Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Ludwig blickte eine Weile sinnend vor sich hin, als wolle er sich die Sache überlegen, dann sprach er: Wirklich? Ihr schafft die Summe? Ach, da thut es mir in der That recht leid, daß ich nicht im Stande bin, euren so billigen Wunsch erfüllen zu können. Warum nicht? Weil ich nicht mehr im Besitz jenes seltenen Vogels bin. Um des Himmels Willen, was muß ich hören! fuhr der Graf erschrocken auf. Wurde er dir entrissen? Gabst du ihn hin? An wen gabst du ihn und wie theuer? Nie würde ich so unwürdig handeln, dieses werthvolle Familienstück zu verkaufen, Vetter! Das denkst du gewiß nicht von mir! Nun denn, wo kam der Falke sonst hin? fragte der Erbherr in ungeduldiger Spannung. Ich habe ihn verschenkt, war Ludwig's ruhige Antwort. Verschenkt! Hör' ich recht, verschenkt! schrie Jener außer sich. Ich bitte dich, Ludwig! Wußtest du, was du thatest? Ich wußte, was ich that, mein lieber Vetter, ich war bei vollem Bewußtsein; mit der einzigen Bedingung, den Falken nie wieder aus den Händen zu geben, schenkte ich den armen Vogel einer vornehmen und sehr reichen Dame, die ich liebe. Der Reichsgraf stieß sein Champagnerglas so heftig auf den Tisch, daß es klirrend zersplitterte. Fahr hin, Glück von Edenhall! sprach dazu Ludwig ganz kaltblütig, mit einer Anspielung auf eine bekannte Sage. Was ist's mit dem Glück von Edenhall? fragte Graf Wilhelm rauh und hastig, indem er seinen Grimm zu bemeistern suchte. Als ich in England, in der Grafschaft Devonshire war, erzählte Ludwig, nachdem er ein frisches Glas und eine frische Flasche Champagner bestellt hatte: fand ich auf dem reizenden Schloß Chatsworth, in einem Zimmer, darin die unglückliche Maria Stuart sechzehn Jahre ihres Lebens vertrauerte und neben dem mein Schlafkabinet war, eine alte schottische Chronik, darin ich von einem schönen Krystallbecher las, welcher dem Grafenhause von Castle Edenhall in Cumberland als Geschenk einer Fee gehörte, und "das Glück von Edenhall" genannt ward. So lange es existirte, sollte des Hauses Glück unwandelbar blühen. Ein Sproß des Hauses von wildem Sinn wollte das Glück Ludwig blickte eine Weile sinnend vor sich hin, als wolle er sich die Sache überlegen, dann sprach er: Wirklich? Ihr schafft die Summe? Ach, da thut es mir in der That recht leid, daß ich nicht im Stande bin, euren so billigen Wunsch erfüllen zu können. Warum nicht? Weil ich nicht mehr im Besitz jenes seltenen Vogels bin. Um des Himmels Willen, was muß ich hören! fuhr der Graf erschrocken auf. Wurde er dir entrissen? Gabst du ihn hin? An wen gabst du ihn und wie theuer? Nie würde ich so unwürdig handeln, dieses werthvolle Familienstück zu verkaufen, Vetter! Das denkst du gewiß nicht von mir! Nun denn, wo kam der Falke sonst hin? fragte der Erbherr in ungeduldiger Spannung. Ich habe ihn verschenkt, war Ludwig’s ruhige Antwort. Verschenkt! Hör’ ich recht, verschenkt! schrie Jener außer sich. Ich bitte dich, Ludwig! Wußtest du, was du thatest? Ich wußte, was ich that, mein lieber Vetter, ich war bei vollem Bewußtsein; mit der einzigen Bedingung, den Falken nie wieder aus den Händen zu geben, schenkte ich den armen Vogel einer vornehmen und sehr reichen Dame, die ich liebe. Der Reichsgraf stieß sein Champagnerglas so heftig auf den Tisch, daß es klirrend zersplitterte. Fahr hin, Glück von Edenhall! sprach dazu Ludwig ganz kaltblütig, mit einer Anspielung auf eine bekannte Sage. Was ist’s mit dem Glück von Edenhall? fragte Graf Wilhelm rauh und hastig, indem er seinen Grimm zu bemeistern suchte. Als ich in England, in der Grafschaft Devonshire war, erzählte Ludwig, nachdem er ein frisches Glas und eine frische Flasche Champagner bestellt hatte: fand ich auf dem reizenden Schloß Chatsworth, in einem Zimmer, darin die unglückliche Maria Stuart sechzehn Jahre ihres Lebens vertrauerte und neben dem mein Schlafkabinet war, eine alte schottische Chronik, darin ich von einem schönen Krystallbecher las, welcher dem Grafenhause von Castle Edenhall in Cumberland als Geschenk einer Fee gehörte, und „das Glück von Edenhall“ genannt ward. So lange es existirte, sollte des Hauses Glück unwandelbar blühen. Ein Sproß des Hauses von wildem Sinn wollte das Glück <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0413" n="409"/> <p>Ludwig blickte eine Weile sinnend vor sich hin, als wolle er sich die Sache überlegen, dann sprach er: Wirklich? Ihr schafft die Summe? 