Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Einverständniß lebt, ist für Gotha ganz das, was Carl August für Weimar, ein Mäcen der Wissenschaften und Künste und der Erwecker einer neuen Literatur-Aera." "Von Gotha reiste ich über den Thüringer Wald nach Meiningen, dessen Herzog, Georg, den beiden genannten Herzögen innig befreundet ist. Alle diese Fürsten beseelt das gleiche Streben, eine bessere Zeit, als die vergangene, für ihre Länder heraufzuführen. Ich fand in Meiningen einen gebildeten Hofkreis, fern vom allzusteifen Etikettenzwang, den der Herzog, ein freisinniger Fürst, abgeschafft hat." "Noch immer ist man in Meiningen sehr aufgebracht über eine elende Klatscherei, die der Ihnen sicher bekannte Tourist, Herr von Heß aus Hamburg, in seinem Buche: Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich, vor einigen Jahren aufgetischt hat. Mit unendlicher Breite ergoß sich die verletzte Eitelkeit dieses Herrn in völlig lügenhaftem Geträtsch und in Ausfällen gegen den Herzog, den er als einen kleinen Tyrannen schilderte. Vier Seiten seines Geschreibsels verwendete Herr von Heß blos auf die Schilderung des Gesichtes eines Thorschreibers." "Von Meiningen fuhr ich nach Hildburghausen, wo vor einer Reihe von Jahren ein großer Brand gewüthet hat, und wo ich gegenwärtig noch verweile. Der Herzog Friedrich steht seinen Vettern an Geist nach, aber er ist äußerst gutmüthig, sehr gesprächig und außerordentlich gern mittheilsam über Alles, was ihn irgend Neues berührt oder begegnet, daher ich ihm unter keiner Bedingung ein Geheimniß anvertrauen möchte; dagegen ist die Herzogin, seine Gemahlin, eine außerordentlich liebliche Erscheinung; sie singt gern und entzückend schön. Denken Sie, sie singt in jeder Osterwoche in Grau's Tod Jesu die Hauptstimme vor einem großen Kreise ihrer Verehrer. Das fürstliche Haus hat manches Mißgeschick zu ertragen; durch frühere üble Wirthschaft ist das Land in große Verlegenheiten gebracht worden, die den Hof mit treffen, zwei Töchter und ein Sohn starben bald nach der Geburt, doch versprechen die leben gebliebenen Prinzen und Prinzessinnen eine gute Entwicklung. Es sind schöne Kinder, drei Prinzen und drei Prinzessinnen. Die Vergnügungen des Hofes sind die gewöhnlichen, Einverständniß lebt, ist für Gotha ganz das, was Carl August für Weimar, ein Mäcen der Wissenschaften und Künste und der Erwecker einer neuen Literatur-Aera.“ „Von Gotha reiste ich über den Thüringer Wald nach Meiningen, dessen Herzog, Georg, den beiden genannten Herzögen innig befreundet ist. Alle diese Fürsten beseelt das gleiche Streben, eine bessere Zeit, als die vergangene, für ihre Länder heraufzuführen. Ich fand in Meiningen einen gebildeten Hofkreis, fern vom allzusteifen Etikettenzwang, den der Herzog, ein freisinniger Fürst, abgeschafft hat.“ „Noch immer ist man in Meiningen sehr aufgebracht über eine elende Klatscherei, die der Ihnen sicher bekannte Tourist, Herr von Heß aus Hamburg, in seinem Buche: Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich, vor einigen Jahren aufgetischt hat. Mit unendlicher Breite ergoß sich die verletzte Eitelkeit dieses Herrn in völlig lügenhaftem Geträtsch und in Ausfällen gegen den Herzog, den er als einen kleinen Tyrannen schilderte. Vier Seiten seines Geschreibsels verwendete Herr von Heß blos auf die Schilderung des Gesichtes eines Thorschreibers.“ „Von Meiningen fuhr ich nach Hildburghausen, wo vor einer Reihe von Jahren ein großer Brand gewüthet hat, und wo ich gegenwärtig noch verweile. Der Herzog Friedrich steht seinen Vettern an Geist nach, aber er ist äußerst gutmüthig, sehr gesprächig und außerordentlich gern mittheilsam über Alles, was ihn irgend Neues berührt oder begegnet, daher ich ihm unter keiner Bedingung ein Geheimniß anvertrauen möchte; dagegen ist die Herzogin, seine Gemahlin, eine außerordentlich liebliche Erscheinung; sie singt gern und entzückend schön. Denken Sie, sie singt in jeder Osterwoche in Grau’s Tod Jesu die Hauptstimme vor einem großen Kreise ihrer Verehrer. Das fürstliche Haus hat manches Mißgeschick zu ertragen; durch frühere üble Wirthschaft ist das Land in große Verlegenheiten gebracht worden, die den Hof mit treffen, zwei Töchter und ein Sohn starben bald nach der Geburt, doch versprechen die leben gebliebenen Prinzen und Prinzessinnen eine gute Entwicklung. Es sind schöne Kinder, drei Prinzen und drei Prinzessinnen. Die Vergnügungen des Hofes sind die gewöhnlichen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0318" n="314"/> Einverständniß lebt, ist für Gotha ganz das, was Carl August für Weimar, ein Mäcen der Wissenschaften und Künste und der Erwecker einer neuen Literatur-Aera.