Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.antraf, der eben nach der Jacht sich zu begeben im Begriff war, und meldete, das Schiff habe eine Beschädigung erlitten, zu deren völliger Ausbesserung mehr als die Zeit eines Tages erforderlich sei, eher könne die schöne Susanne ohne große Gefahr nicht wieder in die See gehen. Da half weder Zürnen noch Schelten, an welchem der Erbherr, ohnedies in der übelsten Stimmung, es nicht fehlen ließ; er mußte sich in das Unvermeidliche fügen, und da er mit seiner Dienerschaft und den Pferden nicht am Strande verweilen konnte, so blieb ihm nur die Wahl, entweder nach Varel zurückzukehren, oder nach einem andern in der Nähe gelegenen bedeutenderen und für ihn angemesseneren Orte zu fahren. Zur Rückkehr konnte sich der Graf unmöglich entschließen, denn sein schneller Weggang sollte für die Großmutter eine Strafe sein -- er faßte daher rasch seinen Entschluß, befahl, daß die Jacht sogleich nach ihrer Wiederherstellung in fahrbaren Stand durch den Busen hinab, an der Ecke von Heppens vorbei, in die Jahde-Strömung einfahren und am Rustringer Siel anlegen sollte. Als dieser Befehl gegeben war, fuhr der Graf längs des sich endlos vor ihm ausdehnenden, vielfach gewinkelten Deichs (Dammes) bis hinunter zur Dan-Geest, ließ das Salze-Brak rechts, fuhr am Ellenser Grod hin, und verließ erst drunten beim Marien-Siel den Deichwall, um aus dem Gebiete des umfangreichen Jahdebusens weiter nordwärts zu eilen. Es verging eine gute Anzahl Stunden, durch mancherlei Aufenthalt und der Wege Unfahrbarkeit, bevor der Graf das Oertchen Accum erreichte. -- Graf Ludwig nebst seinem Diener Philipp ließen ihre Rosse gemachsamen Schritt gehen, als sie von weitem eine Kutsche, die mit vier Apfelschimmeln bespannt war, auf sich zukommen sahen, und plötzlich rief Philipp aus: Sind die toll, oder was ist das? -- und Ludwig gewahrte jetzt auch, daß die Pferde in den rasendsten Sätzen galoppirten, daß der Wagen gar nicht mehr auf der Fahrstraße war, daß er schwankend und wankend wie eine Feder emporhüpfte, wenn es über einen durch das Marschland gezogenen schmalen Wassergraben ging, jeden Augenblick umzustürzen drohte, daß der Kutscher wie ein Wüthender an den Strängen zog und zerrte, und bereits den Hut verloren hatte, und daß für Menschen und Thiere die augenscheinlichste antraf, der eben nach der Jacht sich zu begeben im Begriff war, und meldete, das Schiff habe eine Beschädigung erlitten, zu deren völliger Ausbesserung mehr als die Zeit eines Tages erforderlich sei, eher könne die schöne Susanne ohne große Gefahr nicht wieder in die See gehen. Da half weder Zürnen noch Schelten, an welchem der Erbherr, ohnedies in der übelsten Stimmung, es nicht fehlen ließ; er mußte sich in das Unvermeidliche fügen, und da er mit seiner Dienerschaft und den Pferden nicht am Strande verweilen konnte, so blieb ihm nur die Wahl, entweder nach Varel zurückzukehren, oder nach einem andern in der Nähe gelegenen bedeutenderen und für ihn angemesseneren Orte zu fahren. Zur Rückkehr konnte sich der Graf unmöglich entschließen, denn sein schneller Weggang sollte für die Großmutter eine Strafe sein — er faßte daher rasch seinen Entschluß, befahl, daß die Jacht sogleich nach ihrer Wiederherstellung in fahrbaren Stand durch den Busen hinab, an der Ecke von Heppens vorbei, in die Jahde-Strömung einfahren und am Rustringer Siel anlegen sollte. Als dieser Befehl gegeben war, fuhr der Graf längs des sich endlos vor ihm ausdehnenden, vielfach gewinkelten Deichs (Dammes) bis hinunter zur Dan-Geest, ließ das Salze-Brak rechts, fuhr am Ellenser Grod hin, und verließ erst drunten beim Marien-Siel den Deichwall, um aus dem Gebiete des umfangreichen Jahdebusens weiter nordwärts zu eilen. Es verging eine gute Anzahl Stunden, durch mancherlei Aufenthalt und der Wege Unfahrbarkeit, bevor der Graf das Oertchen Accum erreichte. — Graf Ludwig nebst seinem Diener Philipp ließen ihre Rosse gemachsamen Schritt gehen, als sie von weitem eine Kutsche, die mit vier Apfelschimmeln bespannt war, auf sich zukommen sahen, und plötzlich rief Philipp aus: Sind die toll, oder was ist das? — und Ludwig gewahrte jetzt auch, daß die Pferde in den rasendsten Sätzen galoppirten, daß der Wagen gar nicht mehr auf der Fahrstraße war, daß er schwankend und wankend wie eine Feder emporhüpfte, wenn es über einen durch das Marschland gezogenen schmalen Wassergraben ging, jeden Augenblick umzustürzen drohte, daß der Kutscher wie ein Wüthender an den Strängen zog und zerrte, und bereits den Hut verloren hatte, und daß für Menschen und Thiere die augenscheinlichste <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="52"/> antraf, der eben nach der Jacht sich zu begeben im Begriff war, und meldete, das Schiff habe eine Beschädigung erlitten, zu deren völliger Ausbesserung mehr als die Zeit eines Tages erforderlich sei, eher könne die schöne Susanne ohne große Gefahr nicht wieder in die See gehen. Da half weder Zürnen noch Schelten, an welchem der Erbherr, ohnedies in der übelsten Stimmung, es nicht fehlen ließ; er mußte sich in das Unvermeidliche fügen, und da er mit seiner Dienerschaft und den Pferden nicht am Strande verweilen konnte, so blieb ihm nur die Wahl, entweder nach Varel zurückzukehren, oder nach einem andern in der Nähe gelegenen bedeutenderen und für ihn angemesseneren Orte zu fahren.