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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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dieser völligen Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt einen Genuß, einen Trost fand. Das Publikum hingegen, das die junge Dame selten und dann stets nur verschleiert erblickte, fing allmälig an zu argwöhnen, man halte sie mit Gewalt und gegen ihren Willen von der Welt abgesperrt und der Graf sei eine Art Othello oder Ritter Blaubart.

Heute flog diese, morgen jene Neuigkeit über die geheimnißvollen Fremden durch die Stadt und bildete den Inhalt der Gespräche ebensowohl an der Gasttafel im "Englischen Hof," als auf der Bank der äußersten Vorstadt-Kneipe. Einmal erzählte man sich, der Postillon habe sich auf dem Bock umgedreht, um den im Wagen Sitzenden Etwas mitzutheilen, und in Folge davon habe der fremde Graf dem Postmeister ein Billet geschrieben, des Inhalts, daß er sich diesen Postillon wie jeden andern, der sich unterstünde, während des Fahrens zurück und in den Wagen zu sehen, ein für allemal verbitten müsse. Ein anderes Mal war ein Jude, der bis an das Zimmer des Grafen gedrungen war, die Treppe mehr herabgeflogen, als gegangen, nachdem ihn der erzürnte Graf mit Doppelterzerolen bedroht hatte. So ging es fort und fort, eine sonderbare Nachricht verdrängte die andere, der geheimnißvolle Graf, der sein Leben mit der Tarnkappe verschlossenster Zurückhaltung und mit dem Mantel der tiefsten Verschwiegenheit umkleidete, ließ die Leute zu keiner Ruhe kommen.

Um den Garten des Hauses lief ein hoher Bretterzaun, gegen die Seite der Allee; wenn Ludwig und Sophie mit einander in den frühen Morgenstunden spazieren gingen, dann lustwandelten sie gewöhnlich in der alten schattigen Allee, welche sich um die Hälfte der Stadt längs der Umfassungsmauer hinzog, zu andern Tagesstunden aber ergingen sie sich in dem geräumigen Gemüsegarten dicht am Hause. Nachbarskinder bohrten Löcher in die Bretter der Umzäunung und blickten neugierig hindurch, denn schon in die Kinderwelt herab war das Mährchen, das sich so gerne den Kindern, seinen Lieblingen, befreundet, herabgestiegen und hatte verkündet, daß da drinnen eine verwünschte Prinzessin umgehe, welche keinen Mund habe; während Andere behaupteten, die fremde verschleierte Dame habe einen Todtenkopf.

Darüber kam es zum Wortwechsel, von diesem zu Prügeln, und während die liebe Gassenjugend draußen vor dem Garten zu Rittern

dieser völligen Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt einen Genuß, einen Trost fand. Das Publikum hingegen, das die junge Dame selten und dann stets nur verschleiert erblickte, fing allmälig an zu argwöhnen, man halte sie mit Gewalt und gegen ihren Willen von der Welt abgesperrt und der Graf sei eine Art Othello oder Ritter Blaubart.

Heute flog diese, morgen jene Neuigkeit über die geheimnißvollen Fremden durch die Stadt und bildete den Inhalt der Gespräche ebensowohl an der Gasttafel im „Englischen Hof,“ als auf der Bank der äußersten Vorstadt-Kneipe. Einmal erzählte man sich, der Postillon habe sich auf dem Bock umgedreht, um den im Wagen Sitzenden Etwas mitzutheilen, und in Folge davon habe der fremde Graf dem Postmeister ein Billet geschrieben, des Inhalts, daß er sich diesen Postillon wie jeden andern, der sich unterstünde, während des Fahrens zurück und in den Wagen zu sehen, ein für allemal verbitten müsse. Ein anderes Mal war ein Jude, der bis an das Zimmer des Grafen gedrungen war, die Treppe mehr herabgeflogen, als gegangen, nachdem ihn der erzürnte Graf mit Doppelterzerolen bedroht hatte. So ging es fort und fort, eine sonderbare Nachricht verdrängte die andere, der geheimnißvolle Graf, der sein Leben mit der Tarnkappe verschlossenster Zurückhaltung und mit dem Mantel der tiefsten Verschwiegenheit umkleidete, ließ die Leute zu keiner Ruhe kommen.

