Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

verkündete, da überkam unsere Reisende ein unnennbar süßes Gefühl der Ruhe, der sanften traulichen Befriedigung. Es war als schließe hinter ihnen die Welt voll Sturm, voll Unfriede, voll Haß und Verfolgung sich ab, und ein neues Leben, nur dem Frieden und der Liebe geweiht, thue sich vor ihnen auf.

Dasselbe Gasthaus, in dem damals die fürstlichen Reisenden während des Pferdewechsels eingetreten waren, der "Englische Hof" in Hildburghausen, nahm sie auch diesmal wieder auf, heute jedoch zu ungleich längerem Aufenthalt. Bald nach ihrer Ankunft suchte der Graf um eine Audienz bei der regierenden Herzogin Charlotte nach. Diese gebildete Fürstin, deren Geist und edles Herz noch heute im treuen Andenken von Stadt und Land fortlebt, empfing den Grafen mit Güte und dankbarer Erinnerung.

Ich komme, Ihre Durchlaucht um die Gnade zu bitten, mich eine Zeitlang hier aufhalten zu dürfen, sagte Ludwig nach der ersten Begrüßung. Ich suche mit einer Gefährtin von hoher Geburt die Einsamkeit, die tiefste Stille. Ueber jener Dame Abkunft schließt mir ein theures Gelübde den Mund, das nur ein strenger Befehl lösen würde, der dann zugleich mein Verbannungsurtheil, meine Ausweisung wäre. Mein Ehrenwort leistet dafür Bürgschaft -- ich selbst darf nichts sagen, wie gerne ich auch einem so edlen Frauenherzen, wie dem Ihrer Durchlaucht, Alles vertrauen würde.

Ich verstehe Sie vollkommen, lieber Graf! erwiederte die Herzogin lächelnd. Wir sind hier am Hofe etwas schwatzhaft geartet, meinen Sie nicht? Nun, Sie mögen nicht so ganz unrecht haben! Uebrigens sollen Sie sehen, daß ich eine Regel von der Ausnahme mache, und damit Sie gleich den Beweis davon haben, gebe ich Ihnen hiermit das Versprechen, Ihr Geheimniß jederzeit zu ehren, und Sie und die unbekannte Dame, für deren Ritter Sie sich erklären, nach Kräften zu schützen. Je länger es Ihnen bei uns gefällt, um so mehr soll es mich freuen; aber von Einem seien Sie zum voraus fest überzeugt: Bin auch ich nicht neugierig, hinter Ihr Geheimniß zu kommen, so werden's andere Leute dafür um so eifriger sein. Mit einem Wort: Hüten Sie sich vor der delphischen Weisheit unserer guten Residenzbewohner.



verkündete, da überkam unsere Reisende ein unnennbar süßes Gefühl der Ruhe, der sanften traulichen Befriedigung. Es war als schließe hinter ihnen die Welt voll Sturm, voll Unfriede, voll Haß und Verfolgung sich ab, und ein neues Leben, nur dem Frieden und der Liebe geweiht, thue sich vor ihnen auf.

Dasselbe Gasthaus, in dem damals die fürstlichen Reisenden während des Pferdewechsels eingetreten waren, der „Englische Hof“ in Hildburghausen, nahm sie auch diesmal wieder auf, heute jedoch zu ungleich längerem Aufenthalt. Bald nach ihrer Ankunft suchte der Graf um eine Audienz bei der regierenden Herzogin Charlotte nach. Diese gebildete Fürstin, deren Geist und edles Herz noch heute im treuen Andenken von Stadt und Land fortlebt, empfing den Grafen mit Güte und dankbarer Erinnerung.

Ich komme, Ihre Durchlaucht um die Gnade zu bitten, mich eine Zeitlang hier aufhalten zu dürfen, sagte Ludwig nach der ersten Begrüßung. Ich suche mit einer Gefährtin von hoher Geburt die Einsamkeit, die tiefste Stille. Ueber jener Dame Abkunft schließt mir ein theures Gelübde den Mund, das nur ein strenger Befehl lösen würde, der dann zugleich mein Verbannungsurtheil, meine Ausweisung wäre. Mein Ehrenwort leistet dafür Bürgschaft — ich selbst darf nichts sagen, wie gerne ich auch einem so edlen Frauenherzen, wie dem Ihrer Durchlaucht, Alles vertrauen würde.

