie nach Art der Turkomanen in einer Art niedriger Stucköfen mit Holz.
Über die Art der Verschmelzung der Eisenerze geben uns die heiligen Schriften direkt keine Aufklärung. Vorstehende Schilderung Russeggers dürfte indess doch einiges Licht auf eine wichtige Stelle werfen. Es ist die Stelle 5. Mosis 4, 20: "Der Herr hat euch aus dem eisernen Ofen, nämlich aus Ägypten geführt." Hier bedeutet der eiserne Ofen der Ort der Qual! Wir wissen, dass nach der barbarischen Kriegs- sitte jener Zeit Kriegsgefangene unter anderen oft in die glühenden Ziegelbrennöfen geworfen wurden 3). In ähnlichem Sinne steht hier der eiserne Ofen. Nun kann ganz unmöglich hier ein eiserner Ofen in unserem Sinne gemeint sein, solche gab es weder früher, noch giebt
1) Edrisi by Jaubert I., p. 355.
2) Brocchi, Giornale vol. III., 284.
3) Siehe 2 Samuel 12, 31.
Syrien.
einanderliegenden, groſsen, linsenförmigen Erzkörper anreihen. Der Zug kann durch die alten Halden und Pingen in der angegebenen Richtung über eine Stunde weit dem Gebirge hinan verfolgt werden. Schön krystallisierter Spateisenstein durchschwärmt die Masse des Thoneisensteines in kleinen Gängen. Höher aufwärts finden Wieder- holungen derselben Erzformation statt. Der Hauptzug wurde auch bei Ruſseggers Besuch noch gebaut und geht dieser Abbau in hohes Alter- tum zurück. Überall zeigen sich die Spuren des schlechten Betriebes der Alten, die nach allen Richtungen den Boden mit niedrigen Strecken durchwühlt haben. Es ist deutlich zu erkennen, daſs sie bloſs das leicht- flüssige Erz aushielten, schwerflüssiges gar nicht gewannen oder fort- warfen. Keine der Gruben hatte eine groſse Ausdehnung, doch ziehen sich die Halden erstaunlich weit in dem Gebirge fort. Nach Ruſseggers Schmelzprobe hält der Eisenstein von Merdschibah 50 bis 60 Proz. Roheisen. Das daraus gewonnene Eisen ist tadellos und es stecken hier noch Schätze im Boden. Doch ist deren Ausbeutung durch die Holzarmut des Libanon beschränkt. Früher, als die Umgegend noch reicher an Waldungen war, hatte auch die Eisengewinnung einen gröſseren Umfang. Denn hier sind gewiſs die Gruben zu suchen, von denen Edrisi 1) berichtet, daſs aus den dortigen Erzen ein trefflicher Stahl bereitet werde, der in ganz Syrien Absatz fände. Damals lag aber auch bei Beirut noch ein 12 engl. Meilen langer Wald, der sich bis in das Gebirge erstreckte. Brocchi 2) glaubt nicht, daſs die kaiser- liche Waffenfabrik zu Damaskus von diesen Bergwerken ihren Stahl bezogen. Die wenigen Zentner Erz, welche die Eingeborenen jährlich gewinnen, verschmelzen sie nach Art der Turkomanen in einer Art niedriger Stucköfen mit Holz.
Über die Art der Verschmelzung der Eisenerze geben uns die heiligen Schriften direkt keine Aufklärung. Vorstehende Schilderung Ruſseggers dürfte indeſs doch einiges Licht auf eine wichtige Stelle werfen. Es ist die Stelle 5. Mosis 4, 20: „Der Herr hat euch aus dem eisernen Ofen, nämlich aus Ägypten geführt.“ Hier bedeutet der eiserne Ofen der Ort der Qual! Wir wissen, daſs nach der barbarischen Kriegs- sitte jener Zeit Kriegsgefangene unter anderen oft in die glühenden Ziegelbrennöfen geworfen wurden 3). In ähnlichem Sinne steht hier der eiserne Ofen. Nun kann ganz unmöglich hier ein eiserner Ofen in unserem Sinne gemeint sein, solche gab es weder früher, noch giebt
1) Edrisi by Jaubert I., p. 355.
2) Brocchi, Giornale vol. III., 284.
3) Siehe 2 Samuel 12, 31.
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Syrien.
einanderliegenden, groſsen, linsenförmigen Erzkörper anreihen. Der
Zug kann durch die alten Halden und Pingen in der angegebenen
Richtung über eine Stunde weit dem Gebirge hinan verfolgt werden.
Schön krystallisierter Spateisenstein durchschwärmt die Masse des
Thoneisensteines in kleinen Gängen. Höher aufwärts finden Wieder-
holungen derselben Erzformation statt. Der Hauptzug wurde auch bei
Ruſseggers Besuch noch gebaut und geht dieser Abbau in hohes Alter-
tum zurück. Überall zeigen sich die Spuren des schlechten Betriebes
der Alten, die nach allen Richtungen den Boden mit niedrigen Strecken
durchwühlt haben. Es ist deutlich zu erkennen, daſs sie bloſs das leicht-
flüssige Erz aushielten, schwerflüssiges gar nicht gewannen oder fort-
warfen. Keine der Gruben hatte eine groſse Ausdehnung, doch ziehen
sich die Halden erstaunlich weit in dem Gebirge fort. Nach Ruſseggers
Schmelzprobe hält der Eisenstein von Merdschibah 50 bis 60 Proz.
Roheisen. Das daraus gewonnene Eisen ist tadellos und es stecken
hier noch Schätze im Boden. Doch ist deren Ausbeutung durch die
Holzarmut des Libanon beschränkt. Früher, als die Umgegend noch
reicher an Waldungen war, hatte auch die Eisengewinnung einen
gröſseren Umfang. Denn hier sind gewiſs die Gruben zu suchen, von
denen Edrisi 1) berichtet, daſs aus den dortigen Erzen ein trefflicher
Stahl bereitet werde, der in ganz Syrien Absatz fände. Damals lag
aber auch bei Beirut noch ein 12 engl. Meilen langer Wald, der sich
bis in das Gebirge erstreckte. Brocchi 2) glaubt nicht, daſs die kaiser-
liche Waffenfabrik zu Damaskus von diesen Bergwerken ihren Stahl
bezogen. Die wenigen Zentner Erz, welche die Eingeborenen jährlich
gewinnen, verschmelzen sie nach Art der Turkomanen in einer Art
niedriger Stucköfen mit Holz.
Über die Art der Verschmelzung der Eisenerze geben uns die
heiligen Schriften direkt keine Aufklärung. Vorstehende Schilderung
Ruſseggers dürfte indeſs doch einiges Licht auf eine wichtige Stelle
werfen. Es ist die Stelle 5. Mosis 4, 20: „Der Herr hat euch aus dem
eisernen Ofen, nämlich aus Ägypten geführt.“ Hier bedeutet der eiserne
Ofen der Ort der Qual! Wir wissen, daſs nach der barbarischen Kriegs-
sitte jener Zeit Kriegsgefangene unter anderen oft in die glühenden
Ziegelbrennöfen geworfen wurden 3). In ähnlichem Sinne steht hier
der eiserne Ofen. Nun kann ganz unmöglich hier ein eiserner Ofen
in unserem Sinne gemeint sein, solche gab es weder früher, noch giebt
1) Edrisi by Jaubert I., p. 355.
2) Brocchi, Giornale vol. III., 284.
3) Siehe 2 Samuel 12, 31.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/180>, abgerufen am 29.11.2024.
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