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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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mit beigetragen hatte, in der Nähe von Thiel ihn zu fangen und in Haft zu nehmen.

Kaum graute der Morgen, so machte ich mich auf und fragte im Hause, wer die Reisenden seien; Niemand wußte es, Niemand kannte sie, sie waren noch vor mir leise aufgebrochen und nirgend mehr zu sehen. Zu so früher Stunde und so geradezu konnte ich mich Anges schicklicher Weise nicht nahen; ich umkreis'te aber ihren Wohnort und das Haus, das mir von ihrer Mutter als dasjenige bezeichnet war, in welchem sie mit dem Kinde weilte; es war die Dienstwohnung eines Lehrers, welcher dem Kinde Unterricht in Religion und andern Gegenständen ertheilte. Ein alter Klosterbau und dessen Lage in einem Waldthale machte den Ort romantisch, und der Frühling ließ Alles ringsum paradiesisch erscheinen. O, wie wohl that mir diese Ruhe, und wie unendlich glücklich würde sie mich gemacht haben, hätte ich ohne Furcht und Bangen jetzt durch diese lieblichen Fluren am Abhang eines der schönsten und eigenthümlichsten Gebirge Deutschlands wandeln können. Ich wußte meinen Spaziergang so einzurichten, denn ein solcher war es, da das Oertchen, wo Anges ihr Asyl gefunden hatte, etwas entfernt von dem Städtchen lag, -- daß ich die Thüre von ihrer Wohnung und die Wege, die von dort in das Thal führten, stets im Auge behielt; dabei spähte ich fleißig umher, ob ich nicht etwas Verdächtiges entdecken würde, allein Alles blieb ruhig und still. Endlich, o Freude, hüpfte die kleine Sophie aus dem Hause im sommerlichen Morgengewand, dem lieblichen Kinde folgte Anges; sie traten heraus in die Frühlingsmorgenfrische, gleich schönen Sylphen, welche ausfliegen, um die Blumen zu küssen und fröhlich im Tagesglanze umherzuschweben.

Ich wartete noch, um Beiden nicht gleich auf dem Fuße zu folgen; da sah ich einen bejahrten Mann aus dem Hause treten, augenscheinlich einen Kammerdiener. Anges und das Kind schritten längs des Baches hin, der vom Gebirge herabkam, an einem Dörfchen vorüber, das den gleichen Namen trägt, wie die Ahnenwiege eines alten deutschen Fürstenstammes. Ich nahm einen Umweg, um Anges einen Vorsprung abzugewinnen, und durchschritt ein Vorholz, darin die schönsten Frühlingserstlinge blühten. Als ich aus diesem Gehölz auf den Waldweg trat, gewahrte ich, wie ein Mann, der bis jetzt

mit beigetragen hatte, in der Nähe von Thiel ihn zu fangen und in Haft zu nehmen.

Kaum graute der Morgen, so machte ich mich auf und fragte im Hause, wer die Reisenden seien; Niemand wußte es, Niemand kannte sie, sie waren noch vor mir leise aufgebrochen und nirgend mehr zu sehen. Zu so früher Stunde und so geradezu konnte ich mich Angés schicklicher Weise nicht nahen; ich umkreis’te aber ihren Wohnort und das Haus, das mir von ihrer Mutter als dasjenige bezeichnet war, in welchem sie mit dem Kinde weilte; es war die Dienstwohnung eines Lehrers, welcher dem Kinde Unterricht in Religion und andern Gegenständen ertheilte. Ein alter Klosterbau und dessen Lage in einem Waldthale machte den Ort romantisch, und der Frühling ließ Alles ringsum paradiesisch erscheinen. O, wie wohl that mir diese Ruhe, und wie unendlich glücklich würde sie mich gemacht haben, hätte ich ohne Furcht und Bangen jetzt durch diese lieblichen Fluren am Abhang eines der schönsten und eigenthümlichsten Gebirge Deutschlands wandeln können. Ich wußte meinen Spaziergang so einzurichten, denn ein solcher war es, da das Oertchen, wo Angés ihr Asyl gefunden hatte, etwas entfernt von dem Städtchen lag, — daß ich die Thüre von ihrer Wohnung und die Wege, die von dort in das Thal führten, stets im Auge behielt; dabei spähte ich fleißig umher, ob ich nicht etwas Verdächtiges entdecken würde, allein Alles blieb ruhig und still. Endlich, o Freude, hüpfte die kleine Sophie aus dem Hause im sommerlichen Morgengewand, dem lieblichen Kinde folgte Angés; sie traten heraus in die Frühlingsmorgenfrische, gleich schönen Sylphen, welche ausfliegen, um die Blumen zu küssen und fröhlich im Tagesglanze umherzuschweben.

