Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.mir forderte und es mir zu arg schien, daß sich schlaue Betrüger länger von der Habe edeldenkender und für die Literatur eingenommener Personen nähren sollten. -- Abbe Eckhel." *) Genug -- er ist nun einmal der Wahrheit unerschütterlich treu; sollte ich dem redlichen Freunde zürnen? Wer die Wahrheit nicht hören will und kann, der ist sehr zu beklagen. Habe ich doch nur das Gute gewollt und die Wissenschaft zu fördern gesucht mit wahrhaft großartigen Opfern -- und das Gute und Große aufrichtig gewollt zu haben, gibt schon ein Genügen. Nun aber hierin nicht weiter -- Anderes bringt die andere Stunde. Die Reichsgräfin legte noch einige Schriften und Briefschaften sich zur Hand, und dann klingelte sie. Der greise Kammerdiener Weisbrod trat ein. Ich lasse Herrn Windt bitten! Was nun werden wird, werden soll, nach dem gestrigen Auftritt? fragte sich die Matrone. O gewiß, ich muß die ganze Last der Sorge mit in die Grube nehmen -- doch nicht ungestraft sollen sie mir die letzten Tage meines Alters verbittern, und thun will ich, was ich will, bis zum letzten Athemzuge. -- Windt trat ein, er sah noch bleicher aus, als am gestrigen Abend; seine Gebieterin nahm dies mit ihrem noch immer scharfen Fernblick sogleich wahr und fragte, als sie auf seinen ehrfurchtvollen Gruß gnädig gedankt: Was ist Ihnen, lieber Windt? Sie sehen so sehr angegriffen aus? Ich bin es, Excellenz! -- erwiederte Windt, und seine Stimme war matt und bebend; er war kein Jüngling mehr und die letztvergangene Zeit hatte körperliche wie geistige Anstrengungen in Fülle auf ihn gehäuft. Es ist auch kein Wunder -- fuhr Windt mit offener Freimüthigkeit fort. Ich wurde in Doorwerth von einem heftigen Gichtanfall heimgesucht, zu dem sich etwas Fieber gesellte, da empfing ich dieses kurze Briefchen von dem Herrn Erbgrafen aus dem Haag: "Ich werde nicht über Doorwerth nach Varel gehen, mein lieber Windt, aber gerade *) Urschriftlich; der Brief ist noch vorhanden.
mir forderte und es mir zu arg schien, daß sich schlaue Betrüger länger von der Habe edeldenkender und für die Literatur eingenommener Personen nähren sollten. — Abbe Eckhel.“ *) Genug — er ist nun einmal der Wahrheit unerschütterlich treu; sollte ich dem redlichen Freunde zürnen? Wer die Wahrheit nicht hören will und kann, der ist sehr zu beklagen. Habe ich doch nur das Gute gewollt und die Wissenschaft zu fördern gesucht mit wahrhaft großartigen Opfern — und das Gute und Große aufrichtig gewollt zu haben, gibt schon ein Genügen. Nun aber hierin nicht weiter — Anderes bringt die andere Stunde. Die Reichsgräfin legte noch einige Schriften und Briefschaften sich zur Hand, und dann klingelte sie. Der greise Kammerdiener Weisbrod trat ein. Ich lasse Herrn Windt bitten! Was nun werden wird, werden soll, nach dem gestrigen Auftritt? fragte sich die Matrone. O gewiß, ich muß die ganze Last der Sorge mit in die Grube nehmen — doch nicht ungestraft sollen sie mir die letzten Tage meines Alters verbittern, und thun will ich, was ich will, bis zum letzten Athemzuge. — Windt trat ein, er sah noch bleicher aus, als am gestrigen Abend; seine Gebieterin nahm dies mit ihrem noch immer scharfen Fernblick sogleich wahr und fragte, als sie auf seinen ehrfurchtvollen Gruß gnädig gedankt: Was ist Ihnen, lieber Windt? Sie sehen so sehr angegriffen aus? Ich bin es, Excellenz! — erwiederte Windt, und seine Stimme war matt und bebend; er war kein Jüngling mehr und die letztvergangene Zeit hatte körperliche wie geistige Anstrengungen in Fülle auf ihn gehäuft. Es ist auch kein Wunder — fuhr Windt mit offener Freimüthigkeit fort. Ich wurde in Doorwerth von einem heftigen Gichtanfall heimgesucht, zu dem sich etwas Fieber gesellte, da empfing ich dieses kurze Briefchen von dem Herrn Erbgrafen aus dem Haag: „Ich werde nicht über Doorwerth nach Varel gehen, mein lieber Windt, aber gerade *) Urschriftlich; der Brief ist noch vorhanden.
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mir forderte und es mir zu arg schien, daß sich schlaue Betrüger länger von der Habe edeldenkender und für die Literatur eingenommener Personen nähren sollten. — Abbe Eckhel.“ *)
Genug — er ist nun einmal der Wahrheit unerschütterlich treu; sollte ich dem redlichen Freunde zürnen? Wer die Wahrheit nicht hören will und kann, der ist sehr zu beklagen. Habe ich doch nur das Gute gewollt und die Wissenschaft zu fördern gesucht mit wahrhaft großartigen Opfern — und das Gute und Große aufrichtig gewollt zu haben, gibt schon ein Genügen.
Nun aber hierin nicht weiter — Anderes bringt die andere Stunde.
Die Reichsgräfin legte noch einige Schriften und Briefschaften sich zur Hand, und dann klingelte sie.
Der greise Kammerdiener Weisbrod trat ein.
Ich lasse Herrn Windt bitten!
Was nun werden wird, werden soll, nach dem gestrigen Auftritt? fragte sich die Matrone. O gewiß, ich muß die ganze Last der Sorge mit in die Grube nehmen — doch nicht ungestraft sollen sie mir die letzten Tage meines Alters verbittern, und thun will ich, was ich will, bis zum letzten Athemzuge. —
Windt trat ein, er sah noch bleicher aus, als am gestrigen Abend; seine Gebieterin nahm dies mit ihrem noch immer scharfen Fernblick sogleich wahr und fragte, als sie auf seinen ehrfurchtvollen Gruß gnädig gedankt: Was ist Ihnen, lieber Windt? Sie sehen so sehr angegriffen aus?
Ich bin es, Excellenz! — erwiederte Windt, und seine Stimme war matt und bebend; er war kein Jüngling mehr und die letztvergangene Zeit hatte körperliche wie geistige Anstrengungen in Fülle auf ihn gehäuft.
Es ist auch kein Wunder — fuhr Windt mit offener Freimüthigkeit fort. Ich wurde in Doorwerth von einem heftigen Gichtanfall heimgesucht, zu dem sich etwas Fieber gesellte, da empfing ich dieses kurze Briefchen von dem Herrn Erbgrafen aus dem Haag: „Ich werde nicht über Doorwerth nach Varel gehen, mein lieber Windt, aber gerade
*) Urschriftlich; der Brief ist noch vorhanden.
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/30>, abgerufen am 16.02.2025. |