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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Sehr neugierig darauf, welche Documente man ihm, dem gleichsam Vergessenen und Abgefundenen, noch nachträglich zu senden habe, öffnete Ludwig.

"Es ist Jammerschade, hochverehrtester Herr Graf," schrieb Windt: "daß Sie nicht ohnlängst mit in Kniphausen waren! Das war eine Herrlichkeit in der Herrlichkeit! Ich übersende Ihnen treu copirte und vidimirte Abschriften mancher Actenstücke, aus denen Sie sich über den Stand der Dinge ungleich besser unterrichten können und werden, als ich mit meinem Geschreibsel es vermöchte; kurz, es ging hoch her und Niemand fehlte dabei als Sie, oder doch der Falk von Kniphausen!"

"Unter A finden Sie im Original, welches auf mein Ersuchen auch eigens für Sie gefertigt, unterschrieben und besiegelt wurde, den zu Varel geschlossenen Vergleich zwischen dem Erbherrn und dem Besitzer von Doorwerth; unter B einen Auszug des Testamentes meiner hochseligen Gebieterin, und unter C ein dem Kopfe des Herrn Hofrath Brünings entsprungenes Memorandum, welches aber mit der aus Jovis Haupt entsprungenen Minerva Nichts gemein hat, als daß ihm ein Harnisch mit Drachenschuppen um den Leib geschnallt ist. Was dieses invita Minerva entstandene Curiosum enthält, werden Sie selbst lesen, es geht Sie an."

"Der junge Sohn aus der Gewissensehe, welche der Erbherr mit Demoiselle Sara Gerdes geschlossen hat, und bei dem der Herr Vice-Admiral Pathenstelle versah, ist hier in Hamburg, wo die Mutter im Palast der hochseligen Frau Großmutter ihre Wochen hielt, auf die Namen William Friedrich getauft worden, und befindet sich wohl. Diese Frucht aus dem ländlichen Garten von Bockhorn ist so schön, als immerhin eine andere im Park eines reichsgräflichen Ahnenschlosses erzeugte. Der Erbherr hat zu Varel seinem Pfarrer Hansing anderthalb Jahre nach dem Tode der holdseligen Erbherrin Ottoline erklärt, daß er als Wittwer, durch Familienverhältnisse und aus andern Gründen zu einer anderweit standesgemäßen Verbindung nicht schreiten wolle, aber auch nicht ohne Liebebeglückung durch das ihm noch vergönnte Leben zu wandeln gedenke, und feierlich jene seine Geliebte zur Stellvertreterin seiner verewigten Gemahlin erkoren und ernannt, mit der er, in vor Gott gültiger Gewissensehe zu leben gedenke, auch ohne die formelle kirchliche Sanction, mit dem Vorbehalt, die letztere so wie die Erhebung seiner

Sehr neugierig darauf, welche Documente man ihm, dem gleichsam Vergessenen und Abgefundenen, noch nachträglich zu senden habe, öffnete Ludwig.

„Es ist Jammerschade, hochverehrtester Herr Graf,“ schrieb Windt: „daß Sie nicht ohnlängst mit in Kniphausen waren! Das war eine Herrlichkeit in der Herrlichkeit! Ich übersende Ihnen treu copirte und vidimirte Abschriften mancher Actenstücke, aus denen Sie sich über den Stand der Dinge ungleich besser unterrichten können und werden, als ich mit meinem Geschreibsel es vermöchte; kurz, es ging hoch her und Niemand fehlte dabei als Sie, oder doch der Falk von Kniphausen!“

„Unter A finden Sie im Original, welches auf mein Ersuchen auch eigens für Sie gefertigt, unterschrieben und besiegelt wurde, den zu Varel geschlossenen Vergleich zwischen dem Erbherrn und dem Besitzer von Doorwerth; unter B einen Auszug des Testamentes meiner hochseligen Gebieterin, und unter C ein dem Kopfe des Herrn Hofrath Brünings entsprungenes Memorandum, welches aber mit der aus Jovis Haupt entsprungenen Minerva Nichts gemein hat, als daß ihm ein Harnisch mit Drachenschuppen um den Leib geschnallt ist. Was dieses invita Minerva entstandene Curiosum enthält, werden Sie selbst lesen, es geht Sie an.“

