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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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so lange und in einem fort, bis der Athem ihm ausgeht. Nieder werf' ich ihn, mit Füßen tret' ich ihn, an den Haaren schleif' ich ihn vor nach der Stelle, wo er seine blutige That vollbracht -- wo Jacques die arme unglückliche Anges als Leiche in den Armen hält, und laut um Hülfe ruft und jammert. Es gibt Lärm, die Postillons springen von ihren Pferden, die Jungfer stürzt aus dem Wagen, die Hausleute eilen herbei -- ach, was half das Alles? Anges war starr und kalt -- von einem Dolchstoß mitten ins Herz getroffen -- der Mörder mußte sich hinter dem Wagen versteckt gehalten und ihr beim Einsteigen den Mantel erst abgerissen haben, denn dieser lag am Boden, dann hatte der Hallunke seinen sicheren Stoß geführt.

Das Unglück war da, das große, entsetzliche Unglück. Nach dem Schultheißen, nach Polizei, nach Gensd'armen wurde gerufen, die ganze Ortschaft kam in Allarm. Dort lag noch der feige elende Mörder -- Anges war in das Haus getragen worden, das sie bewohnt -- ach, wer hätte eine solche Rückkehr geahnt! -- Es wurde heller Tag -- das Volk sah nicht die ermordete Anges, den Mönch sah es, und schrie: Ein frommer Pater ist erschlagen! Mord! Mord! Die Postillons wurden gezwungen, ihre Pferde abzuspannen. Jetzt sah ich erst, daß ich selbst beträchtlich blutete, es wurde mir ganz elend -- ich trank ein Glas Rum und riß meine Kleider ab. Ein Bader fing gleich seine Kur mit mir an, mitten in der Wirthshausflur -- des drängenden Volkes wurde immer mehr -- sie wollten den Leichnam des Mannes aufheben und ihn in die Kirche tragen, wie ich aus ihren Reden vernahm -- da stieß ich den Bader zurück und schrie: Den Hund, den Meuchelmörder in die Kirche? In das Gotteshaus? Auf den Schindanger gehört er, wenn ihr es wissen wollt! Ein frommer Pater wäre er, bildet ihr euch ein? O, ich weiß auch, wie ein Pater beschaffen ist! Schaut her! -- Dabei riß ich ihm die Kaputze vom Kopfe, und es war nun hell genug, daß jeder sehen konnte, daß der Kerl keine Tonsur hatte. Der ein Pater? Ein französischer Spion ist's, wenn ihr's wissen wollt!

Wie? War es etwa jener Clement Aboncourt? rief Ludwig tief erschüttert aus.

Nein, gnädiger Herr, -- der war es nicht, aber der Spießgeselle,

so lange und in einem fort, bis der Athem ihm ausgeht. Nieder werf’ ich ihn, mit Füßen tret’ ich ihn, an den Haaren schleif’ ich ihn vor nach der Stelle, wo er seine blutige That vollbracht — wo Jacques die arme unglückliche Angés als Leiche in den Armen hält, und laut um Hülfe ruft und jammert. Es gibt Lärm, die Postillons springen von ihren Pferden, die Jungfer stürzt aus dem Wagen, die Hausleute eilen herbei — ach, was half das Alles? Angés war starr und kalt — von einem Dolchstoß mitten ins Herz getroffen — der Mörder mußte sich hinter dem Wagen versteckt gehalten und ihr beim Einsteigen den Mantel erst abgerissen haben, denn dieser lag am Boden, dann hatte der Hallunke seinen sicheren Stoß geführt.

