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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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11. Der Freundin Tod


Friedlich zogen ihnen so die Jahre vorüber, ihre Körper alterten, aber die Herzen blieben jung; ihre Haare bleichten, aber in ihren Augen glänzte die alte Jugend. Die Liebe verloderte und die Freundschaft am Altar ihrer Herzen nährte mit heiliger Hand ihr reines Vestafeuer.

Die Einsiedler im stillen Schloß zu Eishausen berührten die staatlichen und politischen Verhältnisse des Landes, das ihnen nun seit einer Reihe von fast zwanzig Jahren ein friedliches Asyl geboten hatte, nur wenig, doch blieben sie immerhin nicht ganz von dem damals stattfindenden Regierungswechsel unberührt; denn zu allernächst wußten sie ja nicht, ob unter einer neuen Regierung ihnen das Asyl, das nun nach so manchen widerstrebenden Gefühlen, nach so manchem Kampf ihnen lieb geworden, belassen werde? Sie wußten nicht, ob eine neue Regierung nicht blos neu, sondern nicht auch neugierig sein werde. Aber auch von dieser Seite wurde die zarteste Rücksicht gegen den Grafen beobachtet. Ein so lange Jahre still und unbescholten geführtes Leben und die Wohlthaten, welche derselbe nicht nur den Bewohnern von Eishausen, sondern auch den Armen der nahen Stadt erzeigte, waren zugleich ein entscheidendes Gegengewicht gegen jede Verdächtigung. Viele glaubten und glauben es noch, der unbekannte Bewohner des Schlosses zu Eishausen habe schriftlich oder persönlich dem neuen Landesherrn sich entdeckt; dies geschah jedoch nie, es wurde durchaus keine Enthüllung von Seiten des Grafen verlangt.

Alles erfuhr der Graf, was im Dorfe, in der Gegend und in der Stadt sich zutrug, während Dorf, Stadt und Umgegend von ihm noch eben so wenig wußten, als im ersten Jahre seiner Anwesenheit. Er hatte die schwere Kunst verstanden, die Leute zu nöthigen, ein stilles Geheimniß mitten im lauten Markt des Tages gewohnt zu werden. Eines Tages trat, von Niemanden geahnet, ein anderes

11. Der Freundin Tod


Friedlich zogen ihnen so die Jahre vorüber, ihre Körper alterten, aber die Herzen blieben jung; ihre Haare bleichten, aber in ihren Augen glänzte die alte Jugend. Die Liebe verloderte und die Freundschaft am Altar ihrer Herzen nährte mit heiliger Hand ihr reines Vestafeuer.

Die Einsiedler im stillen Schloß zu Eishausen berührten die staatlichen und politischen Verhältnisse des Landes, das ihnen nun seit einer Reihe von fast zwanzig Jahren ein friedliches Asyl geboten hatte, nur wenig, doch blieben sie immerhin nicht ganz von dem damals stattfindenden Regierungswechsel unberührt; denn zu allernächst wußten sie ja nicht, ob unter einer neuen Regierung ihnen das Asyl, das nun nach so manchen widerstrebenden Gefühlen, nach so manchem Kampf ihnen lieb geworden, belassen werde? Sie wußten nicht, ob eine neue Regierung nicht blos neu, sondern nicht auch neugierig sein werde. Aber auch von dieser Seite wurde die zarteste Rücksicht gegen den Grafen beobachtet. Ein so lange Jahre still und unbescholten geführtes Leben und die Wohlthaten, welche derselbe nicht nur den Bewohnern von Eishausen, sondern auch den Armen der nahen Stadt erzeigte, waren zugleich ein entscheidendes Gegengewicht gegen jede Verdächtigung. Viele glaubten und glauben es noch, der unbekannte Bewohner des Schlosses zu Eishausen habe schriftlich oder persönlich dem neuen Landesherrn sich entdeckt; dies geschah jedoch nie, es wurde durchaus keine Enthüllung von Seiten des Grafen verlangt.

Alles erfuhr der Graf, was im Dorfe, in der Gegend und in der Stadt sich zutrug, während Dorf, Stadt und Umgegend von ihm noch eben so wenig wußten, als im ersten Jahre seiner Anwesenheit. Er hatte die schwere Kunst verstanden, die Leute zu nöthigen, ein stilles Geheimniß mitten im lauten Markt des Tages gewohnt zu werden. Eines Tages trat, von Niemanden geahnet, ein anderes

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[443/0447] 11. Der Freundin Tod Friedlich zogen ihnen so die Jahre vorüber, ihre Körper alterten, aber die Herzen blieben jung; ihre Haare bleichten, aber in ihren Augen glänzte die alte Jugend. Die Liebe verloderte und die Freundschaft am Altar ihrer Herzen nährte mit heiliger Hand ihr reines Vestafeuer. Die Einsiedler im stillen Schloß zu Eishausen berührten die staatlichen und politischen Verhältnisse des Landes, das ihnen nun seit einer Reihe von fast zwanzig Jahren ein friedliches Asyl geboten hatte, nur wenig, doch blieben sie immerhin nicht ganz von dem damals stattfindenden Regierungswechsel unberührt; denn zu allernächst wußten sie ja nicht, ob unter einer neuen Regierung ihnen das Asyl, das nun nach so manchen widerstrebenden Gefühlen, nach so manchem Kampf ihnen lieb geworden, belassen werde? Sie wußten nicht, ob eine neue Regierung nicht blos neu, sondern nicht auch neugierig sein werde. Aber auch von dieser Seite wurde die zarteste Rücksicht gegen den Grafen beobachtet. Ein so lange Jahre still und unbescholten geführtes Leben und die Wohlthaten, welche derselbe nicht nur den Bewohnern von Eishausen, sondern auch den Armen der nahen Stadt erzeigte, waren zugleich ein entscheidendes Gegengewicht gegen jede Verdächtigung. Viele glaubten und glauben es noch, der unbekannte Bewohner des Schlosses zu Eishausen habe schriftlich oder persönlich dem neuen Landesherrn sich entdeckt; dies geschah jedoch nie, es wurde durchaus keine Enthüllung von Seiten des Grafen verlangt. Alles erfuhr der Graf, was im Dorfe, in der Gegend und in der Stadt sich zutrug, während Dorf, Stadt und Umgegend von ihm noch eben so wenig wußten, als im ersten Jahre seiner Anwesenheit. Er hatte die schwere Kunst verstanden, die Leute zu nöthigen, ein stilles Geheimniß mitten im lauten Markt des Tages gewohnt zu werden. Eines Tages trat, von Niemanden geahnet, ein anderes

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/447>, abgerufen am 22.11.2024.