Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.bestürmt Sie, mein gnädiger lieber Herr Graf, der alte Windt nicht mehr mit seinen unruhigen Briefen! Alles Glück sei mit Ihnen, und bedürfen Sie meiner für Ihre Aufträge in irgend einer Sache, so werden dieselben von mir vollzogen, ich mag sein, wo ich immer sei, nur nicht, wenn ich im Himmel bin; doch selbst dort noch Ihr ganz ergebenster W." Mit neugierigem Verlangen griff der Graf nach den Documenten und sprach schmerzlich lächelnd: Ich will doch nicht hoffen, daß sich um mich ein Schriften- und Actenwerk drängt, wie um die alte selige Großmutter; am Besten wird es sein, ich werfe, was mir nicht gefällt, gleich in's Feuer. Das erste Papier war ein mit zwei schwarzen Siegeln versehener und vom Erbherrn wie von dem Vice-Admiral eigenhändig unterschriebener Vertrag in französischer Sprache, welcher ins Deutsche übersetzt lautete: Wir, die Unterzeichneten, Wilhelm Gustav Friedrich, regierender Graf von Rhoon, Herr von Varel und Kniphausen, und Wir, William, Graf und Herr von Doorwerth mit Zubehör (cum annexis) erklären und erkunden, daß alle die Rechtsfragen, Streitpunkte und Zwistigkeiten, die vorher zwischen der Reichsgräfin Charlotte Sophie, verwittweten Gräfin und Frau zu Varel, In- und Kniphausen, geborene Gräfin von Aldenburg einerseits, und dem obengenannten regierenden Grafen, wie auch die zwischen seinem seligen Vater, dem Herrn von Varel, seiner Frau Mutter und seinem Großvater anderseits Statt gefunden haben, auf eine freundliche Art für immer abgethan und verglichen sein sollen, so daß Wir, der regierende Graf und Herr von Doorwerth, als einziger Erbe der seligen Frau Gräfin, unserer Großmutter, im vollkommensten Einverständniß über Alles sind, was Rechte und Vorrechte in unsern Familien betrifft, und daß wir so wohl für uns als für unsere Nachkommenschaft, die es angeht, uns verbunden haben, niemals diese gemeinschaftliche Uebereinkunft zu verletzen. Damit aber unsere oben ausgesprochene, gemeinschaftliche Vereinigung weder Zweifel noch Widerspruch erleide, so haben wir diesen gegenwärtigen Act unterschrieben und besiegelt. Geschehen zu Varel etc. Es waren die richtigen beiderseitigen Wappen; das des Erbherrn stand in einem gekrönten hermelinverbrämten Fürstenmantel, über bestürmt Sie, mein gnädiger lieber Herr Graf, der alte Windt nicht mehr mit seinen unruhigen Briefen! Alles Glück sei mit Ihnen, und bedürfen Sie meiner für Ihre Aufträge in irgend einer Sache, so werden dieselben von mir vollzogen, ich mag sein, wo ich immer sei, nur nicht, wenn ich im Himmel bin; doch selbst dort noch Ihr ganz ergebenster W.“ Mit neugierigem Verlangen griff der Graf nach den Documenten und sprach schmerzlich lächelnd: Ich will doch nicht hoffen, daß sich um mich ein Schriften- und Actenwerk drängt, wie um die alte selige Großmutter; am Besten wird es sein, ich werfe, was mir nicht gefällt, gleich in’s Feuer. Das erste Papier war ein mit zwei schwarzen Siegeln versehener und vom Erbherrn wie von dem Vice-Admiral eigenhändig unterschriebener Vertrag in französischer Sprache, welcher ins Deutsche übersetzt lautete: Wir, die Unterzeichneten, Wilhelm Gustav Friedrich, regierender Graf von Rhoon, Herr von Varel und Kniphausen, und Wir, William, Graf und Herr von Doorwerth mit Zubehör (cum annexis) erklären und erkunden, daß alle die Rechtsfragen, Streitpunkte und Zwistigkeiten, die vorher zwischen der Reichsgräfin Charlotte Sophie, verwittweten Gräfin und Frau zu Varel, In- und Kniphausen, geborene Gräfin