Ich wartete noch, um Beiden nicht gleich auf dem Fuße zu folgen; da sah ich einen bejahrten Mann aus dem Hause treten, augenscheinlich einen Kammerdiener. Angés und das Kind schritten längs des Baches hin, der vom Gebirge herabkam, an einem Dörfchen vorüber, das den gleichen Namen trägt, wie die Ahnenwiege eines alten deutschen Fürstenstammes. Ich nahm einen Umweg, um Angés einen Vorsprung abzugewinnen, und durchschritt ein Vorholz, darin die schönsten Frühlingserstlinge blühten. Als ich aus diesem Gehölz auf den Waldweg trat, gewahrte ich, wie ein Mann, der bis jetzt

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[288/0292] mit beigetragen hatte, in der Nähe von Thiel ihn zu fangen und in Haft zu nehmen. Kaum graute der Morgen, so machte ich mich auf und fragte im Hause, wer die Reisenden seien; Niemand wußte es, Niemand kannte sie, sie waren noch vor mir leise aufgebrochen und nirgend mehr zu sehen. Zu so früher Stunde und so geradezu konnte ich mich Angés schicklicher Weise nicht nahen; ich umkreis’te aber ihren Wohnort und das Haus, das mir von ihrer Mutter als dasjenige bezeichnet war, in welchem sie mit dem Kinde weilte; es war die Dienstwohnung eines Lehrers, welcher dem Kinde Unterricht in Religion und andern Gegenständen ertheilte. Ein alter Klosterbau und dessen Lage in einem Waldthale machte den Ort romantisch, und der Frühling ließ Alles ringsum paradiesisch erscheinen. O, wie wohl that mir diese Ruhe, und wie unendlich glücklich würde sie mich gemacht haben, hätte ich ohne Furcht und Bangen jetzt durch diese lieblichen Fluren am Abhang eines der schönsten und eigenthümlichsten Gebirge Deutschlands wandeln können. Ich wußte meinen Spaziergang so einzurichten, denn ein solcher war es, da das Oertchen, wo Angés ihr Asyl gefunden hatte, etwas entfernt von dem Städtchen lag, — daß ich die Thüre von ihrer Wohnung und die Wege, die von dort in das Thal führten, stets im Auge behielt; dabei spähte ich fleißig umher, ob ich nicht etwas Verdächtiges entdecken würde, allein Alles blieb ruhig und still. Endlich, o Freude, hüpfte die kleine Sophie aus dem Hause im sommerlichen Morgengewand, dem lieblichen Kinde folgte Angés; sie traten heraus in die Frühlingsmorgenfrische, gleich schönen Sylphen, welche ausfliegen, um die Blumen zu küssen und fröhlich im Tagesglanze umherzuschweben. Ich wartete noch, um Beiden nicht gleich auf dem Fuße zu folgen; da sah ich einen bejahrten Mann aus dem Hause treten, augenscheinlich einen Kammerdiener. Angés und das Kind schritten längs des Baches hin, der vom Gebirge herabkam, an einem Dörfchen vorüber, das den gleichen Namen trägt, wie die Ahnenwiege eines alten deutschen Fürstenstammes. Ich nahm einen Umweg, um Angés einen Vorsprung abzugewinnen, und durchschritt ein Vorholz, darin die schönsten Frühlingserstlinge blühten. Als ich aus diesem Gehölz auf den Waldweg trat, gewahrte ich, wie ein Mann, der bis jetzt

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/292>, abgerufen am 27.11.2024.