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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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bot jenen Bedarf einfacher Mittel in leichten Krankheitsfällen, deren Besitz und Kenntniß dem Landbewohner von großem Vortheil ist.

Der unmittelbar nächste Nachbar des Schlosses war der Kammergutspachter, und der Graf empfand durch ihn hinlänglich die Wahrheit des Dichterwortes:

Es kann der Beste nicht in Frieden leben
Wenn es dem schlimmen Nachbar nicht gefällt.

Wie sich bei Anwesenheit des flüchtigen französischen Hauptmanns und seiner Handvoll Leute die rohe Bauernnatur in Verhöhung des Unglücks von Seiten dieses Mannes offenbart hatte, so zeigte sich sein Charakter auch gegen jeden Andern. Der Geschäftsträger nannte ihn in Briefen an den Grafen "Monsieur Grobian" , und der Graf selbst schrieb in einer seiner häufigen Beschwerden, daß die Bauern diesen Mann nur den "kleinen General" zu nennen pflegten, wahrscheinlich, weil derselbe ein absolutistisches Commando auf seiner Pachtung führte. Obschon er von dem Bewohner des Schlosses nur Vortheile hatte, und dieser sich gegen ihn und die Seinen stets gütig erwies, trat immer auf's Neue die bäuerische Grobheit und Habsucht in unverschämten Forderungen zu Tage. Des Grafen Pferde konnten nicht wohl anders in Stallung und Futter gegeben werden, als auf dem Gute. Unversehens beliebte es dem Pachter, die reichliche Bezahlung dafür noch zu steigern. Da sandte der Graf noch in der Nacht zum Schulzen, ließ ihn wecken und rufen, und verkaufte ihm die herrlichen Rappen um einen Drittheil ihres Werthes; vielleicht auch schon dadurch verstimmt, daß der nach Philipp's Tode zum Kutscher angenommene junge Mensch sich untauglich erwies. Dem Pachter wurde aber nach wie vor Stall- und Futtergeld fortgezahlt, damit er fühle, daß nicht des Geldes halber die Pferde abgeschafft seien, sondern daß man blos seiner Unverschämtheit sich unterzuordnen nicht geneigt gewesen sei.

Um sich und Sophien für die Entbehrung der Spazierfahrten zu entschädigen, miethete der Graf einen großen Wiesengarten, dicht vor dem Schloß, in welchem ein kleiner Beetgarten gelegen war. Zwischen dem Schloß und dem Garten rauschte die Rodach hin, von einem langen Steeg überbrückt. Hohes Buschwerk von Weiden, Ulmen und Rüstern friedeten diesen Wiesengarten ein, durch welchen der Graf einige Wege anlegen ließ, damit derselbe ihm und der Freundin

bot jenen Bedarf einfacher Mittel in leichten Krankheitsfällen, deren Besitz und Kenntniß dem Landbewohner von großem Vortheil ist.

Der unmittelbar nächste Nachbar des Schlosses war der Kammergutspachter, und der Graf empfand durch ihn hinlänglich die Wahrheit des Dichterwortes:

Es kann der Beste nicht in Frieden leben
Wenn es dem schlimmen Nachbar nicht gefällt.

Wie sich bei Anwesenheit des flüchtigen französischen Hauptmanns und seiner Handvoll Leute die rohe Bauernnatur in Verhöhung des Unglücks von Seiten dieses Mannes offenbart hatte, so zeigte sich sein Charakter auch gegen jeden Andern. Der Geschäftsträger nannte ihn in Briefen an den Grafen „Monsieur Grobian“ , und der Graf selbst schrieb in einer seiner häufigen Beschwerden, daß die Bauern diesen Mann nur den „kleinen General“ zu nennen pflegten, wahrscheinlich, weil derselbe ein absolutistisches Commando auf seiner Pachtung führte. Obschon er von dem Bewohner des Schlosses nur Vortheile hatte, und dieser sich gegen ihn und die Seinen stets gütig erwies, trat immer auf’s Neue die bäuerische Grobheit und Habsucht in unverschämten Forderungen zu Tage. Des Grafen Pferde konnten nicht wohl anders in Stallung und Futter gegeben werden, als auf dem Gute. Unversehens beliebte es dem Pachter, die reichliche Bezahlung dafür noch zu steigern. Da sandte der Graf noch in der Nacht zum Schulzen, ließ ihn wecken und rufen, und verkaufte ihm die herrlichen Rappen um einen Drittheil ihres Werthes; vielleicht auch schon dadurch verstimmt, daß der nach Philipp’s Tode zum Kutscher angenommene junge Mensch sich untauglich erwies. Dem Pachter wurde aber nach wie vor Stall- und Futtergeld fortgezahlt, damit er fühle, daß nicht des Geldes halber die Pferde abgeschafft seien, sondern daß man blos seiner Unverschämtheit sich unterzuordnen nicht geneigt gewesen sei.

