Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Maupertuis, Grumbkow, Bismark, Pannewitz, Schmettau, Knesebeck, Nöllnitz, Schulenburg und zahlreiche Andere. Dort traf die Großmutter auch zusammen mit einem nahen Verwandten ihres Gemahls, dem Vater des jetzigen Herzogs von Portland, den sie stets Mylord William nennt. Unter Anderem schrieb sie: "Tyrconel," dies war der Name eines Gesandten, "jagte mir großen Schrecken ein, daß Frankreich ohnfehlbar gegen mich sei, und daß er nichts Gutes voraussehe." An einer andern Stelle heißt es: "Am Hofe der regierenden Königin traf ich den Grafen von Bentheim-Steinfurth, der mir gleichfalls einen großen Schrecken verursachte. Ich versprach ihm, ihn zum Markgrafen Heinrich zu führen." An einer dritten Stelle schreibt sie: "Voltaire sollte bei mir diniren, er mußte aber nach Potsdam zurückkehren und konnte sich nur eine Stunde bei mir aufhalten. Kurz darauf besuchte er mich wieder und beruhigte mich in Betreff des Königs. Ich schrieb nun selbst und sandte meinen Läufer nach Potsdam; am folgenden Tage kam derselbe mit guten Nachrichten vom König zurück." -- So war ihr Leben ein außerordentlich bewegtes, bis sie sich endlich auf ihre Schlösser zurückzog, und auf diesen oder in ihrem Hause zu Hamburg der Wissenschaft lebte. Ihr Enkel, der Reichsgraf, dessen Schicksale du ja größtentheils bereits kennst, mußte erleben, daß bereits in Folge des Friedens von Campo Formio sein Lehensverband zwischen dem Herzogthum Brabant und der Herrschaft Kniphausen sich löste, daß der französische König von Holland alle seine Besitzungen und Herrschaften in Ostfriesland militärisch besetzte, daß der Tilsiter Friede Jever, nachdem Rußland es abgegeben, an Holland brachte, und daß Kaiser Napoleon seinem Bruder, dem König von Holland, über Varel und Kniphausen die Souveränetätsrechte verlieh, die dem rechtmäßigen Gebieter durch dessen Mediatisirung entrissen worden waren. In dem Jahre 1811 verschlang das nimmersatte Kaiserreich Alles, wie es war, große Lande und kleine Ländchen, Holland, Oldenburg, Varel und Kniphausen. Dafür bekam der Graf den Union-Orden, der ihm, nach Vereinigung Hollands mit Frankreich, in den Reunion-Orden umgewandelt wurde. Der Graf wünschte ganz andere Wiedervereinigungen herbei, als das Verhängniß der Napoleonischen Herrschaft ihr Mene Tekel schrieb; allein ein gewisses Vorhaben mißglückte ihm; er wurde in Haft genommen und von Vandamme mit dem Tode bedroht.