Um den Garten des Hauses lief ein hoher Bretterzaun, gegen die Seite der Allee; wenn Ludwig und Sophie mit einander in den frühen Morgenstunden spazieren gingen, dann lustwandelten sie gewöhnlich in der alten schattigen Allee, welche sich um die Hälfte der Stadt längs der Umfassungsmauer hinzog, zu andern Tagesstunden aber ergingen sie sich in dem geräumigen Gemüsegarten dicht am Hause. Nachbarskinder bohrten Löcher in die Bretter der Umzäunung und blickten neugierig hindurch, denn schon in die Kinderwelt herab war das Mährchen, das sich so gerne den Kindern, seinen Lieblingen, befreundet, herabgestiegen und hatte verkündet, daß da drinnen eine verwünschte Prinzessin umgehe, welche keinen Mund habe; während Andere behaupteten, die fremde verschleierte Dame habe einen Todtenkopf.

Darüber kam es zum Wortwechsel, von diesem zu Prügeln, und während die liebe Gassenjugend draußen vor dem Garten zu Rittern

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[417/0421] dieser völligen Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt einen Genuß, einen Trost fand. Das Publikum hingegen, das die junge Dame selten und dann stets nur verschleiert erblickte, fing allmälig an zu argwöhnen, man halte sie mit Gewalt und gegen ihren Willen von der Welt abgesperrt und der Graf sei eine Art Othello oder Ritter Blaubart. Heute flog diese, morgen jene Neuigkeit über die geheimnißvollen Fremden durch die Stadt und bildete den Inhalt der Gespräche ebensowohl an der Gasttafel im „Englischen Hof,“ als auf der Bank der äußersten Vorstadt-Kneipe. Einmal erzählte man sich, der Postillon habe sich auf dem Bock umgedreht, um den im Wagen Sitzenden Etwas mitzutheilen, und in Folge davon habe der fremde Graf dem Postmeister ein Billet geschrieben, des Inhalts, daß er sich diesen Postillon wie jeden andern, der sich unterstünde, während des Fahrens zurück und in den Wagen zu sehen, ein für allemal verbitten müsse. Ein anderes Mal war ein Jude, der bis an das Zimmer des Grafen gedrungen war, die Treppe mehr herabgeflogen, als gegangen, nachdem ihn der erzürnte Graf mit Doppelterzerolen bedroht hatte. So ging es fort und fort, eine sonderbare Nachricht verdrängte die andere, der geheimnißvolle Graf, der sein Leben mit der Tarnkappe verschlossenster Zurückhaltung und mit dem Mantel der tiefsten Verschwiegenheit umkleidete, ließ die Leute zu keiner Ruhe kommen. Um den Garten des Hauses lief ein hoher Bretterzaun, gegen die Seite der Allee; wenn Ludwig und Sophie mit einander in den frühen Morgenstunden spazieren gingen, dann lustwandelten sie gewöhnlich in der alten schattigen Allee, welche sich um die Hälfte der Stadt längs der Umfassungsmauer hinzog, zu andern Tagesstunden aber ergingen sie sich in dem geräumigen Gemüsegarten dicht am Hause. Nachbarskinder bohrten Löcher in die Bretter der Umzäunung und blickten neugierig hindurch, denn schon in die Kinderwelt herab war das Mährchen, das sich so gerne den Kindern, seinen Lieblingen, befreundet, herabgestiegen und hatte verkündet, daß da drinnen eine verwünschte Prinzessin umgehe, welche keinen Mund habe; während Andere behaupteten, die fremde verschleierte Dame habe einen Todtenkopf. Darüber kam es zum Wortwechsel, von diesem zu Prügeln, und während die liebe Gassenjugend draußen vor dem Garten zu Rittern

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/421>, abgerufen am 25.11.2024.