Das Unglück war da, das große, entsetzliche Unglück. Nach dem Schultheißen, nach Polizei, nach Gensd’armen wurde gerufen, die ganze Ortschaft kam in Allarm. Dort lag noch der feige elende Mörder — Angés war in das Haus getragen worden, das sie bewohnt — ach, wer hätte eine solche Rückkehr geahnt! — Es wurde heller Tag — das Volk sah nicht die ermordete Angés, den Mönch sah es, und schrie: Ein frommer Pater ist erschlagen! Mord! Mord! Die Postillons wurden gezwungen, ihre Pferde abzuspannen. Jetzt sah ich erst, daß ich selbst beträchtlich blutete, es wurde mir ganz elend — ich trank ein Glas Rum und riß meine Kleider ab. Ein Bader fing gleich seine Kur mit mir an, mitten in der Wirthshausflur — des drängenden Volkes wurde immer mehr — sie wollten den Leichnam des Mannes aufheben und ihn in die Kirche tragen, wie ich aus ihren Reden vernahm — da stieß ich den Bader zurück und schrie: Den Hund, den Meuchelmörder in die Kirche? In das Gotteshaus? Auf den Schindanger gehört er, wenn ihr es wissen wollt! Ein frommer Pater wäre er, bildet ihr euch ein? O, ich weiß auch, wie ein Pater beschaffen ist! Schaut her! — Dabei riß ich ihm die Kaputze vom Kopfe, und es war nun hell genug, daß jeder sehen konnte, daß der Kerl keine Tonsur hatte. Der ein Pater? Ein französischer Spion ist’s, wenn ihr’s wissen wollt!

Wie? War es etwa jener Clement Aboncourt? rief Ludwig tief erschüttert aus.

Nein, gnädiger Herr, — der war es nicht, aber der Spießgeselle,

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[377/0381] so lange und in einem fort, bis der Athem ihm ausgeht. Nieder werf’ ich ihn, mit Füßen tret’ ich ihn, an den Haaren schleif’ ich ihn vor nach der Stelle, wo er seine blutige That vollbracht — wo Jacques die arme unglückliche Angés als Leiche in den Armen hält, und laut um Hülfe ruft und jammert. Es gibt Lärm, die Postillons springen von ihren Pferden, die Jungfer stürzt aus dem Wagen, die Hausleute eilen herbei — ach, was half das Alles? Angés war starr und kalt — von einem Dolchstoß mitten ins Herz getroffen — der Mörder mußte sich hinter dem Wagen versteckt gehalten und ihr beim Einsteigen den Mantel erst abgerissen haben, denn dieser lag am Boden, dann hatte der Hallunke seinen sicheren Stoß geführt. Das Unglück war da, das große, entsetzliche Unglück. Nach dem Schultheißen, nach Polizei, nach Gensd’armen wurde gerufen, die ganze Ortschaft kam in Allarm. Dort lag noch der feige elende Mörder — Angés war in das Haus getragen worden, das sie bewohnt — ach, wer hätte eine solche Rückkehr geahnt! — Es wurde heller Tag — das Volk sah nicht die ermordete Angés, den Mönch sah es, und schrie: Ein frommer Pater ist erschlagen! Mord! Mord! Die Postillons wurden gezwungen, ihre Pferde abzuspannen. Jetzt sah ich erst, daß ich selbst beträchtlich blutete, es wurde mir ganz elend — ich trank ein Glas Rum und riß meine Kleider ab. Ein Bader fing gleich seine Kur mit mir an, mitten in der Wirthshausflur — des drängenden Volkes wurde immer mehr — sie wollten den Leichnam des Mannes aufheben und ihn in die Kirche tragen, wie ich aus ihren Reden vernahm — da stieß ich den Bader zurück und schrie: Den Hund, den Meuchelmörder in die Kirche? In das Gotteshaus? Auf den Schindanger gehört er, wenn ihr es wissen wollt! Ein frommer Pater wäre er, bildet ihr euch ein? O, ich weiß auch, wie ein Pater beschaffen ist! Schaut her! — Dabei riß ich ihm die Kaputze vom Kopfe, und es war nun hell genug, daß jeder sehen konnte, daß der Kerl keine Tonsur hatte. Der ein Pater? Ein französischer Spion ist’s, wenn ihr’s wissen wollt! Wie? War es etwa jener Clement Aboncourt? rief Ludwig tief erschüttert aus. Nein, gnädiger Herr, — der war es nicht, aber der Spießgeselle,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/381>, abgerufen am 22.11.2024.