Maupertuis, Grumbkow, Bismark, Pannewitz, Schmettau, Knesebeck, Nöllnitz, Schulenburg und zahlreiche Andere. Dort traf die Großmutter auch zusammen mit einem nahen Verwandten ihres Gemahls, dem Vater des jetzigen Herzogs von Portland, den sie stets Mylord William nennt. Unter Anderem schrieb sie: „Tyrconel,“ dies war der Name eines Gesandten, „jagte mir großen Schrecken ein, daß Frankreich ohnfehlbar gegen mich sei, und daß er nichts Gutes voraussehe.“ An einer andern Stelle heißt es: „Am Hofe der regierenden Königin traf ich den Grafen von Bentheim-Steinfurth, der mir gleichfalls einen großen Schrecken verursachte. Ich versprach ihm, ihn zum Markgrafen Heinrich zu führen.“ An einer dritten Stelle schreibt sie: „Voltaire sollte bei mir diniren, er mußte aber nach Potsdam zurückkehren und konnte sich nur eine Stunde bei mir aufhalten. Kurz darauf besuchte er mich wieder und beruhigte mich in Betreff des Königs. Ich schrieb nun selbst und sandte meinen Läufer nach Potsdam; am folgenden Tage kam derselbe mit guten Nachrichten vom König zurück.“ — So war ihr Leben ein außerordentlich bewegtes, bis sie sich endlich auf ihre Schlösser zurückzog, und auf diesen oder in ihrem Hause zu Hamburg der Wissenschaft lebte. Ihr Enkel, der Reichsgraf, dessen Schicksale du ja größtentheils bereits kennst, mußte erleben, daß bereits in Folge des Friedens von Campo Formio sein Lehensverband zwischen dem Herzogthum Brabant und der Herrschaft Kniphausen sich löste, daß der französische König von Holland alle seine Besitzungen und Herrschaften in Ostfriesland militärisch besetzte, daß der Tilsiter Friede Jever, nachdem Rußland es abgegeben, an Holland brachte, und daß Kaiser Napoleon seinem Bruder, dem König von Holland, über Varel und Kniphausen die Souveränetätsrechte verlieh, die dem rechtmäßigen Gebieter durch dessen Mediatisirung entrissen worden waren. In dem Jahre 1811 verschlang das nimmersatte Kaiserreich Alles, wie es war, große Lande und kleine Ländchen, Holland, Oldenburg, Varel und Kniphausen. Dafür bekam der Graf den Union-Orden, der ihm, nach Vereinigung Hollands mit Frankreich, in den Reunion-Orden umgewandelt wurde. Der Graf wünschte ganz andere Wiedervereinigungen herbei, als das Verhängniß der Napoleonischen Herrschaft ihr Mene Tekel schrieb; allein ein gewisses Vorhaben mißglückte ihm; er wurde in Haft genommen und von Vandamme mit dem Tode bedroht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0443" n="439"/>
Maupertuis, Grumbkow, Bismark, Pannewitz, Schmettau, Knesebeck, Nöllnitz, Schulenburg und zahlreiche Andere. Dort traf die Großmutter auch zusammen mit einem nahen Verwandten ihres Gemahls, dem Vater des jetzigen Herzogs von Portland, den sie stets Mylord William nennt. Unter Anderem schrieb sie: &#x201E;Tyrconel,&#x201C;  dies war der Name eines Gesandten, &#x201E;jagte mir großen Schrecken ein, daß Frankreich ohnfehlbar gegen mich sei, und daß er nichts Gutes voraussehe.&#x201C;  An einer andern Stelle heißt es: &#x201E;Am Hofe der regierenden Königin traf ich den Grafen von Bentheim-Steinfurth, der mir gleichfalls einen großen Schrecken verursachte. Ich versprach ihm, ihn zum Markgrafen Heinrich zu führen.&#x201C;  An einer dritten Stelle schreibt sie: &#x201E;Voltaire sollte bei mir diniren, er mußte aber nach Potsdam zurückkehren und konnte sich nur eine Stunde bei mir aufhalten. Kurz darauf besuchte er mich wieder und beruhigte mich in Betreff des Königs. Ich schrieb nun selbst und sandte meinen Läufer nach Potsdam; am folgenden Tage kam derselbe mit guten Nachrichten vom König zurück.