Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Wäldern, theils den Wiesen und sonnigen Rainen entnommen, hatten zu Tränken gepreßt Wunder an mir gethan. Noch einmal hatte ich einen schönen Mondscheinabend mit Anges in glücklicher Zufriedenheit verplaudert, und wir hatten uns jener Wonneabende erinnert, in denen wir in der Rebenlaube vor der Thüre ihres Hauses in Zweibrücken saßen, auch jenes Abends, an welchem der verhängnißvolle Besuch jener hohen Dame erfolgte, die so bedeutsam auf Anges' Leben einwirkte. Die Jugendzeit unserer Gefühle war uns noch einmal erblüht, denn das Herz altert ja nicht, und wo einmal wahre Liebe im treuen jugendlichen Herzen lodert, da wird sie von selbst zur Vestaflamme, die wie ein Mond die Sommerzeit des Lebens erhellt, und wie eine reine Ampel mit strahlender Wärme noch in späten Wintertagen dem gealterten Herzen wohlthut. Am andern Tage lag ein Briefchen auf dem Tische, der an meinem Lager stand. Es war Anges' Hand -- ich bebte. Zitternd öffnete ich, und las: "Mein ewiggeliebter Leonardus!" "Pflicht und Ehre mahnen zu scheiden! Du bist genesen. Ich folge dem Gebote der Pflicht, die mich diesen Ort auf lange, vielleicht auf immer verlassen heißt. Die Sicherheit meiner Pflegebefohlenen, meine eigene fordern es. -- Lebe wohl! O, lebe tausendmal wohl! Wir sind auf Erden einander nicht bestimmt, aber droben! droben! Leonardus! Mein letzter zitternder Seufzer, der, wenn ich sterbe, über meine Lippen haucht, soll dein Name sein! In Ewigkeit und für die Ewigkeit deine, nur deine treuverbundene Anges." Ach, da kamen alle meine Schmerzen wieder, doch ward auf das Beste fort und fort für meine Pflege gesorgt. Als ich aber Erkundigungen einzog, wußte mir Niemand Etwas zu sagen -- Anges, Sophie, der alte Diener -- auch ein Dienstmädchen, dieselbe, welche Anges früher in Gesprächen erwähnt -- wie hieß sie doch? Sophie? Ja, Sophie Botta hieß sie -- alle waren fort, und keine Spur, wohin sie sich gewendet. Ich war allein -- ich hatte mein Weh getragen, hatte mein Glück genossen, und konnte gehen. Niemand sprach zu mir, ich möchte gehen, Niemand hieß mich bleiben; ich war in einer Wäldern, theils den Wiesen und sonnigen Rainen entnommen, hatten zu Tränken gepreßt Wunder an mir gethan. Noch einmal hatte ich einen schönen Mondscheinabend mit Angés in glücklicher Zufriedenheit verplaudert, und wir hatten uns jener Wonneabende erinnert, in denen wir in der Rebenlaube vor der Thüre ihres Hauses in Zweibrücken saßen, auch jenes Abends, an welchem der verhängnißvolle Besuch jener hohen Dame erfolgte, die so bedeutsam auf Angés’ Leben einwirkte. Die Jugendzeit unserer Gefühle war uns noch einmal erblüht, denn das Herz altert ja nicht, und wo einmal wahre Liebe im treuen jugendlichen Herzen lodert, da wird sie von selbst zur Vestaflamme, die wie ein Mond die Sommerzeit des Lebens erhellt, und wie eine reine Ampel mit strahlender Wärme noch in späten Wintertagen dem gealterten Herzen wohlthut. Am andern Tage lag ein Briefchen auf dem Tische, der an meinem Lager stand. Es war Angés’ Hand — ich bebte. Zitternd öffnete ich, und las: „Mein ewiggeliebter Leonardus!“ „Pflicht und Ehre mahnen zu scheiden! Du bist genesen. Ich folge dem Gebote der Pflicht, die mich diesen Ort auf lange, vielleicht auf immer verlassen heißt. Die Sicherheit meiner Pflegebefohlenen, meine eigene fordern es. — Lebe wohl! O, lebe tausendmal wohl! Wir sind auf Erden einander nicht bestimmt, aber droben! droben! Leonardus! Mein letzter zitternder Seufzer, der, wenn ich sterbe, über meine Lippen haucht, soll dein Name sein! In Ewigkeit und für die Ewigkeit deine, nur deine treuverbundene Angés.