Ich verstehe Sie vollkommen, lieber Graf! erwiederte die Herzogin lächelnd. Wir sind hier am Hofe etwas schwatzhaft geartet, meinen Sie nicht? Nun, Sie mögen nicht so ganz unrecht haben! Uebrigens sollen Sie sehen, daß ich eine Regel von der Ausnahme mache, und damit Sie gleich den Beweis davon haben, gebe ich Ihnen hiermit das Versprechen, Ihr Geheimniß jederzeit zu ehren, und Sie und die unbekannte Dame, für deren Ritter Sie sich erklären, nach Kräften zu schützen. Je länger es Ihnen bei uns gefällt, um so mehr soll es mich freuen; aber von Einem seien Sie zum voraus fest überzeugt: Bin auch ich nicht neugierig, hinter Ihr Geheimniß zu kommen, so werden’s andere Leute dafür um so eifriger sein. Mit einem Wort: Hüten Sie sich vor der delphischen Weisheit unserer guten Residenzbewohner.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0417" n="413"/>
verkündete, da überkam unsere Reisende ein unnennbar süßes Gefühl der Ruhe, der sanften traulichen Befriedigung. Es war als schließe hinter ihnen die Welt voll Sturm, voll Unfriede, voll Haß und Verfolgung sich ab, und ein neues Leben, nur dem Frieden und der Liebe geweiht, thue sich vor ihnen auf.</p>
          <p>Dasselbe Gasthaus, in dem damals die fürstlichen Reisenden während des Pferdewechsels eingetreten waren, der &#x201E;Englische Hof&#x201C;  in Hildburghausen, nahm sie auch diesmal wieder auf, heute jedoch zu ungleich längerem Aufenthalt. Bald nach ihrer Ankunft suchte der Graf um eine Audienz bei der regierenden Herzogin Charlotte nach. Diese gebildete Fürstin, deren Geist und edles Herz noch heute im treuen Andenken von Stadt und Land fortlebt, empfing den Grafen mit Güte und dankbarer Erinnerung.</p>
          <p>Ich komme, Ihre Durchlaucht um die Gnade zu bitten, mich eine Zeitlang hier aufhalten zu dürfen, sagte Ludwig nach der ersten Begrüßung. Ich suche mit einer Gefährtin von hoher Geburt die Einsamkeit, die tiefste Stille. Ueber jener Dame Abkunft schließt mir ein theures Gelübde den Mund, das nur ein strenger Befehl lösen würde, der dann zugleich mein Verbannungsurtheil, meine Ausweisung wäre. Mein Ehrenwort leistet dafür Bürgschaft &#x2014; ich selbst darf nichts sagen, wie gerne ich auch einem so edlen Frauenherzen, wie dem Ihrer Durchlaucht, Alles vertrauen würde.</p>
          <p>Ich verstehe Sie vollkommen, lieber Graf! erwiederte die Herzogin lächelnd. Wir sind hier am Hofe etwas schwatzhaft geartet, meinen Sie nicht? Nun, Sie mögen nicht so ganz unrecht haben! Uebrigens sollen Sie sehen, daß ich eine Regel von der Ausnahme mache, und damit Sie gleich den Beweis davon haben, gebe ich Ihnen hiermit das Versprechen, Ihr Geheimniß jederzeit zu ehren, und Sie und die unbekannte Dame, für deren Ritter Sie sich erklären, nach Kräften zu schützen. Je länger es Ihnen bei uns gefällt, um so mehr soll es mich freuen; aber von Einem seien Sie zum voraus fest überzeugt: Bin auch ich nicht neugierig, hinter Ihr Geheimniß zu kommen, so werden&#x2019;s andere Leute dafür um so eifriger sein. Mit einem Wort: Hüten Sie sich vor der delphischen Weisheit unserer guten Residenzbewohner.</p>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="2">
</div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0417] verkündete, da überkam unsere Reisende ein unnennbar süßes Gefühl der Ruhe, der sanften traulichen Befriedigung. Es war als schließe hinter ihnen die Welt voll Sturm, voll Unfriede, voll Haß und Verfolgung sich ab, und ein neues Leben, nur dem Frieden und der Liebe geweiht, thue sich vor ihnen auf. Dasselbe Gasthaus, in dem damals die fürstlichen Reisenden während des Pferdewechsels eingetreten waren, der „Englische Hof“ in Hildburghausen, nahm sie auch diesmal wieder auf, heute jedoch zu ungleich längerem Aufenthalt. Bald nach ihrer Ankunft suchte der Graf um eine Audienz bei der regierenden Herzogin Charlotte nach. Diese gebildete Fürstin, deren Geist und edles Herz noch heute im treuen Andenken von Stadt und Land fortlebt, empfing den Grafen mit Güte und dankbarer Erinnerung. Ich komme, Ihre Durchlaucht um die Gnade zu bitten, mich eine Zeitlang hier aufhalten zu dürfen, sagte Ludwig nach der ersten Begrüßung. Ich suche mit einer Gefährtin von hoher Geburt die Einsamkeit, die tiefste Stille. Ueber jener Dame Abkunft schließt mir ein theures Gelübde den Mund, das nur ein strenger Befehl lösen würde, der dann zugleich mein Verbannungsurtheil, meine Ausweisung wäre. Mein Ehrenwort leistet dafür Bürgschaft — ich selbst darf nichts sagen, wie gerne ich auch einem so edlen Frauenherzen, wie dem Ihrer Durchlaucht, Alles vertrauen würde. Ich verstehe Sie vollkommen, lieber Graf! erwiederte die Herzogin lächelnd. Wir sind hier am Hofe etwas schwatzhaft geartet, meinen Sie nicht? Nun, Sie mögen nicht so ganz unrecht haben! Uebrigens sollen Sie sehen, daß ich eine Regel von der Ausnahme mache, und damit Sie gleich den Beweis davon haben, gebe ich Ihnen hiermit das Versprechen, Ihr Geheimniß jederzeit zu ehren, und Sie und die unbekannte Dame, für deren Ritter Sie sich erklären, nach Kräften zu schützen. Je länger es Ihnen bei uns gefällt, um so mehr soll es mich freuen; aber von Einem seien Sie zum voraus fest überzeugt: Bin auch ich nicht neugierig, hinter Ihr Geheimniß zu kommen, so werden’s andere Leute dafür um so eifriger sein. Mit einem Wort: Hüten Sie sich vor der delphischen Weisheit unserer guten Residenzbewohner.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/417
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/417>, abgerufen am 18.12.2024.