“ </p> <p>„Von Gotha reiste ich über den Thüringer Wald nach Meiningen, dessen Herzog, Georg, den beiden genannten Herzögen innig befreundet ist. Alle diese Fürsten beseelt das gleiche Streben, eine bessere Zeit, als die vergangene, für ihre Länder heraufzuführen. Ich fand in Meiningen einen gebildeten Hofkreis, fern vom allzusteifen Etikettenzwang, den der Herzog, ein freisinniger Fürst, abgeschafft hat.“ </p> <p>„Noch immer ist man in Meiningen sehr aufgebracht über eine elende Klatscherei, die der Ihnen sicher bekannte Tourist, Herr von Heß aus Hamburg, in seinem Buche: Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich, vor einigen Jahren aufgetischt hat. Mit unendlicher Breite ergoß sich die verletzte Eitelkeit dieses Herrn in völlig lügenhaftem Geträtsch und in Ausfällen gegen den Herzog, den er als einen kleinen Tyrannen schilderte. Vier Seiten seines Geschreibsels verwendete Herr von Heß blos auf die Schilderung des Gesichtes eines Thorschreibers.“ </p> <p>„Von Meiningen fuhr ich nach Hildburghausen, wo vor einer Reihe von Jahren ein großer Brand gewüthet hat, und wo ich gegenwärtig noch verweile. Der Herzog Friedrich steht seinen Vettern an Geist nach, aber er ist äußerst gutmüthig, sehr gesprächig und außerordentlich gern mittheilsam über Alles, was ihn irgend Neues berührt oder begegnet, daher ich ihm unter keiner Bedingung ein Geheimniß anvertrauen möchte; dagegen ist die Herzogin, seine Gemahlin, eine außerordentlich liebliche Erscheinung; sie singt gern und entzückend schön. Denken Sie, sie singt in jeder Osterwoche in Grau’s Tod Jesu die Hauptstimme vor einem großen Kreise ihrer Verehrer. Das fürstliche Haus hat manches Mißgeschick zu ertragen; durch frühere üble Wirthschaft ist das Land in große Verlegenheiten gebracht worden, die den Hof mit treffen, zwei Töchter und ein Sohn starben bald nach der Geburt, doch versprechen die leben gebliebenen Prinzen und Prinzessinnen eine gute Entwicklung. Es sind schöne Kinder, drei Prinzen und drei Prinzessinnen. Die Vergnügungen des Hofes sind die gewöhnlichen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [314/0318]
Einverständniß lebt, ist für Gotha ganz das, was Carl August für Weimar, ein Mäcen der Wissenschaften und Künste und der Erwecker einer neuen Literatur-Aera.“
„Von Gotha reiste ich über den Thüringer Wald nach Meiningen, dessen Herzog, Georg, den beiden genannten Herzögen innig befreundet ist. Alle diese Fürsten beseelt das gleiche Streben, eine bessere Zeit, als die vergangene, für ihre Länder heraufzuführen. Ich fand in Meiningen einen gebildeten Hofkreis, fern vom allzusteifen Etikettenzwang, den der Herzog, ein freisinniger Fürst, abgeschafft hat.“
„Noch immer ist man in Meiningen sehr aufgebracht über eine elende Klatscherei, die der Ihnen sicher bekannte Tourist, Herr von Heß aus Hamburg, in seinem Buche: Durchflüge durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich, vor einigen Jahren aufgetischt hat. Mit unendlicher Breite ergoß sich die verletzte Eitelkeit dieses Herrn in völlig lügenhaftem Geträtsch und in Ausfällen gegen den Herzog, den er als einen kleinen Tyrannen schilderte. Vier Seiten seines Geschreibsels verwendete Herr von Heß blos auf die Schilderung des Gesichtes eines Thorschreibers.“
„Von Meiningen fuhr ich nach Hildburghausen, wo vor einer Reihe von Jahren ein großer Brand gewüthet hat, und wo ich gegenwärtig noch verweile. Der Herzog Friedrich steht seinen Vettern an Geist nach, aber er ist äußerst gutmüthig, sehr gesprächig und außerordentlich gern mittheilsam über Alles, was ihn irgend Neues berührt oder begegnet, daher ich ihm unter keiner Bedingung ein Geheimniß anvertrauen möchte; dagegen ist die Herzogin, seine Gemahlin, eine außerordentlich liebliche Erscheinung; sie singt gern und entzückend schön. Denken Sie, sie singt in jeder Osterwoche in Grau’s Tod Jesu die Hauptstimme vor einem großen Kreise ihrer Verehrer. Das fürstliche Haus hat manches Mißgeschick zu ertragen; durch frühere üble Wirthschaft ist das Land in große Verlegenheiten gebracht worden, die den Hof mit treffen, zwei Töchter und ein Sohn starben bald nach der Geburt, doch versprechen die leben gebliebenen Prinzen und Prinzessinnen eine gute Entwicklung. Es sind schöne Kinder, drei Prinzen und drei Prinzessinnen. Die Vergnügungen des Hofes sind die gewöhnlichen,
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