Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Anges nach der Stadt, -- auf dem Kutschersitz saß wohlbewaffnet Jacques, hinten auf nicht minder gut bewehrt Philipp. Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückwege zeigte sich Etwas, das Besorgniß hätte erregen können. Liebevoll vertraute die Mutter ihrem Kinde, daß die größte Gefahr ihnen Allen drohe, daß Graf Ludwig großmüthig entschlossen sei, ihr Retter, ihr Ritter, ihr Beschirmer zu werden, daß sie in eine kurze Trennung von dem liebenden Mutterherzen sich fügen müsse und daß, es komme wie es wolle, ihr Geschick sich an das des Grafen knüpfen werde. Sophie weinte, wie es nicht anders sein konnte, aber sie sprach unter Thränen zur Mutter die verständigen Worte: Was Sie befehlen, meine gnädigste Mutter, ist meine Pflicht. Was der Herr Graf mir befehlen wird, werde ich befolgen, als seien es Gebote aus Ihrem Munde. Ich kenne und ehre den Herrn Grafen aus frühen Kindheittagen; er war schon, als ich noch ein Kind war, auf dem Schiffe in Amsterdam, auf der Reise und zu Schloß Doorwerth die Güte selbst gegen mich, er war auf der Reise nach Rußland mein Führer, mein Lehrer, ebenso in Hamburg, ich danke ihm so viel, daß ich nichts erdenken kann, was ich besäße, um ihm damit für alles Das zu lohnen, was er mir Gutes und Liebevolles erwiesen hat. Den größten Dienst steht der Graf jetzt im Begriffe, uns und dir zu leisten, aus der größten, drohendsten Gefahr dich zu retten, sprach die Prinzessin. So gehe denn in des Grafen Schutz, in Gottes, in Mariens, in aller Heiligen Schutz, mein theures, ewig theures Kind! Wir sehen uns wieder! Gott gebe bald, recht bald! Der Herzog war nicht bei dieser Abschiedscene zugegen, er war nicht im Orte, vielleicht verreist, vielleicht auf der Jagd. Es war zu sehr früher Morgenstunde, der Tag graute kaum, -- Alles war still und feierlich in den Nachbarorten Ettenmünster, Münchweiler und Sanct Landelin. Die mannichfaltigen großen Gebäude erschienen noch höher, gewaltiger, ausgedehnter als bei Tage, die Thalferne war nebelgrau umflort und düster. Der Ettenbach rollte stark hinab nach der Stadt, als eile er, recht wie ein fleißiger Arbeiter in der Frühstunde zu Felde zieht, seine Mühlen zu treiben, Angés nach der Stadt, — auf dem Kutschersitz saß wohlbewaffnet Jacques, hinten auf nicht minder gut bewehrt Philipp. Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückwege zeigte sich Etwas, das Besorgniß hätte erregen können. Liebevoll vertraute die Mutter ihrem Kinde, daß die größte Gefahr ihnen Allen drohe, daß Graf Ludwig großmüthig entschlossen sei, ihr Retter, ihr Ritter, ihr Beschirmer zu werden, daß sie in eine kurze Trennung von dem liebenden Mutterherzen sich fügen müsse und daß, es komme wie es wolle, ihr Geschick sich an das des Grafen knüpfen werde. Sophie weinte, wie es nicht anders sein konnte, aber sie sprach unter Thränen zur Mutter die verständigen Worte: Was Sie befehlen, meine gnädigste Mutter, ist meine Pflicht. Was der Herr Graf mir befehlen wird, werde ich befolgen, als seien es Gebote aus Ihrem Munde. Ich kenne und ehre den Herrn Grafen aus frühen Kindheittagen; er war schon, als ich noch ein Kind war, auf dem Schiffe in Amsterdam, auf der Reise und zu Schloß Doorwerth die Güte selbst gegen mich, er war auf der Reise nach Rußland mein Führer, mein Lehrer, ebenso in Hamburg, ich danke ihm so viel, daß ich nichts erdenken kann, was ich besäße, um ihm damit für alles Das zu lohnen, was er mir Gutes und Liebevolles erwiesen hat. Den größten Dienst steht der Graf jetzt im Begriffe, uns und dir zu leisten, aus der größten, drohendsten Gefahr dich zu retten, sprach die Prinzessin. So gehe denn in des Grafen Schutz, in Gottes, in Mariens, in aller Heiligen Schutz, mein theures, ewig theures Kind! Wir sehen uns wieder! Gott gebe bald, recht bald! Der Herzog war nicht bei dieser Abschiedscene zugegen, er war nicht im Orte, vielleicht verreist, vielleicht auf der Jagd. Es war zu sehr früher Morgenstunde, der Tag graute kaum, — Alles war still und feierlich in den Nachbarorten Ettenmünster, Münchweiler und Sanct Landelin. Die mannichfaltigen großen Gebäude erschienen noch höher, gewaltiger, ausgedehnter als bei Tage, die Thalferne war nebelgrau umflort und düster. Der Ettenbach rollte stark hinab nach der Stadt, als eile er, recht wie ein fleißiger Arbeiter in der Frühstunde zu Felde zieht, seine Mühlen zu treiben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0375" n="371"/> Angés nach der Stadt, — auf dem Kutschersitz saß wohlbewaffnet Jacques, hinten auf nicht minder gut bewehrt Philipp. Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückwege zeigte sich Etwas, das Besorgniß hätte erregen können.</p> <p>Liebevoll vertraute die Mutter ihrem Kinde, daß die größte Gefahr ihnen Allen drohe, daß Graf Ludwig großmüthig entschlossen sei, ihr Retter, ihr Ritter, ihr Beschirmer zu werden, daß sie in eine kurze Trennung von dem liebenden Mutterherzen sich fügen müsse und daß, es komme wie es wolle, ihr Geschick sich an das des Grafen knüpfen werde.</p> <p>Sophie weinte, wie es nicht anders sein konnte, aber sie sprach unter Thränen zur Mutter die verständigen Worte: Was Sie befehlen, meine gnädigste Mutter, ist meine Pflicht. Was der Herr Graf mir befehlen wird, werde ich befolgen, als seien es Gebote aus Ihrem Munde. Ich kenne und ehre den Herrn Grafen aus frühen Kindheittagen; er war schon, als ich noch ein Kind war, auf dem Schiffe in Amsterdam, auf der Reise und zu Schloß Doorwerth die Güte selbst gegen mich, er war auf der Reise nach Rußland mein Führer, mein Lehrer, ebenso in Hamburg, ich danke ihm so viel, daß ich nichts erdenken kann, was ich besäße, um ihm damit für alles Das zu lohnen, was er mir Gutes und Liebevolles erwiesen hat.</p> <p>Den größten Dienst steht der Graf jetzt im Begriffe, uns und dir zu leisten, aus der größten, drohendsten Gefahr dich zu retten, sprach die Prinzessin. So gehe denn in des Grafen Schutz, in Gottes, in Mariens, in aller Heiligen Schutz, mein theures, ewig theures Kind! Wir sehen uns wieder! 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Angés nach der Stadt, — auf dem Kutschersitz saß wohlbewaffnet Jacques, hinten auf nicht minder gut bewehrt Philipp. Weder auf dem Hin- noch auf dem Rückwege zeigte sich Etwas, das Besorgniß hätte erregen können.
Liebevoll vertraute die Mutter ihrem Kinde, daß die größte Gefahr ihnen Allen drohe, daß Graf Ludwig großmüthig entschlossen sei, ihr Retter, ihr Ritter, ihr Beschirmer zu werden, daß sie in eine kurze Trennung von dem liebenden Mutterherzen sich fügen müsse und daß, es komme wie es wolle, ihr Geschick sich an das des Grafen knüpfen werde.
Sophie weinte, wie es nicht anders sein konnte, aber sie sprach unter Thränen zur Mutter die verständigen Worte: Was Sie befehlen, meine gnädigste Mutter, ist meine Pflicht. Was der Herr Graf mir befehlen wird, werde ich befolgen, als seien es Gebote aus Ihrem Munde. Ich kenne und ehre den Herrn Grafen aus frühen Kindheittagen; er war schon, als ich noch ein Kind war, auf dem Schiffe in Amsterdam, auf der Reise und zu Schloß Doorwerth die Güte selbst gegen mich, er war auf der Reise nach Rußland mein Führer, mein Lehrer, ebenso in Hamburg, ich danke ihm so viel, daß ich nichts erdenken kann, was ich besäße, um ihm damit für alles Das zu lohnen, was er mir Gutes und Liebevolles erwiesen hat.
Den größten Dienst steht der Graf jetzt im Begriffe, uns und dir zu leisten, aus der größten, drohendsten Gefahr dich zu retten, sprach die Prinzessin. So gehe denn in des Grafen Schutz, in Gottes, in Mariens, in aller Heiligen Schutz, mein theures, ewig theures Kind! Wir sehen uns wieder! Gott gebe bald, recht bald!
Der Herzog war nicht bei dieser Abschiedscene zugegen, er war nicht im Orte, vielleicht verreist, vielleicht auf der Jagd.
Es war zu sehr früher Morgenstunde, der Tag graute kaum, — Alles war still und feierlich in den Nachbarorten Ettenmünster, Münchweiler und Sanct Landelin. Die mannichfaltigen großen Gebäude erschienen noch höher, gewaltiger, ausgedehnter als bei Tage, die Thalferne war nebelgrau umflort und düster. Der Ettenbach rollte stark hinab nach der Stadt, als eile er, recht wie ein fleißiger Arbeiter in der Frühstunde zu Felde zieht, seine Mühlen zu treiben,
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/375>, abgerufen am 16.02.2025. |