„Der junge Sohn aus der Gewissensehe, welche der Erbherr mit Demoiselle Sara Gerdes geschlossen hat, und bei dem der Herr Vice-Admiral Pathenstelle versah, ist hier in Hamburg, wo die Mutter im Palast der hochseligen Frau Großmutter ihre Wochen hielt, auf die Namen William Friedrich getauft worden, und befindet sich wohl. Diese Frucht aus dem ländlichen Garten von Bockhorn ist so schön, als immerhin eine andere im Park eines reichsgräflichen Ahnenschlosses erzeugte. Der Erbherr hat zu Varel seinem Pfarrer Hansing anderthalb Jahre nach dem Tode der holdseligen Erbherrin Ottoline erklärt, daß er als Wittwer, durch Familienverhältnisse und aus andern Gründen zu einer anderweit standesgemäßen Verbindung nicht schreiten wolle, aber auch nicht ohne Liebebeglückung durch das ihm noch vergönnte Leben zu wandeln gedenke, und feierlich jene seine Geliebte zur Stellvertreterin seiner verewigten Gemahlin erkoren und ernannt, mit der er, in vor Gott gültiger Gewissensehe zu leben gedenke, auch ohne die formelle kirchliche Sanction, mit dem Vorbehalt, die letztere so wie die Erhebung seiner

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[395/0399] Sehr neugierig darauf, welche Documente man ihm, dem gleichsam Vergessenen und Abgefundenen, noch nachträglich zu senden habe, öffnete Ludwig. „Es ist Jammerschade, hochverehrtester Herr Graf,“ schrieb Windt: „daß Sie nicht ohnlängst mit in Kniphausen waren! Das war eine Herrlichkeit in der Herrlichkeit! Ich übersende Ihnen treu copirte und vidimirte Abschriften mancher Actenstücke, aus denen Sie sich über den Stand der Dinge ungleich besser unterrichten können und werden, als ich mit meinem Geschreibsel es vermöchte; kurz, es ging hoch her und Niemand fehlte dabei als Sie, oder doch der Falk von Kniphausen!“ „Unter A finden Sie im Original, welches auf mein Ersuchen auch eigens für Sie gefertigt, unterschrieben und besiegelt wurde, den zu Varel geschlossenen Vergleich zwischen dem Erbherrn und dem Besitzer von Doorwerth; unter B einen Auszug des Testamentes meiner hochseligen Gebieterin, und unter C ein dem Kopfe des Herrn Hofrath Brünings entsprungenes Memorandum, welches aber mit der aus Jovis Haupt entsprungenen Minerva Nichts gemein hat, als daß ihm ein Harnisch mit Drachenschuppen um den Leib geschnallt ist. Was dieses invita Minerva entstandene Curiosum enthält, werden Sie selbst lesen, es geht Sie an.“ „Der junge Sohn aus der Gewissensehe, welche der Erbherr mit Demoiselle Sara Gerdes geschlossen hat, und bei dem der Herr Vice-Admiral Pathenstelle versah, ist hier in Hamburg, wo die Mutter im Palast der hochseligen Frau Großmutter ihre Wochen hielt, auf die Namen William Friedrich getauft worden, und befindet sich wohl. Diese Frucht aus dem ländlichen Garten von Bockhorn ist so schön, als immerhin eine andere im Park eines reichsgräflichen Ahnenschlosses erzeugte. Der Erbherr hat zu Varel seinem Pfarrer Hansing anderthalb Jahre nach dem Tode der holdseligen Erbherrin Ottoline erklärt, daß er als Wittwer, durch Familienverhältnisse und aus andern Gründen zu einer anderweit standesgemäßen Verbindung nicht schreiten wolle, aber auch nicht ohne Liebebeglückung durch das ihm noch vergönnte Leben zu wandeln gedenke, und feierlich jene seine Geliebte zur Stellvertreterin seiner verewigten Gemahlin erkoren und ernannt, mit der er, in vor Gott gültiger Gewissensehe zu leben gedenke, auch ohne die formelle kirchliche Sanction, mit dem Vorbehalt, die letztere so wie die Erhebung seiner

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/399>, abgerufen am 25.11.2024.