Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.sie bleiben, ich werde das Meinige thun. Sobald du zurückkommst, sattle das Pferd, ich werde nach der Stadt reiten, du aber bleibst so lange in der Wohnung der Damen als Wächter und hütest sie sorgsam mit all der Treue, die ich an dir kenne. Mir soll Keiner kommen, gnädiger Herr, darauf verlassen Sie sich. Wehe dem Kerl, der dazu geholfen hat, den guten seligen Herrn Leonardus van der Valck hinüber zu befördern, ich zermalme, ich zerquetsche ihn, und sollte es mich den Kopf kosten! Ludwig blieb im tiefernsten Sinnen allein. Philipp's Meldung weckte allerhand sorgenvolle Gedanken in ihm auf; schon längst hatte er wahrgenommen, daß sich, begünstigt von der Freiheit des Gnadenortes, gar mancher verdächtige Geselle in dieses Thal gestohlen, daß Späheraugen umherschlichen, daß vom nahen Frankreich aus jene Netze herübergeworfen wurden nach dem Fürsten, der, so oft man ihn auch warnte, an eine Gefahr nicht glaubte und nicht glauben wollte. Philipp erschien nach einiger Zeit wieder und meldete seinem Gebieter, daß es ihm nicht gelungen sei, von jenen beiden Mönchen auch nur die leiseste Spur zu entdecken, beharrte aber auf seiner Behauptung und betheuerte hoch und heilig, daß Jener kein anderer als Clement Aboncourt, der Spion, gewesen sei. Ludwig befahl ihm wiederholt, in der Nähe der Wohnung der beiden Damen zu bleiben, auch Jacques zur Wachsamkeit aufzufordern; dann ritt er nach dem Städtchen, wo er ohne Aufenthalt Audienz bei der Prinzessin forderte. Gütig und mit dem freundlichsten Wohlwollen wie immer empfangen, theilte nun der Graf der edlen Frau ganz offen und unumwunden nicht nur die Wahrnehmung und Vermuthung seines Dieners mit, sondern brachte auch so manches Andere zur Sprache, was Ludwig von andern Fremden, von Einwohnern, von Leuten der Gasthäuser flüchtig und gesprächsweise vernommen hatte, und was Alles darauf hinauslief, daß französische Emissäre, Commissäre und Spione sich im Münsterthale verbreiteten, sogar in die Stadt sich wagten, und daß jedenfalls ein Schlag gegen die in derselben verweilenden Emigranten sich vorbereite. Man sprach laut davon, daß die stärksten Vermuthungen gehegt würden, die in diesem Lande verweilenden Angehörigen und Anhänger des vertriebenen Königshauses betheiligten sich an Anschlägen gegen das Leben des ersten Consuls den sie bleiben, ich werde das Meinige thun. Sobald du zurückkommst, sattle das Pferd, ich werde nach der Stadt reiten, du aber bleibst so lange in der Wohnung der Damen als Wächter und hütest sie sorgsam mit all der Treue, die ich an dir kenne. Mir soll Keiner kommen, gnädiger Herr, darauf verlassen Sie sich. Wehe dem Kerl, der dazu geholfen hat, den guten seligen Herrn Leonardus van der Valck hinüber zu befördern, ich zermalme, ich zerquetsche ihn, und sollte es mich den Kopf kosten! Ludwig blieb im tiefernsten Sinnen allein. Philipp’s Meldung weckte allerhand sorgenvolle Gedanken in ihm auf; schon längst hatte er wahrgenommen, daß sich, begünstigt von der Freiheit des Gnadenortes, gar mancher verdächtige Geselle in dieses Thal gestohlen, daß Späheraugen umherschlichen, daß vom nahen Frankreich aus jene Netze herübergeworfen wurden nach dem Fürsten, der, so oft man ihn auch warnte, an eine Gefahr nicht glaubte und nicht glauben wollte. Philipp erschien nach einiger Zeit wieder und meldete seinem Gebieter, daß es ihm nicht gelungen sei, von jenen beiden Mönchen auch nur die leiseste Spur zu entdecken, beharrte aber auf seiner Behauptung und betheuerte hoch und heilig, daß Jener kein anderer als Clement Aboncourt, der Spion, gewesen sei. Ludwig befahl ihm wiederholt, in der Nähe der Wohnung der beiden Damen zu bleiben, auch Jacques zur Wachsamkeit aufzufordern; dann ritt er nach dem Städtchen, wo er ohne Aufenthalt Audienz bei der Prinzessin forderte. Gütig und mit dem freundlichsten Wohlwollen wie immer empfangen, theilte nun der Graf der edlen Frau ganz offen und unumwunden nicht nur die Wahrnehmung und Vermuthung seines Dieners mit, sondern brachte auch so manches Andere zur Sprache, was Ludwig von andern Fremden, von Einwohnern, von Leuten der Gasthäuser flüchtig und gesprächsweise vernommen hatte, und was Alles darauf hinauslief, daß französische Emissäre, Commissäre und Spione sich im Münsterthale verbreiteten, sogar in die Stadt sich wagten, und daß jedenfalls ein Schlag gegen die in derselben verweilenden Emigranten sich vorbereite. Man sprach laut davon, daß die stärksten Vermuthungen gehegt würden, die in diesem Lande verweilenden Angehörigen und Anhänger des vertriebenen Königshauses betheiligten sich an Anschlägen gegen das Leben des ersten Consuls den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0372" n="368"/> sie bleiben, ich werde das Meinige thun. 