Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Syrien. schwächlichen Sohnes des grossen Ramses II 1). Erst nach langenKämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder festen Fuss zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver- drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf- zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig- faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische, und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried- lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im Alter das Lernen nicht geschenkt. Die grossen Handelsstrassen von Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten, Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die grossen Handelsstrassen waren auch die Kriegsstrassen. Der Weg aus dem Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz. Wenn auch Alexander der Grosse das asiatische und ägyptische Reich gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des grossen Eroberers Tode Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden. Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach aussen, bis zuletzt diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, dass ihre Nationa- lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim 1) Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit
dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in Unterwürfigkeit hielten. Dunker giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten von 1560 bis 1320 v. Chr. an. Syrien. schwächlichen Sohnes des groſsen Ramses II 1). Erst nach langenKämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder festen Fuſs zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver- drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf- zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig- faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische, und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried- lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im Alter das Lernen nicht geschenkt. Die groſsen Handelsstraſsen von Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten, Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die groſsen Handelsstraſsen waren auch die Kriegsstraſsen. Der Weg aus dem Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz. Wenn auch Alexander der Groſse das asiatische und ägyptische Reich gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des groſsen Eroberers Tode Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden. Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach auſsen, bis zuletzt diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, daſs ihre Nationa- lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim 1) Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit
dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in Unterwürfigkeit hielten. Dunker giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten von 1560 bis 1320 v. Chr. an. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0168" n="146"/><fw place="top" type="header">Syrien.</fw><lb/> schwächlichen Sohnes des groſsen Ramses II <note place="foot" n="1)">Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit<lb/> dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in<lb/> Unterwürfigkeit hielten. <hi rendition="#g">Dunker</hi> giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten<lb/> von 1560 bis 1320 v. Chr. an.</note>. Erst nach langen<lb/> Kämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder<lb/> festen Fuſs zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver-<lb/> drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf-<lb/> zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige<lb/> Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber<lb/> den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in<lb/> dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen<lb/> Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig-<lb/> faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische,<lb/> und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried-<lb/> lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon<lb/> in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten<lb/> ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im<lb/> Alter das Lernen nicht geschenkt. Die groſsen Handelsstraſsen von<lb/> Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land<lb/> und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten,<lb/> Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die groſsen<lb/> Handelsstraſsen waren auch die Kriegsstraſsen. Der Weg aus dem<lb/> Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel<lb/> der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis<lb/> auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war<lb/> Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz.<lb/> Wenn auch Alexander der Groſse das asiatische und ägyptische Reich<lb/> gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit<lb/> ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des groſsen Eroberers Tode<lb/> Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden.<lb/> Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige<lb/> moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur<lb/> läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten<lb/> mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen<lb/> wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte<lb/> es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es<lb/> innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach auſsen, bis zuletzt<lb/> diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, daſs ihre Nationa-<lb/> lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0168]
Syrien.
schwächlichen Sohnes des groſsen Ramses II 1). Erst nach langen
Kämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder
festen Fuſs zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver-
drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf-
zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige
Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber
den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in
dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen
Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig-
faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische,
und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried-
lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon
in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten
ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im
Alter das Lernen nicht geschenkt. Die groſsen Handelsstraſsen von
Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land
und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten,
Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die groſsen
Handelsstraſsen waren auch die Kriegsstraſsen. Der Weg aus dem
Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel
der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis
auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war
Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz.
Wenn auch Alexander der Groſse das asiatische und ägyptische Reich
gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit
ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des groſsen Eroberers Tode
Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden.
Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige
moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur
läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten
mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen
wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte
es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es
innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach auſsen, bis zuletzt
diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, daſs ihre Nationa-
lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim
1) Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit
dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in
Unterwürfigkeit hielten. Dunker giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten
von 1560 bis 1320 v. Chr. an.
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