“ Ach, da kamen alle meine Schmerzen wieder, doch ward auf das Beste fort und fort für meine Pflege gesorgt. Als ich aber Erkundigungen einzog, wußte mir Niemand Etwas zu sagen — Angés, Sophie, der alte Diener — auch ein Dienstmädchen, dieselbe, welche Angés früher in Gesprächen erwähnt — wie hieß sie doch? Sophie? Ja, Sophie Botta hieß sie — alle waren fort, und keine Spur, wohin sie sich gewendet. Ich war allein — ich hatte mein Weh getragen, hatte mein Glück genossen, und konnte gehen. Niemand sprach zu mir, ich möchte gehen, Niemand hieß mich bleiben; ich war in einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0297" n="293"/> Wäldern, theils den Wiesen und sonnigen Rainen entnommen, hatten zu Tränken gepreßt Wunder an mir gethan.</p> <p>Noch einmal hatte ich einen schönen Mondscheinabend mit Angés in glücklicher Zufriedenheit verplaudert, und wir hatten uns jener Wonneabende erinnert, in denen wir in der Rebenlaube vor der Thüre ihres Hauses in Zweibrücken saßen, auch jenes Abends, an welchem der verhängnißvolle Besuch jener hohen Dame erfolgte, die so bedeutsam auf Angés’ Leben einwirkte. Die Jugendzeit unserer Gefühle war uns noch einmal erblüht, denn das Herz altert ja nicht, und wo einmal wahre Liebe im treuen jugendlichen Herzen lodert, da wird sie von selbst zur Vestaflamme, die wie ein Mond die Sommerzeit des Lebens erhellt, und wie eine reine Ampel mit strahlender Wärme noch in späten Wintertagen dem gealterten Herzen wohlthut.</p> <p>Am andern Tage lag ein Briefchen auf dem Tische, der an meinem Lager stand. Es war Angés’ Hand — ich bebte. Zitternd öffnete ich, und las:</p> <p>„Mein ewiggeliebter Leonardus!“ </p> <p>„Pflicht und Ehre mahnen zu scheiden! Du bist genesen. Ich folge dem Gebote der Pflicht, die mich diesen Ort auf lange, vielleicht auf immer verlassen heißt. Die Sicherheit meiner Pflegebefohlenen, meine eigene fordern es. — Lebe wohl! O, lebe tausendmal wohl! Wir sind auf Erden einander nicht bestimmt, aber droben! droben! Leonardus! Mein letzter zitternder Seufzer, der, wenn ich sterbe, über meine Lippen haucht, soll dein Name sein! 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Wäldern, theils den Wiesen und sonnigen Rainen entnommen, hatten zu Tränken gepreßt Wunder an mir gethan.
Noch einmal hatte ich einen schönen Mondscheinabend mit Angés in glücklicher Zufriedenheit verplaudert, und wir hatten uns jener Wonneabende erinnert, in denen wir in der Rebenlaube vor der Thüre ihres Hauses in Zweibrücken saßen, auch jenes Abends, an welchem der verhängnißvolle Besuch jener hohen Dame erfolgte, die so bedeutsam auf Angés’ Leben einwirkte. Die Jugendzeit unserer Gefühle war uns noch einmal erblüht, denn das Herz altert ja nicht, und wo einmal wahre Liebe im treuen jugendlichen Herzen lodert, da wird sie von selbst zur Vestaflamme, die wie ein Mond die Sommerzeit des Lebens erhellt, und wie eine reine Ampel mit strahlender Wärme noch in späten Wintertagen dem gealterten Herzen wohlthut.
Am andern Tage lag ein Briefchen auf dem Tische, der an meinem Lager stand. Es war Angés’ Hand — ich bebte. Zitternd öffnete ich, und las:
„Mein ewiggeliebter Leonardus!“
„Pflicht und Ehre mahnen zu scheiden! Du bist genesen. Ich folge dem Gebote der Pflicht, die mich diesen Ort auf lange, vielleicht auf immer verlassen heißt. Die Sicherheit meiner Pflegebefohlenen, meine eigene fordern es. — Lebe wohl! O, lebe tausendmal wohl! Wir sind auf Erden einander nicht bestimmt, aber droben! droben! Leonardus! Mein letzter zitternder Seufzer, der, wenn ich sterbe, über meine Lippen haucht, soll dein Name sein! In Ewigkeit und für die Ewigkeit deine, nur deine treuverbundene
Angés.“
Ach, da kamen alle meine Schmerzen wieder, doch ward auf das Beste fort und fort für meine Pflege gesorgt. Als ich aber Erkundigungen einzog, wußte mir Niemand Etwas zu sagen — Angés, Sophie, der alte Diener — auch ein Dienstmädchen, dieselbe, welche Angés früher in Gesprächen erwähnt — wie hieß sie doch? Sophie? Ja, Sophie Botta hieß sie — alle waren fort, und keine Spur, wohin sie sich gewendet. Ich war allein — ich hatte mein Weh getragen, hatte mein Glück genossen, und konnte gehen. Niemand sprach zu mir, ich möchte gehen, Niemand hieß mich bleiben; ich war in einer
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