von Aldenburg einerseits, und dem obengenannten regierenden Grafen, wie auch die zwischen seinem seligen Vater, dem Herrn von Varel, seiner Frau Mutter und seinem Großvater anderseits Statt gefunden haben, auf eine freundliche Art für immer abgethan und verglichen sein sollen, so daß Wir, der regierende Graf und Herr von Doorwerth, als einziger Erbe der seligen Frau Gräfin, unserer Großmutter, im vollkommensten Einverständniß über Alles sind, was Rechte und Vorrechte in unsern Familien betrifft, und daß wir so wohl für uns als für unsere Nachkommenschaft, die es angeht, uns verbunden haben, niemals diese gemeinschaftliche Uebereinkunft zu verletzen. Damit aber unsere oben ausgesprochene, gemeinschaftliche Vereinigung weder Zweifel noch Widerspruch erleide, so haben wir diesen gegenwärtigen Act unterschrieben und besiegelt. Geschehen zu Varel etc. Es waren die richtigen beiderseitigen Wappen; das des Erbherrn stand in einem gekrönten hermelinverbrämten Fürstenmantel, über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0401" n="397"/> bestürmt Sie, mein gnädiger lieber Herr Graf, der alte Windt nicht mehr mit seinen unruhigen Briefen! 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bestürmt Sie, mein gnädiger lieber Herr Graf, der alte Windt nicht mehr mit seinen unruhigen Briefen! Alles Glück sei mit Ihnen, und bedürfen Sie meiner für Ihre Aufträge in irgend einer Sache, so werden dieselben von mir vollzogen, ich mag sein, wo ich immer sei, nur nicht, wenn ich im Himmel bin; doch selbst dort noch
Ihr ganz ergebenster W.“
Mit neugierigem Verlangen griff der Graf nach den Documenten und sprach schmerzlich lächelnd: Ich will doch nicht hoffen, daß sich um mich ein Schriften- und Actenwerk drängt, wie um die alte selige Großmutter; am Besten wird es sein, ich werfe, was mir nicht gefällt, gleich in’s Feuer.
Das erste Papier war ein mit zwei schwarzen Siegeln versehener und vom Erbherrn wie von dem Vice-Admiral eigenhändig unterschriebener Vertrag in französischer Sprache, welcher ins Deutsche übersetzt lautete:
Wir, die Unterzeichneten, Wilhelm Gustav Friedrich, regierender Graf von Rhoon, Herr von Varel und Kniphausen, und Wir, William, Graf und Herr von Doorwerth mit Zubehör (cum annexis) erklären und erkunden, daß alle die Rechtsfragen, Streitpunkte und Zwistigkeiten, die vorher zwischen der Reichsgräfin Charlotte Sophie, verwittweten Gräfin und Frau zu Varel, In- und Kniphausen, geborene Gräfin von Aldenburg einerseits, und dem obengenannten regierenden Grafen, wie auch die zwischen seinem seligen Vater, dem Herrn von Varel, seiner Frau Mutter und seinem Großvater anderseits Statt gefunden haben, auf eine freundliche Art für immer abgethan und verglichen sein sollen, so daß Wir, der regierende Graf und Herr von Doorwerth, als einziger Erbe der seligen Frau Gräfin, unserer Großmutter, im vollkommensten Einverständniß über Alles sind, was Rechte und Vorrechte in unsern Familien betrifft, und daß wir so wohl für uns als für unsere Nachkommenschaft, die es angeht, uns verbunden haben, niemals diese gemeinschaftliche Uebereinkunft zu verletzen. Damit aber unsere oben ausgesprochene, gemeinschaftliche Vereinigung weder Zweifel noch Widerspruch erleide, so haben wir diesen gegenwärtigen Act unterschrieben und besiegelt. Geschehen zu Varel etc.
Es waren die richtigen beiderseitigen Wappen; das des Erbherrn stand in einem gekrönten hermelinverbrämten Fürstenmantel, über
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/401>, abgerufen am 16.02.2025. |