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Wußtest du, was du thatest?</p> <p>Ich wußte, was ich that, mein lieber Vetter, ich war bei vollem Bewußtsein; mit der einzigen Bedingung, den Falken nie wieder aus den Händen zu geben, schenkte ich den armen Vogel einer vornehmen und sehr reichen Dame, die ich liebe.</p> <p>Der Reichsgraf stieß sein Champagnerglas so heftig auf den Tisch, daß es klirrend zersplitterte.</p> <p>Fahr hin, Glück von Edenhall! sprach dazu Ludwig ganz kaltblütig, mit einer Anspielung auf eine bekannte Sage.</p> <p>Was ist’s mit dem Glück von Edenhall? fragte Graf Wilhelm rauh und hastig, indem er seinen Grimm zu bemeistern suchte.</p> <p>Als ich in England, in der Grafschaft Devonshire war, erzählte Ludwig, nachdem er ein frisches Glas und eine frische Flasche Champagner bestellt hatte: fand ich auf dem reizenden Schloß Chatsworth, in einem Zimmer, darin die unglückliche Maria Stuart sechzehn Jahre ihres Lebens vertrauerte und neben dem mein Schlafkabinet war, eine alte schottische Chronik, darin ich von einem schönen Krystallbecher las, welcher dem Grafenhause von Castle Edenhall in Cumberland als Geschenk einer Fee gehörte, und „das Glück von Edenhall“ genannt ward. So lange es existirte, sollte des Hauses Glück unwandelbar blühen. Ein Sproß des Hauses von wildem Sinn wollte das Glück </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [409/0413]
Ludwig blickte eine Weile sinnend vor sich hin, als wolle er sich die Sache überlegen, dann sprach er: Wirklich? Ihr schafft die Summe? Ach, da thut es mir in der That recht leid, daß ich nicht im Stande bin, euren so billigen Wunsch erfüllen zu können.
Warum nicht?
Weil ich nicht mehr im Besitz jenes seltenen Vogels bin.
Um des Himmels Willen, was muß ich hören! fuhr der Graf erschrocken auf. Wurde er dir entrissen? Gabst du ihn hin? An wen gabst du ihn und wie theuer?
Nie würde ich so unwürdig handeln, dieses werthvolle Familienstück zu verkaufen, Vetter! Das denkst du gewiß nicht von mir!
Nun denn, wo kam der Falke sonst hin? fragte der Erbherr in ungeduldiger Spannung.
Ich habe ihn verschenkt, war Ludwig’s ruhige Antwort.
Verschenkt! Hör’ ich recht, verschenkt! schrie Jener außer sich. Ich bitte dich, Ludwig! Wußtest du, was du thatest?
Ich wußte, was ich that, mein lieber Vetter, ich war bei vollem Bewußtsein; mit der einzigen Bedingung, den Falken nie wieder aus den Händen zu geben, schenkte ich den armen Vogel einer vornehmen und sehr reichen Dame, die ich liebe.
Der Reichsgraf stieß sein Champagnerglas so heftig auf den Tisch, daß es klirrend zersplitterte.
Fahr hin, Glück von Edenhall! sprach dazu Ludwig ganz kaltblütig, mit einer Anspielung auf eine bekannte Sage.
Was ist’s mit dem Glück von Edenhall? fragte Graf Wilhelm rauh und hastig, indem er seinen Grimm zu bemeistern suchte.
Als ich in England, in der Grafschaft Devonshire war, erzählte Ludwig, nachdem er ein frisches Glas und eine frische Flasche Champagner bestellt hatte: fand ich auf dem reizenden Schloß Chatsworth, in einem Zimmer, darin die unglückliche Maria Stuart sechzehn Jahre ihres Lebens vertrauerte und neben dem mein Schlafkabinet war, eine alte schottische Chronik, darin ich von einem schönen Krystallbecher las, welcher dem Grafenhause von Castle Edenhall in Cumberland als Geschenk einer Fee gehörte, und „das Glück von Edenhall“ genannt ward. So lange es existirte, sollte des Hauses Glück unwandelbar blühen. Ein Sproß des Hauses von wildem Sinn wollte das Glück
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/413>, abgerufen am 16.02.2025. |