&#x201C;  &#x2014; So war ihr Leben ein außerordentlich bewegtes, bis sie sich endlich auf ihre Schlösser zurückzog, und auf diesen oder in ihrem Hause zu Hamburg der Wissenschaft lebte. Ihr Enkel, der Reichsgraf, dessen Schicksale du ja größtentheils bereits kennst, mußte erleben, daß bereits in Folge des Friedens von Campo Formio sein Lehensverband zwischen dem Herzogthum Brabant und der Herrschaft Kniphausen sich löste, daß der französische König von Holland alle seine Besitzungen und Herrschaften in Ostfriesland militärisch besetzte, daß der Tilsiter Friede Jever, nachdem Rußland es abgegeben, an Holland brachte, und daß Kaiser Napoleon seinem Bruder, dem König von Holland, über Varel und Kniphausen die Souveränetätsrechte verlieh, die dem rechtmäßigen Gebieter durch dessen Mediatisirung entrissen worden waren. In dem Jahre 1811 verschlang das nimmersatte Kaiserreich Alles, wie es war, große Lande und kleine Ländchen, Holland, Oldenburg, Varel und Kniphausen. Dafür bekam der Graf den Union-Orden, der ihm, nach Vereinigung Hollands mit Frankreich, in den Reunion-Orden umgewandelt wurde. Der Graf wünschte ganz andere Wiedervereinigungen herbei, als das Verhängniß der Napoleonischen Herrschaft ihr Mene Tekel schrieb; allein ein gewisses Vorhaben mißglückte ihm; er wurde in Haft genommen und von Vandamme mit dem Tode bedroht.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0443] Maupertuis, Grumbkow, Bismark, Pannewitz, Schmettau, Knesebeck, Nöllnitz, Schulenburg und zahlreiche Andere. Dort traf die Großmutter auch zusammen mit einem nahen Verwandten ihres Gemahls, dem Vater des jetzigen Herzogs von Portland, den sie stets Mylord William nennt. Unter Anderem schrieb sie: „Tyrconel,“ dies war der Name eines Gesandten, „jagte mir großen Schrecken ein, daß Frankreich ohnfehlbar gegen mich sei, und daß er nichts Gutes voraussehe.“ An einer andern Stelle heißt es: „Am Hofe der regierenden Königin traf ich den Grafen von Bentheim-Steinfurth, der mir gleichfalls einen großen Schrecken verursachte. Ich versprach ihm, ihn zum Markgrafen Heinrich zu führen.“ An einer dritten Stelle schreibt sie: „Voltaire sollte bei mir diniren, er mußte aber nach Potsdam zurückkehren und konnte sich nur eine Stunde bei mir aufhalten. Kurz darauf besuchte er mich wieder und beruhigte mich in Betreff des Königs. Ich schrieb nun selbst und sandte meinen Läufer nach Potsdam; am folgenden Tage kam derselbe mit guten Nachrichten vom König zurück.“ — So war ihr Leben ein außerordentlich bewegtes, bis sie sich endlich auf ihre Schlösser zurückzog, und auf diesen oder in ihrem Hause zu Hamburg der Wissenschaft lebte. Ihr Enkel, der Reichsgraf, dessen Schicksale du ja größtentheils bereits kennst, mußte erleben, daß bereits in Folge des Friedens von Campo Formio sein Lehensverband zwischen dem Herzogthum Brabant und der Herrschaft Kniphausen sich löste, daß der französische König von Holland alle seine Besitzungen und Herrschaften in Ostfriesland militärisch besetzte, daß der Tilsiter Friede Jever, nachdem Rußland es abgegeben, an Holland brachte, und daß Kaiser Napoleon seinem Bruder, dem König von Holland, über Varel und Kniphausen die Souveränetätsrechte verlieh, die dem rechtmäßigen Gebieter durch dessen Mediatisirung entrissen worden waren. In dem Jahre 1811 verschlang das nimmersatte Kaiserreich Alles, wie es war, große Lande und kleine Ländchen, Holland, Oldenburg, Varel und Kniphausen. Dafür bekam der Graf den Union-Orden, der ihm, nach Vereinigung Hollands mit Frankreich, in den Reunion-Orden umgewandelt wurde. Der Graf wünschte ganz andere Wiedervereinigungen herbei, als das Verhängniß der Napoleonischen Herrschaft ihr Mene Tekel schrieb; allein ein gewisses Vorhaben mißglückte ihm; er wurde in Haft genommen und von Vandamme mit dem Tode bedroht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/443
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/443>, abgerufen am 25.11.2024.