Um sich und Sophien für die Entbehrung der Spazierfahrten zu entschädigen, miethete der Graf einen großen Wiesengarten, dicht vor dem Schloß, in welchem ein kleiner Beetgarten gelegen war. Zwischen dem Schloß und dem Garten rauschte die Rodach hin, von einem langen Steeg überbrückt. Hohes Buschwerk von Weiden, Ulmen und Rüstern friedeten diesen Wiesengarten ein, durch welchen der Graf einige Wege anlegen ließ, damit derselbe ihm und der Freundin

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[441/0445] bot jenen Bedarf einfacher Mittel in leichten Krankheitsfällen, deren Besitz und Kenntniß dem Landbewohner von großem Vortheil ist. Der unmittelbar nächste Nachbar des Schlosses war der Kammergutspachter, und der Graf empfand durch ihn hinlänglich die Wahrheit des Dichterwortes: Es kann der Beste nicht in Frieden leben Wenn es dem schlimmen Nachbar nicht gefällt. Wie sich bei Anwesenheit des flüchtigen französischen Hauptmanns und seiner Handvoll Leute die rohe Bauernnatur in Verhöhung des Unglücks von Seiten dieses Mannes offenbart hatte, so zeigte sich sein Charakter auch gegen jeden Andern. Der Geschäftsträger nannte ihn in Briefen an den Grafen „Monsieur Grobian“ , und der Graf selbst schrieb in einer seiner häufigen Beschwerden, daß die Bauern diesen Mann nur den „kleinen General“ zu nennen pflegten, wahrscheinlich, weil derselbe ein absolutistisches Commando auf seiner Pachtung führte. Obschon er von dem Bewohner des Schlosses nur Vortheile hatte, und dieser sich gegen ihn und die Seinen stets gütig erwies, trat immer auf’s Neue die bäuerische Grobheit und Habsucht in unverschämten Forderungen zu Tage. Des Grafen Pferde konnten nicht wohl anders in Stallung und Futter gegeben werden, als auf dem Gute. Unversehens beliebte es dem Pachter, die reichliche Bezahlung dafür noch zu steigern. Da sandte der Graf noch in der Nacht zum Schulzen, ließ ihn wecken und rufen, und verkaufte ihm die herrlichen Rappen um einen Drittheil ihres Werthes; vielleicht auch schon dadurch verstimmt, daß der nach Philipp’s Tode zum Kutscher angenommene junge Mensch sich untauglich erwies. Dem Pachter wurde aber nach wie vor Stall- und Futtergeld fortgezahlt, damit er fühle, daß nicht des Geldes halber die Pferde abgeschafft seien, sondern daß man blos seiner Unverschämtheit sich unterzuordnen nicht geneigt gewesen sei. Um sich und Sophien für die Entbehrung der Spazierfahrten zu entschädigen, miethete der Graf einen großen Wiesengarten, dicht vor dem Schloß, in welchem ein kleiner Beetgarten gelegen war. Zwischen dem Schloß und dem Garten rauschte die Rodach hin, von einem langen Steeg überbrückt. Hohes Buschwerk von Weiden, Ulmen und Rüstern friedeten diesen Wiesengarten ein, durch welchen der Graf einige Wege anlegen ließ, damit derselbe ihm und der Freundin

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/445>, abgerufen am 25.11.2024.