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Philipp’s Meldung weckte allerhand sorgenvolle Gedanken in ihm auf; schon längst hatte er wahrgenommen, daß sich, begünstigt von der Freiheit des Gnadenortes, gar mancher verdächtige Geselle in dieses Thal gestohlen, daß Späheraugen umherschlichen, daß vom nahen Frankreich aus jene Netze herübergeworfen wurden nach dem Fürsten, der, so oft man ihn auch warnte, an eine Gefahr nicht glaubte und nicht glauben wollte.</p> <p>Philipp erschien nach einiger Zeit wieder und meldete seinem Gebieter, daß es ihm nicht gelungen sei, von jenen beiden Mönchen auch nur die leiseste Spur zu entdecken, beharrte aber auf seiner Behauptung und betheuerte hoch und heilig, daß Jener kein anderer als Clement Aboncourt, der Spion, gewesen sei.</p> <p>Ludwig befahl ihm wiederholt, in der Nähe der Wohnung der beiden Damen zu bleiben, auch Jacques zur Wachsamkeit aufzufordern; dann ritt er nach dem Städtchen, wo er ohne Aufenthalt Audienz bei der Prinzessin forderte. Gütig und mit dem freundlichsten Wohlwollen wie immer empfangen, theilte nun der Graf der edlen Frau ganz offen und unumwunden nicht nur die Wahrnehmung und Vermuthung seines Dieners mit, sondern brachte auch so manches Andere zur Sprache, was Ludwig von andern Fremden, von Einwohnern, von Leuten der Gasthäuser flüchtig und gesprächsweise vernommen hatte, und was Alles darauf hinauslief, daß französische Emissäre, Commissäre und Spione sich im Münsterthale verbreiteten, sogar in die Stadt sich wagten, und daß jedenfalls ein Schlag gegen die in derselben verweilenden Emigranten sich vorbereite. Man sprach laut davon, daß die stärksten Vermuthungen gehegt würden, die in diesem Lande verweilenden Angehörigen und Anhänger des vertriebenen Königshauses betheiligten sich an Anschlägen gegen das Leben des ersten Consuls den </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [368/0372]
sie bleiben, ich werde das Meinige thun. Sobald du zurückkommst, sattle das Pferd, ich werde nach der Stadt reiten, du aber bleibst so lange in der Wohnung der Damen als Wächter und hütest sie sorgsam mit all der Treue, die ich an dir kenne.
Mir soll Keiner kommen, gnädiger Herr, darauf verlassen Sie sich. Wehe dem Kerl, der dazu geholfen hat, den guten seligen Herrn Leonardus van der Valck hinüber zu befördern, ich zermalme, ich zerquetsche ihn, und sollte es mich den Kopf kosten!
Ludwig blieb im tiefernsten Sinnen allein. Philipp’s Meldung weckte allerhand sorgenvolle Gedanken in ihm auf; schon längst hatte er wahrgenommen, daß sich, begünstigt von der Freiheit des Gnadenortes, gar mancher verdächtige Geselle in dieses Thal gestohlen, daß Späheraugen umherschlichen, daß vom nahen Frankreich aus jene Netze herübergeworfen wurden nach dem Fürsten, der, so oft man ihn auch warnte, an eine Gefahr nicht glaubte und nicht glauben wollte.
Philipp erschien nach einiger Zeit wieder und meldete seinem Gebieter, daß es ihm nicht gelungen sei, von jenen beiden Mönchen auch nur die leiseste Spur zu entdecken, beharrte aber auf seiner Behauptung und betheuerte hoch und heilig, daß Jener kein anderer als Clement Aboncourt, der Spion, gewesen sei.
Ludwig befahl ihm wiederholt, in der Nähe der Wohnung der beiden Damen zu bleiben, auch Jacques zur Wachsamkeit aufzufordern; dann ritt er nach dem Städtchen, wo er ohne Aufenthalt Audienz bei der Prinzessin forderte. Gütig und mit dem freundlichsten Wohlwollen wie immer empfangen, theilte nun der Graf der edlen Frau ganz offen und unumwunden nicht nur die Wahrnehmung und Vermuthung seines Dieners mit, sondern brachte auch so manches Andere zur Sprache, was Ludwig von andern Fremden, von Einwohnern, von Leuten der Gasthäuser flüchtig und gesprächsweise vernommen hatte, und was Alles darauf hinauslief, daß französische Emissäre, Commissäre und Spione sich im Münsterthale verbreiteten, sogar in die Stadt sich wagten, und daß jedenfalls ein Schlag gegen die in derselben verweilenden Emigranten sich vorbereite. Man sprach laut davon, daß die stärksten Vermuthungen gehegt würden, die in diesem Lande verweilenden Angehörigen und Anhänger des vertriebenen Königshauses betheiligten sich an Anschlägen gegen das Leben des ersten Consuls den
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/372>, abgerufen am 16.02.2025. |