</p> <p>Zur Rückkehr konnte sich der Graf unmöglich entschließen, denn sein schneller Weggang sollte für die Großmutter eine Strafe sein — er faßte daher rasch seinen Entschluß, befahl, daß die Jacht sogleich nach ihrer Wiederherstellung in fahrbaren Stand durch den Busen hinab, an der Ecke von Heppens vorbei, in die Jahde-Strömung einfahren und am Rustringer Siel anlegen sollte. Als dieser Befehl gegeben war, fuhr der Graf längs des sich endlos vor ihm ausdehnenden, vielfach gewinkelten Deichs (Dammes) bis hinunter zur Dan-Geest, ließ das Salze-Brak rechts, fuhr am Ellenser Grod hin, und verließ erst drunten beim Marien-Siel den Deichwall, um aus dem Gebiete des umfangreichen Jahdebusens weiter nordwärts zu eilen. Es verging eine gute Anzahl Stunden, durch mancherlei Aufenthalt und der Wege Unfahrbarkeit, bevor der Graf das Oertchen <hi rendition="#g">Accum</hi> erreichte. —</p> <p>Graf Ludwig nebst seinem Diener Philipp ließen ihre Rosse gemachsamen Schritt gehen, als sie von weitem eine Kutsche, die mit vier Apfelschimmeln bespannt war, auf sich zukommen sahen, und plötzlich rief Philipp aus: Sind die toll, oder was ist das? — und Ludwig gewahrte jetzt auch, daß die Pferde in den rasendsten Sätzen galoppirten, daß der Wagen gar nicht mehr auf der Fahrstraße war, daß er schwankend und wankend wie eine Feder emporhüpfte, wenn es über einen durch das Marschland gezogenen schmalen Wassergraben ging, jeden Augenblick umzustürzen drohte, daß der Kutscher wie ein Wüthender an den Strängen zog und zerrte, und bereits den Hut verloren hatte, und daß für Menschen und Thiere die augenscheinlichste </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0056]
antraf, der eben nach der Jacht sich zu begeben im Begriff war, und meldete, das Schiff habe eine Beschädigung erlitten, zu deren völliger Ausbesserung mehr als die Zeit eines Tages erforderlich sei, eher könne die schöne Susanne ohne große Gefahr nicht wieder in die See gehen. Da half weder Zürnen noch Schelten, an welchem der Erbherr, ohnedies in der übelsten Stimmung, es nicht fehlen ließ; er mußte sich in das Unvermeidliche fügen, und da er mit seiner Dienerschaft und den Pferden nicht am Strande verweilen konnte, so blieb ihm nur die Wahl, entweder nach Varel zurückzukehren, oder nach einem andern in der Nähe gelegenen bedeutenderen und für ihn angemesseneren Orte zu fahren.
Zur Rückkehr konnte sich der Graf unmöglich entschließen, denn sein schneller Weggang sollte für die Großmutter eine Strafe sein — er faßte daher rasch seinen Entschluß, befahl, daß die Jacht sogleich nach ihrer Wiederherstellung in fahrbaren Stand durch den Busen hinab, an der Ecke von Heppens vorbei, in die Jahde-Strömung einfahren und am Rustringer Siel anlegen sollte. Als dieser Befehl gegeben war, fuhr der Graf längs des sich endlos vor ihm ausdehnenden, vielfach gewinkelten Deichs (Dammes) bis hinunter zur Dan-Geest, ließ das Salze-Brak rechts, fuhr am Ellenser Grod hin, und verließ erst drunten beim Marien-Siel den Deichwall, um aus dem Gebiete des umfangreichen Jahdebusens weiter nordwärts zu eilen. Es verging eine gute Anzahl Stunden, durch mancherlei Aufenthalt und der Wege Unfahrbarkeit, bevor der Graf das Oertchen Accum erreichte. —
Graf Ludwig nebst seinem Diener Philipp ließen ihre Rosse gemachsamen Schritt gehen, als sie von weitem eine Kutsche, die mit vier Apfelschimmeln bespannt war, auf sich zukommen sahen, und plötzlich rief Philipp aus: Sind die toll, oder was ist das? — und Ludwig gewahrte jetzt auch, daß die Pferde in den rasendsten Sätzen galoppirten, daß der Wagen gar nicht mehr auf der Fahrstraße war, daß er schwankend und wankend wie eine Feder emporhüpfte, wenn es über einen durch das Marschland gezogenen schmalen Wassergraben ging, jeden Augenblick umzustürzen drohte, daß der Kutscher wie ein Wüthender an den Strängen zog und zerrte, und bereits den Hut verloren hatte, und daß für Menschen und Thiere die augenscheinlichste
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/56>, abgerufen am 16.02.2025. |